SZ-Adventskalender:Jedes Detail kann hilfreich sein

Lesezeit: 3 min

Wo kann eingespart werden? Gwendolyn Schweizer, Leiterin der Sozialen Beratung der Caritas in Taufkirchen, hilft Menschen, die in finanzielle Notlagen geraten sind. (Foto: Sebastian Gabriel)

Gwendolyn Schweizer von der Caritas-Sozialberatung in Taufkirchen berät jene, die wegen gestiegener Kosten in allen Bereichen mit ihrem Geld nicht mehr auskommen.

Von Anna-Maria Salmen, Taufkirchen

Eigentlich kam die Familie zurecht mit ihrem Geld. Der Vater zweier Kleinkinder arbeitete im Niedriglohnsektor, das Gehalt reichte gerade so aus. Doch die enorm gestiegenen Energiekosten brachten ihre Welt ins Wanken. Zuerst eine hohe Stromabschlagszahlung, dann eine Mieterhöhung, das auf Kante genähte Budget wurde plötzlich gesprengt. Um zu sparen, zog die Familie sich komplett aus dem sozialen Leben zurück - bis ein Nachbar riet, Hilfe bei Gwendolyn Schweizer und ihrem Team der Sozialen Beratung der Caritas in Taufkirchen zu suchen.

So wie der Familie aus dem Landkreis München geht es vielen, seitdem die Preise für Lebensmittel, Strom und Heizen stark gestiegen sind. Schon in der Pandemie hat Schweizer eigenen Worten zufolge gemerkt, dass mehr Menschen finanzielle Probleme bekamen und Beratung suchten. "Der Krieg hat das aber noch einmal deutlich angeheizt."

(Foto: sz)

Sowohl teurere Lebensmittel als auch höhere Energiekosten bedeuten große Herausforderungen für Menschen, die ohnehin nicht viel haben, wie Schweizer sagt. Vermehrt betreut sie Arbeiter aus dem Niedriglohnsektor, die zuvor zurechtkamen, durch die Inflation aber aus der Bahn geworfen wurden. Auch Sozialhilfeempfänger würden unter der Teuerung stark leiden. "Für jemanden mit einem kleinen Budget von 502 Euro Regelbedarf ist der Inflationsanstieg schlimmer als für jemanden, der mehr hat. Man spürt es bei jeder Ausgabe."

Insbesondere die hohen Energiekosten seien problematisch. "Das ist deshalb so schwierig, weil der Strom in der Grundsicherung und im Bürgergeld zwar eingerechnet ist, aber nicht in einer Summe, die dem regulären Bedarf entspricht", erläutert Schweizer. Für einen Ein-Personen-Haushalt seien monatlich nur gut 42 Euro für Strom vorgesehen - das reiche bei Weitem nicht. Betroffene müssten also an anderen Stellen Ausgaben kürzen, um die Stromrechnungen bezahlen zu können, beispielsweise bei der Kleidung oder bei der Freizeitgestaltung.

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Oft leiden laut Schweizer in armutsbedrohten Familien vor allem die Kinder: Sie werden schnell mal vom Sportverein oder der Musikschule abgemeldet, weil die Eltern hier am ehesten Sparpotenzial erkennen. "Dabei kann man für solche Dinge auch Hilfen beantragen." Viele wüssten jedoch nicht, wofür ihnen Unterstützung zustehe, sagt Schweizer. Genau da möchte sie ansetzen: In der Beratung zeigt sie Betroffenen, welche Leistungen sie beantragen können, und hilft direkt bei den Anträgen.

In einem ersten Gespräch will die Sozialberaterin zunächst die Situation klären und feststellen, wie man am besten unterstützen kann. Ist etwa die Wohnungslosennothilfe der geeignete Ansprechpartner? Oder der sozialpsychiatrische Dienst? Je nach Anliegen schickt Schweizer die Menschen auf die verschiedenen "Bahngleise", wie sie es nennt, damit die zuständigen Kollegen gezielt weiterhelfen können.

Ihr eigener Schwerpunkt liegt im Bereich der Armutsbekämpfung. Gemeinsam mit den Klienten verschafft sie sich zu Beginn der Beratung einen Überblick über deren finanzielle Situation. Das fällt den Betroffenen nicht leicht, wie sie weiß: "Wenn man die Hosen so runterlassen muss, kostet es Überwindung. Aber den Kopf in den Sand zu stecken und sich zu denken, es wird schon werden, ist auch keine Lösung."

Die Beraterin hilft, bei den Energiekosten zu sparen - und gibt den Menschen ein gutes Gefühl

Im persönlichen Gespräch kann Schweizer Geldfresser erkennen und Einsparpotenzial feststellen. "So gibt man den Leuten das Gefühl zurück, dass sie es selbst in der Hand haben." Vielen rät sie auch zu einer Energieberatung, bei der etwa überprüft wird, ob der Kühlschrank richtig eingestellt ist und dass Elektrogeräte nicht auf Stand-by laufen, sondern ganz ausgeschaltet werden. Gerade angesichts der steigenden Stromkosten kann jede Optimierung helfen.

Manchmal aber hilft auch das nicht mehr. Ihre Kunden seien sehr diszipliniert und durchaus willig, um zu sparen, sagt Schweizer. "Aber wenn der Gürtel keine Löcher mehr hat, kann man ihn auch nicht mehr enger schnallen."

Daher hilft sie oft bei der Beantragung staatlicher Hilfen. Als letzte Maßnahme stehen manchmal auch Mittel aus Hilfsaktionen wie dem SZ-Adventskalender zur Verfügung, denn Anschaffungen wie ein neuer Kühlschrank stellen Betroffene vor fast unlösbare Herausforderungen. "Ohne Stiftungsgelder würden die Leute da zwei Jahre sparen."

Ziel ist dennoch, die Betroffenen unabhängig zu machen. Sie sollen die Kompetenz entwickeln, wieder selbst zurechtzukommen. Meistens füllt die Beraterin daher nur die ersten Anträge etwa für Wohngeld mit den Klienten gemeinsam aus, die Weiterbewilligungsanträge schaffen sie dann oft selbständig.

Wichtig ist Gwendolyn Schweizer, die Menschen nicht nur finanziell wieder auf die Bahn zu bringen, sondern auch soziokulturell. Sie möchte ihnen zeigen, dass es auch bei knappem Budget Möglichkeiten gibt, am sozialen Leben teilzunehmen. Ihr Engagement lohnt sich, wie sie erzählt: Immer wieder bekommt sie Dankbarkeit von Kunden zurück, die sich lange nicht getraut hätten, eine Beratung in Anspruch zu nehmen. "Sie sagen mir oft: Wenn ich gewusst hätte, dass Sie so nett sind, wäre ich früher gekommen."

So können Sie spenden

Überweisungen sind auf folgendes Konto möglich: "Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung e.V.", Stadtsparkasse München, IBAN: DE86 7015 0000 0000 6007 00, BIC: SSKMDEMM

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