Tag des Lärms:Warum es ohne Ohropax in Aschheim keinen Schlaf gibt

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Die Aschheimer Mühlenstraße ist heute von Autobahn und zwei Durchgangsstraßen umschlossen. (Foto: oh)

Seit der Verlegung der Anschlussstelle sind einige Häuser an der A99 komplett eingeschnürt von Autobahn, Bundes- und Kreisstraße. Doch die Maßnahmen gegen den gestiegenen Lärmpegel greifen nicht.

Von Irmengard Gnau, Aschheim

Heinz Soycks Garten ist ein richtiges kleines Idyll. Vor dem Zaun blühen gelbe Osterglocken, drei Katzen tollen über den Hof. Im Vorbeet lockt ein mit Apfelschnitzen gefülltes Vogelhäuschen gefiederte Gäste an. Die Obstbäume zeigen erste Blüten. Das Wohnhaus umwogen satte Grashalme, zwischen denen lustige Figuren hervorlugen. Ein wunderbarer Ort, um sich abends noch ein wenig ins Freie zu setzen und den Feierabend zu genießen. Wenn der Ton nicht wäre.

Der Ton ist ein Surren, manchmal ein Pfeifen und manchmal auch ein Klackern, je nachdem, wie der Wind steht und ob ein Lastwagen oder ein Auto der Verursacher ist. Zu manchen Zeiten ist er mehr ein sanftes Rauschen aus der Ferne, zu anderen Zeiten ist er penetrant.

Einen Steinwurf von Soycks Garten entfernt beginnt eine gelbliche Lärmschutzwand, und gleich dahinter der Autobahnring - die A 99, eine der am stärksten befahrenen Strecken europaweit. Täglich rollen im Bereich der Anschlussstelle Aschheim/Ismaning im Durchschnitt 120 000 Fahrzeuge über die Münchner Umfahrung, zu Spitzenzeiten am Morgen verlassen dort nach Angaben der Autobahndirektion Südbayern im Durchschnitt jede Stunde etwa 1300 Fahrzeuge die Autobahn. Blickt der Aschheimer nach Osten, schaut er auf die Bundesstraße 471, eine der wichtigsten Querverbindungen im nordöstlichen Münchner Umland.

Heinz Soyck lebt seit 60 Jahren in der Aschheimer Mühlenstraße. (Foto: Robert Haas)

Von Nordwesten her schließlich begrenzen die Kreisstraße M 3 und der neue Overfly, die krakenhaft in die Landschaft ragende Verbindung von Kreis- und Bundesstraße, die bei der Verlegung der Autobahnausfahrt im vergangenen Jahr entstanden ist, die Fläche. Nur eine Handvoll Häuser liegt in dem Dreieck zwischen Autobahn, Bundesstraße und Staatsstraße, die von Heinz Soyck und seiner Nachbarin Elisabeth Oeschger liegen am nächsten an der Autobahn.

Soyck lebt seit seiner Geburt vor 60 Jahren hier. Damals "haben sich Fuchs und Hase hier noch gute Nacht gesagt", erinnert er sich. Seither hat der Aschheimer zugesehen, wie um ihn herum immer mehr Bauwerke entstanden. Anfang der Siebzigerjahre kam die Autobahn, und mit ihr der Lärm. "Wenn es schön windstill ist, geht es", sagt Soyck, "aber wenn der Wind von Kirchheim her kommt, pfeift's narrisch." Die Lastwagen drücken den Schall dann von der Autobahn gegen die Schutzwand.

Der Schall sucht sich einen Ausweg und findet den in einer etwa 20 Meter großen Lücke in der Lärmschutzanlage, dort wo die B 471 auf einer Brücke über die Autobahn geführt wird, unweit von Soycks Garten. Die Brücke soll 2017 erneuert werden, danach will das bayerische Innenministerium die Lücke "zeitnah" schließen, heißt es in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Peter Paul Gantzer. Zudem, steht dort weiter, sei im Zuge des achtspurigen Ausbaus der A 99, der 2018/19 kommen soll, ein lärmmindernder Fahrbahnbelag vorgesehen.

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Bei schlechtem Wetter ein geringer Trost für die Anwohner. Seit es die neue Autobahnausfahrt gibt, habe sich das Verkehrsaufkommen erheblich erhöht, sagt Soycks Nachbarin Elisabeth Oeschger. "Uns wurde versprochen, es werde nachher leiser. Aber das ist nicht der Fall, im Gegenteil." Das bestätigt auch Maria Knoller, Zweite Bürgermeisterin von Aschheim, die unweit des Dreiecks an der Kreisstraße M 3 lebt. Ein Gutachten habe besagt, dass es weniger Lärm werden sollte, doch es sei mehr geworden. Je nach Wind sei dieser störend und belastend. Freilich, gibt Knoller noch zu bedenken, Lärm sei immer auch eine Frage der subjektiven Empfindung.

Auch Oeschger lebt seit vielen Jahrzehnten in ihrem Haus. Doch seit die Autobahnanschlussstelle verlegt wurde, sei die Situation eine Zumutung geworden. "Meine Nichten kommen nicht mehr zu Besuch, weil es ihnen bei mir zu laut ist", erzählt sie.

Weil die Überführung der B 471 (links) 2017 abgerissen und neu gebaut werden soll, fehlt dort ein Stück in der Lärmschutzanlage. Je nachdem, wie der Wind steht, drückt der Schall hindurch. (Foto: Robert Haas)

Ohropax gehöre nachts sowieso zum Schlafen dazu. An manches haben sich die Anwohner gewöhnt. Doch die großen Hoffnungen auf Entlastung, die Verkehrsplaner in die millionenschweren Umbauten gesetzt hatten, sehen die Anwohner nicht bestätigt. "Schauen Sie doch - es ist immer noch Stau", sagt Soyck bitter.

Besonders ärgert die Nachbarn, dass der versprochene Lärmschutz nicht komplett ist und es nun so lange dauern soll, bis die Brücke der B 471 fertig wird. In der Zwischenzeit wünschen sie sich zumindest einen provisorischen Lärmschutz für ihre Häuser. Dafür setzt sich auch Gantzer ein. Der Landtagspolitiker hat eine erneute Anfrage an den Innenminister gestellt und erhofft sich in den kommenden drei bis vier Wochen eine Antwort.

Heinz Soyck und Elisabeth Oeschger haben wenig Hoffnung, dass sich an ihrer Situation etwas grundlegend ändert. Wegziehen ist für sie trotzdem keine Option. "Nein", sagt Oeschger, "ich lasse mich doch nicht vertreiben."

© SZ vom 27.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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