Giesinger Autobahn:SPD und Grüne klagen gegen Demonstrationsverbot

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Die Initiatoren wollen gerichtlich durchsetzen, dass sie am 27. Juni auf der Autobahn bei Taufkirchen eine Kundgebung für besseren Lärmschutz abhalten dürfen.

Von Iris Hilberth, Taufkirchen

SPD und Grüne in Taufkirchen gehen gerichtlich gegen das vom Landratsamt München verhängte Demonstrationsverbot auf der Giesinger Autobahn vor. Wie die beiden Gemeinderäte Matteo Dolce (SPD) und David Grothe (Grüne) mitteilen, haben sie am Freitag beim Verwaltungsgericht München Klage gegen den Bescheid der Behörde eingereicht. In einem Eilverfahren wollen sie erwirken, dass die geplante Demonstration für einen besseren Lärmschutz auf der A 995 zwischen den Anschlussstellen Taufkirchen-West und Oberhaching am Montagabend, 27. Juni, doch stattfinden kann.

Demo ja, aber nicht auf der Autobahn

Die beiden Kommunalpolitiker hatten bereits im April einen Antrag auf diese Veranstaltung gestellt, bei der sie vor allem für eine Ausweitung des Tempolimits von 80 Stundenkilometern auf 24 Stunden auf die Straße gehen wollen. Das Landratsamt hatte ihnen erst in der vergangene Woche den Verbotsbescheid zugestellt, mit der Vorgabe, die Taufkirchner könnten zwar demonstrieren, aber nicht auf der Autobahn. Es wies darauf hin, dass den "Verkehrsinteressen" bei öffentlichen Straßen, die allein dem Straßenverkehr gewidmet seien, mehr Bedeutung beigemessen werde, "sodass das Interesse des Veranstalters an der ungehinderten Nutzung der Straße gegebenenfalls zurückzutreten hat".

So müsste bei der geplanten Demonstration die A 995 "entgegen der eindeutigen Zweckbestimmung" für mindestens vier Stunden gesperrt werden, meint die Behörde. Und das würde die "Grund-Rechte der Verkehrsteilnehmer berühren. Die nämlich nutzten die Autobahn, um schnell von einem Ort zu anderen zu gelangen. Zum anderen wären die Anwohner der Ausweichstrecken betroffen, die für mehrere Stunden einen Dauerstau ertragen müssten. In ähnlicher Weise wären andere Verkehrsteilnehmer betroffen, die auf den Ausweichstrecken unterwegs wären und ihrerseits dann im Stau stehen würden, sorgt sich das Landratsamt und befürchtet zudem, die Sperrung würde auch zu einem erhöhten Unfallrisiko durch die an mehreren Stellen plötzlich entstehenden Verkehrsstaus führen.

Die Lärmschutzinitiative hat kürzlich aufgegeben

Die Auswirkungen einer Sperrung der Giesinger Autobahn hält die Behörde auch deshalb für "besonders schwerwiegend", da die A 995 zu den am meisten befahrenen Fernstraßen im Großraum München zähle. Genau dies hatten die zuständigen Behörden jahrelang in Abrede gestellt. Es sei nicht laut genug und das Verkehrsaufkommen auch nicht so hoch, dass ein weiterer Lärmschutz als das nächtliche Tempolimit auf der Strecke zwischen Autobahnkreuz München Süd und Stadtgrenze gerechtfertigt sei, so die bislang unveränderte Meinung des Bayerischen Innenministeriums. Eine Lärmschutzinitiative in Taufkirchen hat sich daran die Zähne ausgebissen und nach jahrzehntelangem Kampf kürzlich aufgegeben und sich aufgelöst.

Giesinger Autobahn
:Lärmschutz-Demo soll stattfinden

Weil ihr Antrag auf eine Kundgebung für mehr Lärmschutz nicht angekommen ist, gingen die Initiatoren davon aus, dass sie auf der Autobahn bei Taufkirchen demonstrieren können. Auch nach der Ablehnung wollen SPD und Grüne nicht klein beigeben.

Von Iris Hilberth

Daher bezeichnen Dolce und Grothe die Demonstration auf der Autobahn nun als "ultima ratio", wie sie in der Begründung ihrer Klage schreiben. Sie sehen durch das Verbot ihr Grundrecht auf freie Meinungsäußerung "in rechtlich unzulässiger Weise eingeschränkt". Denn eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sei in diesem Fall nicht gegeben. Die Nutzung der Autobahn für Versammlungszwecke sei nicht von vornherein ausgeschlossen, denn die jüngste Rechtsprechung unterstütze die Annahmen, dass Autobahnen und Kraftfahrstraßen "keine versammlungsfreien Räume" seien.

Die Taufkirchner verweisen auf den G-7-Gipfel in Elmau

Auch könne von einer vierstündigen Sperrung gar nicht die Rede sein, machen Dolce und Grothe eine andere Rechnung auf: für etwa 2,7 Kilometer - so weit soll der Marsch über die A 995 gehen - brauche ein Mensch selbst bei Demonstrationen, bei denen er sich halb so schnell wie als normaler Fußgänger bewegt, weniger als eine Stunde. Sie finden auch, dass es kein Grundrecht der Verkehrsteilnehmer auf ein schnelles Gelangen von einem Ort zum anderen gebe. Ebenso wenig könne es auf Autobahnen keine Garantie geben, eine längere Strecke ohne Zeitverlust zu bestreiten. Bei vielen Versammlungen und Veranstaltungen sei auch mit weiträumigen Verkehrsumleitungen zu rechnen, so die Taufkirchner und verweisen auf den G-7-Gipfel in Elmau.

Für Matteo Dolce geht es in diesem Eilverfahren nicht allein um die Veranstaltung am 27. Juni, sondern auch um die grundsätzliche Frage: "Sind Autobahnen versammlungsfreie Orte?" Das müsse für Bayern geklärt werden: "Das Versammlungsrecht ist ein höheres Gut als schnelles Vorankommen auf der Autobahn."

© SZ vom 13.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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