Starkbieranstich:Ritter Blech nimmt seinen Helm

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Die Freunde des Starkbieranstichs in Taufkirchen müssen jetzt stark sein: Für Ritter Blech alias Michael Müller gibt keinen Nachfolger. (Foto: Claus Schunk)

Beim Starkbieranstich der Freunde des Wolfschneiderhofs in Taufkirchen verkündet Michael Müller nach dem achten Auftritt seinen Abschied als Redner.

Von Iris Hilberth, Taufkirchen

Kaum ist am Aschermittwoch der letzte Fisch verdaut, wird auch schon festlich das erste Starkbier-Fass angezapft. Nach Fasching beginnt die Zeit der hohen Stammwürze und der starken Sprüche. Das Rezept hat Tradition: Kein Starkbier ohne Derblecken. Kein Derblecken ohne Politprominenz. Der Krügelredner Auge in Auge mit denen, über die er seine Witze reißt - sonst funktioniert das nicht.

In Taufkirchen klafften im erneut ausverkauften Saal des Kultur- und Kongresszentrums bei der achten Auflage der Veranstaltung aber einige Lücken am Promitisch. Einst drängte sich hier alles, was im Landkreis München politisch was werden oder bleiben wollte, vor allem in Wahljahren. Doch fehlte am Freitagabend zum wiederholten Male Taufkirchens Bürgermeister Ullrich Sander - diesmal krankheitsbedingt -, aber auch andere Politiker ließen sich entschuldigen. Der richtige Moment, um abzudanken, dachte sich da Michael Müller, der als Ritter Blech von Hilprandingen verbal noch einmal ordentlich austeilte, um sich dann zu verabschieden: "Meine Zeit des Ritters ist nun um, ich verneige mich vor euch, meinem geschätzten Publikum."

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Helmut Rösch, der Vorsitzende der Freunde des Wolfschneiderhofs, der das Starkbierfest organisiert, mag sich das ohne Müller im Gewand des spöttischen Ritters nicht vorstellen. Der war schließlich landkreisweit zum Markenzeichen der Veranstaltung geworden, weil er Jahr für Jahr mit spitzer Feder und pointiertem Vortrag umsetzte, was er sich selbst zur Aufgabe gemacht hatte: "Mit Geist und Witz wollt' ich Euch zeigen, dass auch Großkopferte dazu neigen, ihr Handwerk nur mit Wasser zu betreiben. Und dass das, was rauskommt, manchmal deppert ist, weil man dabei den Verstand vermisst."

Neun solcher Reden hat Müller, einst Pressesprecher des früheren Landrats Heiner Janik (CSU), in den vergangenen Jahren geschrieben. Acht hat er nun gehalten, die neunte kam wegen Corona in die Schublade statt auf die Bühne. Müller ist jetzt 67 Jahre alt und neben seinem Ritterdasein inzwischen auch Heimatpfleger in der Gemeinde Taufkirchen. "Das ist mehr Arbeit als ich dachte, fast schon ein Halbtagsjob", begründet er seine Entscheidung, fortan nur noch das Trachtenhemd und nicht mehr die Ritterkluft zu tragen. Gleichwohl ist das nur die halbe Wahrheit. Offenbar stehen der Aufwand der Vorbereitung und der Ertrag, ausbezahlt in Applaus und herzhaften Lachern, nicht mehr so recht im Einklang. Als Starkbierredner muss man das aushalten: Nicht jeder Witz, an dem man sprachlich noch so gefeilt hat, und über den man sich selbst schlapp lachen könnte, führt bei den Zuhörern zur gewünschten Reaktion. "Wenn du da oben stehst und die Pointe nicht zündet, möchtest du am liebsten weggehen", sagt Müller.

Landrat Christoph Göbel (CSU), der nun wirklich zu den Stammgästen beim Taufkirchner Starkbierfest zählt, der auch beherzt lachen kann, wenn der Ritter ihn als "Landvogt" und "Schutzheiligen der Traglufthallen" bezeichnet, der inzwischen keine textilen Luftpolster mehr aufblasen müsse, weil er in den Containerbau eingestiegen sei, sagt über Müller: "Ich habe einen Riesenrespekt vor diesen Auftritten." Das ganze Jahr über müsse ein Starkbierredner Material und Fakten sammeln, aus der eigenen Gemeinde bis hin in die große Politik, und das dann kritisch und scharf auf den Punkt bringen. "Ich bin jedes Mal beeindruckt, es wäre sehr schade, wenn er es nicht mehr macht", sagte Göbel.

Na dann Prost! Der Vorsitzende der Freunde des Wolfschneiderhofs Helmut Rösch mit dem Zweiten Bürgermeister von Taufkirchen, Michael Lilienthal, Landrat Christoph Göbel und der CSU-Landtagsabgeordneten Kerstin Schreyer (von links). (Foto: Claus Schunk)

So sieht das auch Kerstin Schreyer, die Landtagsabgeordnete der CSU und ehemalige Ministerin aus Unterhaching. Zu ihr war Müller diesmal ganz ritterlich und tröstete sie nach dem Rauswurf aus dem Kabinett: "Lieber eine verlässliche Volksvertreterin sein und sich auf sich selbst verlassen können als auf einen Fürsten, der sich wie ein Wetterhahn ganz schnell in eine andere Richtung drehen kann." Das tue auch mal gut, meinte Schreyer, obwohl sie als Politik-Profi natürlich weiß, dass man beim Derblecken auch an Stellen lachen muss, an denen es einem vielleicht nicht danach zumute ist. "Als Starkbierredner darf man nicht verletzen, man muss witzig sein, ohne Wunden zu schlagen", sagt sie. Eine Herausforderung sei es bei diesen Reden auch, die Gemeindepolitik so einzubauen, dass jeder das im Publikum verstehe, der sich nicht ständig damit beschäftige, findet Schreyer. Sie weiß, wie schwierig es ist, dass die Pointe trifft. "Wir kennen das auch aus unseren Reden, wenn das mal nicht funktioniert. Nur ist das nicht ganz so schlimm. Man geht dann einfach darüber hinweg und sagt sich: Wichtig ist, dass der Inhalt rüberkommt." Auch Christoph Nadler, Landratsstellvertreter von den Grünen und Taufkirchner sagt: "Es ist schwierig, den richtigen Ton zu treffen." Er weiß, dass Müller kein Grüner sei, "aber er hat es im Wesentlichen sehr ausgewogen gemacht."

Volles Haus beim Starkbierfest im Kultur- und Kongresszentrum Taufkirchen, das auch als Ritter-Hilprand-Hof bekannt ist. (Foto: Claus Schunk)

Helmut Rösch, der Vereinsvorsitzende, hofft nun, dass es sich Müller doch noch mal anders überlegt. Er verweist dabei auf sich selbst, der vor eineinhalb Jahren eigentlich aufhören wollte. Ritter Blech widmete ihm dafür so viele Zeilen, wie sie sonst nur Prominente bekommen: "Überall rundum führen sie jetzt 30er-Zonen ein. Nur bei den Freunden des Wolfschneiderhofs wird weiter Vollgas gegeben. Da gibt's keine Begrenzung nach oben. Da bleibt der Kapitän auch mit 82 noch auf der Kommandobrücke."

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