Ratgeberliteratur:"Die Fünfzig würde ich gerne noch voll machen"

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Die Biologin und Ernährungswissenschaftlerin Andrea Flemmer hat gerade ihr 43. Buch veröffentlicht. (Foto: Claus Schunk)

Die Taufkirchner Biologin Andrea Flemmer hat in drei Jahrzehnten 43 Bücher zu Umwelt- und Gesundheitsthemen veröffentlicht. Der jüngste Ratgeber zum Thema Autoimmunerkrankungen soll nicht das letzte Werk sein - auch wenn der Markt schwieriger geworden ist.

Von Patrik Stäbler, Taufkirchen

Erst neulich hat Andrea Flemmer wieder jenes Glücksgefühl empfunden, das auch nach all den Jahren noch in ihr aufkommt. Wenn der Paketbote die Treppen zu ihrer Wohnungstür in Taufkirchen hinaufsteigt, wenn sie die Sendung entgegennimmt, wenn das Päckchen dann geöffnet ist und sie jenes Produkt in der Hand hält, an dem sie zuvor monatelang gearbeitet hat. "Dann ist das einfach ein tolles Gefühl", sagt Andrea Flemmer und greift hier in ihrem Wohnzimmer - wie um die Erinnerung zu wecken - zu jenem Buch, das vor ihr auf dem Tisch liegt. "Autoimmunerkrankungen" steht auf dem Titel, und darüber der Name der Autorin. Ihr Name.

Nun ist dieses Hochgefühl für Andrea Flemmer freilich nichts Neues. Schließlich ist ihr Ratgeber zu Autoimmunkrankheiten - Untertitel: "Das kann ich selbst tun" - bereits das 43. Buch, das die 63-Jährige veröffentlicht hat. Eine kleine Auswahl hat sie an diesem Vormittag auf ihrem Wohnzimmertisch verteilt. Da ist zum Beispiel "Entzündliches Rheuma natürlich behandeln" - ein Werk, das die promovierte Biologin sogleich an eine Bekannte erinnert. "Sie hat das Buch damals gelesen und mir hinterher gesagt: Das hat mir so sehr geholfen, dass ich jetzt keine Tabletten mehr brauche und keine Schmerzen mehr habe", erzählt Andrea Flemmer. "Diese Rückmeldung war für mich ein absolutes Highlight."

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Direkt daneben liegt das Buch "Die giftfreie Wohnung", das sich - entgegen ihrer Erwartung - nur äußerst schleppend verkaufte. "Das lief vor 30 Jahren nicht, und das läuft heute nicht. Und ich versteh's einfach nicht", sagt Andrea Flemmer und schüttelt enttäuscht den Kopf. Ganz anders sei es mit dem "Anti-Krebs-Kochbuch" gelaufen. "Das hatte der Verlag erst abgelehnt, mit der Begründung, dass solche Vorbeuge-Bücher nicht funktionieren. Und dann ist genau dieses Buch eines meiner erfolgreichsten geworden." Ihr meistverkauftes Werk ist und bleibt aber das allererste - und ausgerechnet das einzige, das sie unter Pseudonym veröffentlicht hat.

Mit "Umweltschutz. Ein fröhliches Wörterbuch" fing 1991 alles an. Dieses Auftragswerk - es sollte sich 12 000 Mal verkaufen - schrieb Andrea Flemmer damals während der S-Bahnfahrten zur Hochschule Weihenstephan, wo sie zu jener Zeit ihre Doktorarbeit schrieb. Diese wiederum war auch der Grund, weshalb sie es ablehnte, ihren echten Namen als Autorin anzugeben. "Das hätte sich mit der Promotion nicht so gut vertragen", sagt Flemmer.

Nach diesem Erstlingswerk spielte das Bücherschreiben erst einmal keine größere mehr Rolle in ihrem Leben. Vielmehr arbeitete die Taufkirchnerin als kommunale Umweltschutzbeauftragte bei der Gemeinde Unterhaching. "Das war eigentlich mein Traumberuf", sagt sie. Schließlich hatte sie zuvor Biologie mit Schwerpunkt Umweltschutz studiert - ein Thema, das ihr bis heute am Herzen liegt.

"Ich sehe das nicht als Alternative zur Schulmedizin, sondern als Ergänzung"

Doch dann bekam Andrea Flemmer vor 27 Jahren eine Tochter, worauf sie in Teilzeit wechseln wollte. Ihr Chef habe dies jedoch abgelehnt, weshalb sie sich von ihrem Job beurlauben ließ und zum Schreiben zurückkehrte - "denn das hat mir immer schon viel Spaß gemacht hat". Ihr zweites Werk zum Thema Bio-Lebensmittel hieß "Essen ohne Risiko" - "eigentlich ein bescheuerter Titel", sagt Flemmer und lacht - verkaufte sich auf Anhieb gut. Und so machte sie weiter, schlug verschiedenen Verlagen immer wieder neue Ratgeberthemen vor und schrieb meist an den Vormittagen Buch um Buch, "ein bis drei pro Jahr", wie sie sagt. Viele ihrer Werke drehen sich um die Themen Ernährung, Medizin und alternative Therapien. Wobei sie "immer nur mit wissenschaftlich geprüften Daten" arbeite, betont Andrea Flemmer. "Ich sehe das nicht als Alternative zur Schulmedizin, sondern als Ergänzung. Und ich rate in meinen Büchern immer dazu, sich bei Problemen von einem Arzt untersuchen zu lassen."

Nach fast drei Jahrzehnten und mehr als 40 Büchern sowie zahllosen Zeitschriftenartikeln geht der Biologin das Schreiben inzwischen leicht von der Hand. Und auch an Ideen mangele es ihr nicht, betont sie - im Gegenteil. Und dennoch könne es sein, dass sie bald "zwangspensioniert" werde. Denn: "Es ist zurzeit eine Katastrophe, an einen Verlag zu kommen." Die Gründe hierfür sind laut Flemmer generell sinkende Verkaufszahlen sowie die hohen Papierpreise. "Die Leute lesen nicht mehr so viel. Ich mache mir ernsthaft Sorgen um die Zukunft des Buchs." Bei diesen Worten blickt Andrea Flemmer zurück zum Tisch, wo nur eine kleine Auswahl ihrer mittlerweile 43 Werke ausliegt. "Die Fünfzig", sagt sie dann nachdenklich, "würde ich gerne noch voll machen".

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