Diskussion in Neubiberg:Diversität stärkt die Kampfmoral

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Schwergewichte des politischen Diskurses in Deutschland: Die Politik-Professoren Carlo Masala und Ursula Münch bei der Diskussion an der Universität der Bundeswehr. (Foto: Claus Schunk)

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine mehren sich laut dem Politik-Professor Carlo Masala in der Bundeswehr die Stimmen, die sagen: "Männer müssen kämpfen können." Dabei könne man von Präsident Selenskij lernen, wie wichtig Vielfalt für die Truppe ist.

Von Martin Mühlfenzl, Neubiberg

Ursula Münch ist bekannt für klare Worte und sich ihrer Wirkmacht bewusst. Das lässt die Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing am Starnberger See den Mann, der ihr im Stauffenberg-Saal in der Bibliothek der Universität der Bundeswehr München gegenübersitzt, gleich einmal spüren. "Ich war damals die Vorsitzende der Berufungskommission", sagt die Professorin für Politikwissenschaften zu Carlo Masala, lacht und fragt etwas verschmitzt: "Wem haben Sie es zu verdanken, dass Sie an der Universität der Bundeswehr sind?" Und der von Münch berufene Professor für internationale Politik lässt an diesem unterhaltsamen Freitagnachmittag keine Gelegenheit aus, seiner Kollegin für diesen Dienst - wenn auch nicht immer ernst gemeint - zu danken.

Münch und Masala sind zwei Schwergewichte des politischen Diskurses in Deutschland. Sie in Sachen Landes- und Bundespolitik, er als aus Talkshows bekannter Erklärer des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Doch im Stauffenberg-Saal in Neubiberg, benannt nach dem Wehrmachtsoffizier und Hitler-Attentäter, geht es im Gespräch der beiden nicht um die Krisenherde der Welt oder in der bayerischen Staatsregierung, sondern um Diversität - also Vielfalt in der Bundeswehr.

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Warum der eine besondere Bedeutung zukommt, stellt in ihrer Begrüßung die Vizepräsidentin der Bundeswehr-Universität, Rafaela Kraus, klar: Es gehe einerseits natürlich um Fairness und Gleichheit, egal welcher Hautfarbe, Geschlecht oder Herkunft ein Mensch sei. "Es ist aber auch ein Business-Case", sagt Kraus. Die Bundeswehr sei angewiesen auf eine diverse Struktur, sie müsse attraktiv sein, um die Potenziale der Organisation zu heben und mehr Innovation zuzulassen.

Eine Einschätzung, die auch der Welterklärer Masala teilt. Dennoch räumt er in seinem kurzen Vortrag mit überzogenen Erwartungen auf. Das Thema Diversität, so der 55-Jährige, habe erst nach dem Aussetzen der Wehrpflicht an Fahrt aufgenommen, als sich die Frage stellte, woher denn das Personal für die Bundeswehr kommen solle. "Weil der klassische 18-Jährige nicht mehr angeschrieben wurde", so Masala. Unter der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sei das Thema damals "scharf" gestellt worden, und es habe sich der Blick geweitet: auch in bis dahin kaum beachtete Gesellschaftsteile hinein.

"Aber bis heute gibt es eine Verengung auf bestimmte Aspekte, die richtig sind, aber nicht genug", sagt Masala. "Diversität fördert bessere Entscheidungen und eine bessere Unternehmenskultur. Das ist aber nur die eine Hälfte der Medaille." Mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine, so der Professor, habe sich aber auch die Debatte um das Thema Diversität geändert. Es werde noch schwieriger innerhalb der Truppe durchzusetzen sein, ist sich Masala sicher, denn die neue Situation habe Tendenzen zutage gefördert, die innerhalb der Bundeswehr lauten: "Vergessen wir den ganzen Scheißdreck. Männer müssen kämpfen können."

Wie sehr aber eine diverse Truppe auch zur Stabilität eines diversen Landes beitragen kann, macht Masala anhand eines Beispiels deutlich. Als Wolodimir Selenskij zum ukrainischen Präsidenten gewählt wurde, habe er sich sehr schnell für die Ehe für alle und Rechte der LGBTQ-Bewegung eingesetzt, so Masala. "Und zu Beginn des Krieges haben sich große Teile der LGBTQ-Bewegung gemeldet. Weil sie gewusst haben, was sie verteidigen."

Nur wie wird die Truppe bunter, vielfältiger und damit auch stabiler? Masala stellt sich deutlich gegen eine Wiedereinführung der Wehrpflicht, hegt aber Sympathien für das sogenannte schwedische Modell, bei dem alle Männer und Frauen im wehrfähigen Alter angeschrieben und gemustert werden, aber nur Interessierte ins Militär eintreten. Und es sollten in Deutschland auch alle 90 000 Schulabgänger pro Jahr ohne deutschen Pass angeschrieben werden, so der Sicherheitsexperte - und auch für Erwachsene ohne deutsche Staatsbürgerschaft sollte die Bundeswehr geöffnet werden. "In den USA und Großbritannien funktioniert das. Damit führe ich die Bundeswehr zu etwas, was Streitkräfte immer waren: die Schule der Nation."

Laut Ursula Münch steht auch die Universität der Bundeswehr exemplarisch dafür, wie das Militär attraktiver werden könne: Hier werde Menschen ein Studium angeboten, es könne bei der Bundeswehr aber auch der Führerschein gemacht werden oder eine Ausbildung. "Das ganze Gedöns Diversität können wir knicken, wenn die Bundeswehr keinen attraktiven Arbeitsplatz anbietet", sagt Münch.

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