SZ-Serie: Oh, mein Gott! - Teil 7:"Auch wenn's nur einer ist"

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Kommunionunterricht im Pfarrheim von Maria Königin in Grünwald. Andrea Gast (hinten in blau) arbeitet gerne mit jungen Menschen. (Foto: Angelika Bardehle)

Andrea Gast leitet in Grünwald den Kommunionsunterricht. Sie freut sich über jeden, der der Kirche treu bleibt.

Von Marie Ludwig, Grünwald

"Es hat mit meiner Tochter angefangen", sagt Andrea Gast und erinnert sich noch gut daran, wie sie das erste Mal den Kommunionsunterricht in Maria Königin gehalten hat. Das war vor zehn Jahren. Seitdem ist Gast in der Pfarrgemeinde aktiv - der Kommunionsunterricht inzwischen nur ihr Gebiet: "vom Weihnachtstheaterstück bis zum Kerzenbasteln."

Jedes Jahr organisiert Gast die heilige Kommunion. Sie ist es, die die Eltern der Kommunionskinder anspricht, ob sie den Unterricht leiten können. Sie ist es, die für alle Sorgen und Fragen der Eltern Ansprechpartner bleibt: "Ohne meine Unterstützung wäre Pater Anton Lötscher wirklich überlastet." Allein in diesem Jahr werden 30 Kinder die heilige Kommunion in der Pfarrei Maria Königin in Grünwald erleben.

Andrea Gast erinnert sich gerne an ihre eigene Kommunionszeit

Andrea Gast ist 50, lacht gerne und viel, und kann ihre Gutmütigkeit nicht einmal hinter einem neutralen Gesicht verstecken - eine gute Seele eben. Oft ist sie mehrere Male die Woche im Pfarrheim. "Ich bin hier einfach gerne und erinnere mich noch so gut an meinen eigenen Kommunionsunterricht", sagt Gast, die selbst in Grünwald aufgewachsen ist. "Wir hatten in Maria Königin damals einen Pfarrer, der nicht so streng war wie man es in der katholischen Kirche oft erwartet", erzählt sie. Ob katholisch oder evangelisch - Gast ist die Konfession eigentlich gleich. Früher sei sie sogar eher bei den evangelischen Jugendtreffs dabei gewesen; hat dort auch ihren Mann kennengelernt. Inzwischen haben die beiden zwei Kindern; sie führen eine ökumenische Familie.

Unter einem Pfarrer zu arbeiten, der erzkonservative Vorstellungen hat, könnte sie sich nicht vorstellen: "So weit reicht mein Glauben dann auch nicht", sagt sie und gluckst. Ihr gehe es nicht nur darum, den katholischen Glauben als erlernbares Wissen rüberzubringen. "Mir ist das Gefühl wichtig. Die Kirche kann einem einen unglaublichen Halt im Leben geben." Vor allem aber könne man den Kindern im Kommunionsunterricht wichtige Werte übermitteln. "Allein aus den Bibelgeschichten lernen die Kinder so viel und bekommen Lösungen und Hilfe mit auf den eigenen Lebensweg gegeben."

Auch das Singen im Chor gibt der 50-Jährigen viel

Abgesehen von ihrem kirchlichen Engagement arbeitet die 50-Jährige in der Gemeindebibliothek. Auch der Gesang erfüllt ihr Leben: "Meine Mutter war Opernsängerin und auch ich bin bei den Grünwalder Sängerinnen - einem bayrischen Dreigesang - und im Chor in der Peter Paul Gemeinde mit dabei." Kirchenamt, Gesangstruppe, Chor. Andrea Gast hat viel zu tun. Das findet auch ihre Familie: "Mein Mann schimpft gerne mal, dass ich so selten zuhause bin." Das Ehrenamt nehme sie rund zwei Tage die Woche ein, meint Gast. Vor allem am Wochenende: "Natürlich möchte man vielleicht an einem Sonntagmorgen lieber ausschlafen und in Ruhe zusammen frühstücken, als in die Kirche gehen", sagt sie. Aber der Gottesdienst gibt Gast etwas, das sie im Alltag nicht findet: "Ich habe hier die Möglichkeit zum Innehalten." Sie zieht die Schultern zu den Ohren und grinst. "Das kann ich sonst so schlecht."

Doch in den Gottesdiensten begegnet Gast meist nur den Alteingesessenen. Und das, obwohl die Zahl der Kommunionskinder in den vergangenen Jahren gleich geblieben ist. Wie kann das sein? "Die Kommunion ist für viele einfach zu einem Event geworden, an dem man sich schön anziehen kann", kritisiert Gast. "Danach brechen uns die meisten Kinder weg - auch wenn ihnen die Zeit bei uns gefallen hat." Natürlich mache sie das traurig. Jedes Jahr denkt sie sich neue Anreize aus, um es irgendwie zu schaffen, dass die Kinder auch über den Kommunionsunterricht hinaus zum Bleiben bewegt werden. Meist jedoch mit wenig Erfolg. "Man darf es nicht persönlich nehmen", sagt sie, und tut es trotzdem offenkundig doch ein bisschen. Sie ist einfach mit Herzblut bei der Sache.

Die Kinder sind sehr eingespannt - für die Kirche bleibt kaum Zeit

Wenn die Eltern es den Kindern nicht vorleben würden, findet sie schließlich, dann sei es auch für die Kinder schwer, den Weg in die Kirche zu finden. "Manche Eltern setzen ihr Kind zur Kommunionszeit zum Gottesdienst ab und kommen dann nach einer Stunde wieder, anstatt selbst mitzugehen." Andrea Gast schüttelt den Kopf. Doch es liege nicht nur an den Eltern, sagt sie, sondern auch an den vielen Verpflichtungen der Kinder und deren fehlender Freizeit. "Hier in Grünwald sind viele Kinder im TSV oder machen Musik, da bleibt neben der Schule nicht mehr viel Zeit." Zusätzlich erlebe die Kirche derzeit einen Imageverlust. Skandale hier. Skandale dort. Gast selbst versucht, die große Kirchenpolitik nicht so wichtig zu nehmen und sich auf sich und ihr Umfeld zu konzentrieren. "Was die da oben machen, interessiert mich nicht - meine Kirche findet im Kleinen statt und das zählt."

Und gerade die Zeit im Kommunionsunterricht mit den jungen Menschen ist so eine wichtige Sache, die sie inspiriert. "Hier können wir den Kindern vorleben, dass es Spaß macht, sich zu engagieren." Anderen eine Freunde zu machen, reicht Gast als Motivationsquelle aus. Auch wenn am 24. April die Kommunion zu Ende sein wird; Gast wird den Kommunionsunterricht auch für das nächste Jahr wieder planen. Über alle, die nach dem Unterricht weiter in der Kirche zu sehen sind, wird sie sich freuen - "auch wenn's nur einer ist".

© SZ vom 31.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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