Serie "Macht hoch die Tür":Regenwasser ist das größte Problem

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Christian Berndt betreut 180 Kilometer Abwasserleitungen im Hachinger Tal. Wer in der Unterwelt Kanalratten und andere fiese Dinge erwartet, wird von ihm eines Besseren belehrt.

Von Christina Hertel, Taufkirchen

Hunderten, nein, mindestens Tausenden Ratten begegnet Indiana Jones in einem seiner Filme in der Kanalisation von Venedig. Es sind so viele, dass eine über die andere krabbelt - ein einziges riesiges Rattenknäuel. Später krallen sie sich sogar in die Haare seiner blonden Begleiterin. Man hat Angst, dass sie gleich ihr hübsches Gesicht zerkratzen. Oder ihr das Ohr abbeißen. Wer diesen Film als Kind sah, hatte nach dieser Szene wochenlang Albträume von fiesen Kanalratten mit große Zähnen und langen nackten Schwänzen.

Christian Berndt ist Experte für Kanalisation. Er arbeitet für den Abwasserzweckverband Hachinger Tal in Taufkirchen, zu dem auch Unter- und Oberhaching gehören, ist zuständig für Reinigung und Unterhalt. Er sagt: "Bei uns gibt es keine Ratten." Gar keine? "Nein, wirklich es gibt keine. Wo sie nichts zu fressen finden, gehen sie auch nicht hin." In der Stadt München, sagt er, könnte es schon wieder anders aussehen. Mehr Leute, mehr Dreck, mehr Abfall. "Aber Sie können ja selbst schauen."

Dann öffnet er mit einem Hebel den Kanaldeckel. Es geht nicht direkt in die Tiefe - Indiana Jones könnte also nicht plötzlich irgendwo in Taufkirchen aus dem Kanal krabbeln. Erst einmal muss Berndt ein Teil herausheben, das aussieht wie ein überdimensioniertes Salatsieb - der Schmutzfänger. Dann kann man runterschauen. Aber man sieht eigentlich nicht besonders viel. Eine Rinne, durch die das Abwasser fließt. Eine Leiter, die in die Tiefe führt. Keine Skelette, keine Ratten, nicht einmal einen Hühnchen-Knochen. Tatsächlich ist in Taufkirchen sogar der Kanal sauber.

180 Kilometer sind die Abwasserleitungen im Hachinger Tal lang. Drei Millionen Kubikmeter Wasser fließen im Jahr durch - zuerst nach München und dann weiter in das Klärwerk Großlappen, das ganz in der Nähe der Fröttmaninger Fußball-Arena liegt. Von Taufkirchen ist das Klärwerk etwas mehr als 20 Kilometer weit weg. Wie lange das Abwasser dorthin unterwegs ist, kann Berndt nicht sagen. Vielleicht eine Woche, vielleicht auch nur ein paar Tage. Den kürzesten Weg jedenfalls nimmt das Abwasser nicht. Von Oberbiberg bis Oberhaching zum Beispiel sind es mit dem Auto acht Minuten. Das Abwasser jedoch brauche etwa sechs Stunden, schätzt Berndt.

Wenn Christian Berndt den Kanaldeckel öffnet, kommt erst einmal ein Schmutzfänger zum Vorschein. (Foto: Claus Schunk)

Der gelernte Kanalbauer ist für etwa 57 000 Menschen und etwa 8400 Grundstücksanschlüsse zuständig. Große Probleme gebe es fast nie, meint er. Mal wächst eine Wurzel in den Kanal, mal verstopfen ihn Steinbrocken oder Kies von einer Baustelle. Was wesentlich häufiger Schwierigkeiten macht: Fremdwasser. So nennt Christian Berndt das Regenwasser, das in den Kanal läuft, wenn er nicht dicht ist. Zu viel Wasser im Kanal ist schlecht, denn der Zweckverband zahlt für jeden Kubikmeter Wasser, das er ins Münchner Klärwerk schickt, 1,30 Euro.

Um Verstopfungen und Lecks zu finden, fährt fast jeden Tag eine Kamera durch den Kanal - bedient von Frank Schädlich. Auf einem Bildschirm in einem Kleinbus sieht er, wie der Kanal von innen aussieht. Bis er einmal sein ganzes Gebiet in Taufkirchen, in Ober- und Unterhaching angeschaut hätte, würden neun Jahre vergehen, schätzt er. Mit der Kamera kann er durch alle Rohre fahren - durch die ganz großen, aber auch durch die ganz kleinen. "Theoretisch bis zur Kloschüssel." Aber das würde Frank Schädlich freilich nie tun. Denn das Leben ist schließlich kein Film.

© SZ vom 06.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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