Trambahn:Lärmende Lebensader

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Die Tram ist die wichtige Verkehrsader zwischen der Landeshauptstadt und Grünwald. (Foto: Angelika Bardehle)

Die meisten Grünwalder sind froh über die Straßenbahnlinie, die sie mit München verbindet. Doch manche Anwohner leiden unter dem Rattern. Sie versuchen, Verbesserungen zu erzielen

Von Claudia Wessel, Grünwald

Die Adresse Südliche Münchner Straße 48b ist traumhaft. Fort vom Straßenlärm führt ein kleiner ungeteerter Weg dorthin. Er ist gesäumt von hohen alten Bäumen ebenso wie das Grundstück am Ende des Wegs. Es bietet Platz für mehrere Häuser. Drei sind schon älter, ein viertes entsteht gerade. Eine Oase der Stille.

Doch was ist das? Ein Geräusch, das unverhofft kommt und immer lauter wird. Könnte Geröll sein, das in einen Abgrund kullert. Oder ein Wasserfall, der plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht ist. Ach so, das ist ja die Trambahn. Und schon ist sie auch wieder weg. Fest steht auf jeden Fall: Sie ist deutlich hörbar. Ob man sie als "laut" bezeichnet, hängt aber offenbar auch von der persönlichen Empfindlichkeit ab. Mit der Situation leben jedenfalls alle Anwohner entlang der rund fünf Kilometer langen Trambahn-Trasse in Grünwald. Wer kann, zieht mitunter wieder weg. Wer hier geerbt hat, bleibt.

Die MVG sprach schon davon, die Strecke aufzugeben

Man spricht ungern darüber, denn eigentlich ist die Trambahn nach Grünwald ein Segen, für Tausende von Fahrgästen. Diejenigen, die vor einigen Jahren für den Erhalt des Verkehrsmittels gekämpft haben, als die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) vom Aufgeben der Strecke sprach, möchten am liebsten gar nicht von den Geräuschen sprechen.

Hier werden sie vom nächsten August an in ihrem Garten sitzen und mit Wohlwollen der 30 Meter weiter vorbeifahrenden Trambahn zuhören: Michael und Maria Lehmann-Horn mit ihren drei Kindern. (Foto: Claus Schunk)

Bürgermeister Jan Neusiedl (CSU) etwa bat in der Bürgerversammlung im Oktober den Dauer-Kritiker Johann Ebner: "Ich kann nur davon abraten, etwas zu unternehmen, das den Betrieb der Trambahn gefährden würde." Auch die Bauherren Maria und Michael Lehmann-Horn mit ihren Kindern Maximilian, 6, Sophia, 5, und Isabella, 3, hören die Trambahn.

Sie hören die Tram auch an ihrem bisherigen Wohnort in Harlaching am Theodolindenplatz. Michael Lehmann-Horn gibt zu, nachts manchmal von einem Quietschen aufzuwachen, das an schreiende Kinder erinnert. Dann horche er, ob es seine Kinder seien, wenn es aber nur die Nachttram war, die dort vorbeifährt, lege er sich entspannt zurück.

Seine Frau Maria hört überhaupt nichts im Schlaf, und wenn doch, "dann finde ich es schön, zu hören, dass ich nicht alleine bin, dass wir nicht einsam sind." Eine schöne psychologische Wirkung der Trambahn, die die Familie vom August kommenden Jahres an noch intensiver erleben wird. Denn dann soll ihr Haus fertig sein, das 30 Meter von den Schienen entfernt steht.

"Wir ziehen mit Absicht in die Nähe der Trambahn", sagt Michael Lehmann-Horn. Auch wegen der Kinder, diese sollten sich später einmal alleine bewegen können und nicht vom Elterntaxi abhängig sein. "Ich finde, das ist eine Lebensader", sagt Maria Lehmann-Horn über die Tram. Und ihr Mann ergänzt: "Wir haben wenig Verständnis für Leute, die sich über öffentliche Verkehrsmittel beschweren." Deshalb habe er sich auch in der Bürgerversammlung zu Wort gemeldet, um seinem Nachbarn wenige hundert Meter weiter,

Johann Ebner, zu widersprechen, der unter dem Lärm leidet. "Wenn man sich so auf dieses Thema einschießt, ist man sicher auch empfindlicher und hört jede Regung." Einen Tag später Lokaltermin bei Johann Ebner in der Ludwig-Ganghofer-Straße 44.

Nach den Lärmschutzfenstern kam der Schimmel

Mit offener Balkontüre am Wohnzimmertisch hört man das Rauschen und Rollen, das anhebt, wenn die Tram vorbeifährt. "Die war jetzt nicht so schlimm", "Da war jetzt ein Schlagen", "Die hat geschleift" - so beurteilt der Anwohner die diversen Geräusche der Bahn, die er seit 2008 intensiv studiert.

Die Ebners wohnen seit 1973 in diesem Haus. Doch erst seit zehn Jahren engagiert sich der Maschinenbauingenieur im Kampf um eine Verbesserung des Lärms. Zum einen, weil er seitdem im Ruhestand ist und er die Zeit dafür hat, wie er sagt. Unter der Situation gelitten habe er wie viele andere Nachbarn auch vorher schon, doch mit dem Beruf, vielen Auslandsaufenthalten und vollem Terminplan konnte er nichts dagegen tun. Jetzt will er dieses Thema "am Laufen halten". Ein Problem bei seinem alten Haus: Er hat einige Lärmschutzfenster einbauen lassen, doch dann entstand Schimmel.

Ebner hat aber auch schon Erfolge erzielt. So etwa trug sein Engagement dazu bei, dass es keine Nachttram nach Grünwald gibt, sondern ab Großhesseloher Brücke einen Nachtbus. Auch dafür, dass die Fahrt der alten, "doppelt so lauten" Tram an der Großhesseloher Brücke endet, hat er quasi mit gesorgt.

Weitere Ziele wären: Geschwindigkeitsreduzierung auf 30 Stundenkilometer, Rasen- statt Schottergleise, häufigere Wartungen, vor allem bei ratternden Rädern, eine Lärmschutzwand. Und ein Ende der Fahrt des "Eiskratzers": Das ist die alte Tram, die bei Frost nachts zwischen 3 und halb vier Uhr die Leitungen der Trambahn vom Eis befreit. "Da sitzt man senkrecht im Bett", so Ebner. Betonen möchte er jedoch noch unbedingt: "Ich möchte die Trambahn nicht abschaffen, ich möchte nur Verbesserungen." Eine Klage plane er auf gar keinen Fall.

Die Tram ist nicht zu laut. So lautet die wichtigste Antwort von Matthias Korte, Pressesprecher der MVG. Sie halte die nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz geforderten Grenzwerte "tagsüber und auch in den Nachtstunden ein". Nach Aussage des Pressesprechers würde die Trambahn bei einem Tempo von 30 Stundenkilometern unattraktiv. Dann würde die Zahl der Fahrgäste drastisch zurückgehen. Gewartet werden die Züge regelmäßig, eine Abnutzung der Räder sei dennoch unvermeidlich. Der "Eiskratzer" kann ebenfalls nicht abgeschafft werden. Ohne ihn würde die Tram bis in den Vormittag hinein ausfallen, so Korte. Alles in allem: "In einer Metropolregion mit knapp drei Millionen Einwohnern lassen sich Geräuschemissionen durch das individuelle Bedürfnis eines jeden Einwohners nach Mobilität nie gänzlich vermeiden."

© SZ vom 31.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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