Kultur im Landkreis München:Totentanz, modern interpretiert

Lesezeit: 3 min

Mit einer bemerkenswerten Ausstellung ist der Künstler Peter P. Rast im Haus für Weiterbildung in Neubiberg vertreten. (Foto: Sebastian Gabriel)

Auf eigenwillige Art hat sich der Künstler Peter P. Rast mit dem Thema auseinandergesetzt. Seine bemerkenswerte Ausstellung ist nun bis Ende Juni im Haus für Weiterbildung in Neubiberg zu sehen.

Von Franziska Gerlach, Neubiberg

Kunst kann schon gemein sein. Da rennen die jungen Frauen von Lebensfreude getrieben durch den Matsch von Wacken, dem großen deutschen Metal-Festival, und dann legt Peter P. Rast, freischaffender Künstler und ehemals Kunstlehrer am Gymnasium Neubiberg, die Zeichnung eines Skeletts über das Foto und verpasst der Lebensfreude einen Dämpfer. Einfach, indem er den Bezug zur Realität herstellt, den Betrachter seines Bildes mit den Fakten konfrontiert: Dem Tod konnte noch niemand entkommen, er ist nun einmal gerecht. Unter dem Titel "Totentanz" zeigt das Haus für Weiterbildung die Arbeiten des Unterbibergers nun bis 28. Juni, die Ausstellung ist das gestalterische Gegenstück zur gleichnamigen Komposition von Franz Schuhbeck, Musiklehrer am Gymnasium Neubiberg. Die Kunst zur Musik, quasi.

Schuhbeck und Rast haben schon mehrmals zusammengearbeitet, diesmal sollte es eine moderne Auseinandersetzung mit dem Totentanz sein. Dessen Ursprünge liegen im Frankreich des Spätmittelalters, stammen also aus einer Zeit, in der die Pest in Europa wütete und sich beim besten Willen nicht wegdiskutieren ließ, dass Rang und Namen dem Tod ziemlich egal sind.

Die Darstellungen des Totentanzes fanden Ausdruck auf den Wänden von Kapellen oder den Mauern von Friedhöfen, gezeigt wurde, wie der Tod in Gestalt eines Skeletts mit Menschen jedweden Alters und Standes ins Jenseits tanzt. So weit die Historie. Doch weil im 21. Jahrhundert Schichten statt Stände die Gesellschaft stellen, passte Rast, 71 Jahre alt, das Totentanz-Sujet an die Gegenwart an und unterteilte seine Arbeiten in neun "Gesellschafts- und Interessengruppen": Kirche, Politik und Wirtschaft, Legislative und Exekutive, Pflege und helfende Berufe, Werktätige, Tradition und Fortschritt, Sport, Musik und Kunst sowie Werte.

Rast war bis 2021 Dozent an der Akademie für Gestaltung und Design in München und lehrte in den Neunzigerjahren an der Universität Würzburg. Er ist in Kempten aufgewachsen, wo er 2009 den Sakralraum einer Kapelle gestaltete - und auch seine imposanten Farbkonzepte waren bereits in zahlreichen Ausstellungen vertreten. Für seine Totentanz-Serie legte er Zeichnungen von tanzenden Skeletten über Medienbilder.

Auch der schwer an seinen Aktentaschen tragender Olaf Scholz ist auf einem der Werke zu sehen. (Foto: Sebastian Gabriel)

Manche dieser mit Grafitstift gefertigten Gesellen wirken, als wollten sie gerade zu einem lässigen Sprung oder einer Drehung ansetzen, mehr Hip-Hop als Reigen tanzen sie über Zeitungsfotos, die Rast auf gelbliches Papier hat drucken lassen: ein schwer an seinen Aktentaschen tragender Olaf Scholz. Der Rucksack eines UN-Soldaten. Papst Franziskus im Papamobil. Elon Musk und Mark Zuckerberg als Boxer.

"Ich sehe mich auch als Chronist, als Durchlauferhitzer von Informationen aus der Medienflut", sagt Rast. Dass sich der Ausstellungsbesucher oftmals selbst im Glas spiegelt, also ebenfalls von den mit spontanem Strich gezeichneten Skeletten überlagert wird, ist für den Künstler "ein willkommener Nebeneffekt". Eine bestimmte Sichtweise möchte er allerdings nicht vorgeben, seine Kunst sei nur Angebot, sagt der Unterbiberger. Ein Angebot, auf das man sich einlassen muss. Denn Rasts Bilder berühren, sie manchen nachdenklich. Und manchmal tun sie auch weh.

Denn wie geht man um mit den Empfindungen, die der Anblick jener auslöst, die den Tod vielleicht schon dicht auf den Fersen haben: Die alte Frau mit Krücken oder ein Flüchtling, der sein Hab und Gut in einem blauen Müllsack durch die Gegend schleppt. Ist es Mitgefühl, das sich bei der Betrachtung eines Mannes einstellt, der beim Klicken des Auslösers gerade eine Tonne Biomüll entsorgte? Oder ist man einfach nur froh, den Job nicht selbst machen zu müssen?

Am Foto der Pilger an der Grotte von Lourdes bewegt den Künstler die Ambivalenz zwischen Kommerz und Leid

Verantwortung und Reflexion bedeuten dem Künstler viel, zumindest fallen diese Worte immer wieder beim Gang durch die Ausstellung. Kein Exponat, zu dem Rast nicht die Hintergründe liefern kann, eine nachvollziehbare Erklärung, warum es ausgerechnet dieses oder jenes Motiv sein musste. Für ein Porträt von Margot Käßmann, der ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, entschied er sich, weil ihn beeindruckte, wie sie nach ihrer alkoholisierten Autofahrt die Verantwortung für ihr Handeln übernommen habe und zurückgetreten sei. Und am Foto der Pilger an der Grotte von Lourdes bewegt ihn die Ambivalenz zwischen Kommerz und Leid.

Donald Trump und Wladimir Putin habe er bewusst nicht in seine Serie aufgenommen, weil er sich auf Deutschland konzentrieren wollte, wie er erklärt. Rast ist nicht der Typ, der mit Plakativem zu wuchern versucht. "Wenn ich eines nicht mag, dann ist das Beliebigkeit", sagt der Unterbiberger. Der Künstler versteht es, wertfrei die Aufmerksamkeit auf die traditionsgeschichtliche Kluft zu lenken, die sich zwischen Sneakern und Haferlschuhen auftut. Ein Mann fürs Detail, für die feinen Zwischentöne. Das lässt sich im Übrigen auch über die Komposition von Franz Schuhbeck sagen. In einem Separee mit roten Sitzmöbeln erklingt sie leise, während Rasts Totentanz-Bilder der Reihe nach über einen Flachbildschirm laufen. Nichts für seichte Ohren, die Musik zur Kunst.

"Totentanz", Ausstellung von Peter P. Rast im Haus der Weiterbildung in Neubiberg, Rathausplatz 8. Zu sehen bis 28. Juni. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag zwischen 8 und 22 Uhr.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusDrogenmissbrauch
:Daniel hätte noch leben können

Mit gerade einmal 20 Jahren stirbt ein junger Mann aus Haar wegen seiner Drogensucht. Seine Mutter, die Schriftstellerin Gabriele Ketterl, beginnt am Tag nach der Tragödie ein Buch über ihn zu schreiben. Ihr Wunsch: "Sein Tod darf nicht sinnlos sein."

Von Anna-Maria Salmen

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: