Hinter einer unscheinbaren Tür, irgendwo auf dem Gelände der Bavaria-Filmstadt in Grünwald, liegt das Reich von Evi Scherrer: der Kostümfundus. Sie ist diejenige, die den Überblick über mehr als 60 000 Stücke behält. Die Raritäten hängen auf einer Stange, die im Vergleich zum restlichen Depot geradezu winzig ist. Auf einem Schild steht: "Diese Artikel sind nicht zu vermieten."
Eine helle, glattgebügelte Jeans wurde einst von Götz George als legendärer Tatort-Kommissar Horst Schimanski getragen. Daneben ein verblichenes, olivgrünes Hemd aus dem Film "Das Boot". Unter dem Kragen hat jemand handschriftlich "Herbert Grönemeyer" hinein geschrieben. Außerdem ein kleiner, beiger Wollpullunder, den David Bennent als 13-Jähriger in der Verfilmung von "Die Blechtrommel" trug. Monumente der Filmgeschichte, keine Frage. Sie sind aber auch Zeugnis dafür, welche Bedeutung die Bavaria einst für den internationalen Film hatte.
Bavaria Filmstudios:Raritäten von der Stange
Im Fundus der Bavaria Filmstudios in Grünwald finden sich zahlreiche alte Schätzchen aus vielen Jahrzehnten Filmgeschichte.
Doch für Evi Scherrer hängt hier in erster Linie: Kleidung. Mit Barcodes versehen, kann sie heute den meisten Stücken zuordnen, wann sie wo getragen wurden. "Allmählich besinnt man sich auf die Geschichte", sagt Scherrer. Sie selbst besuchte die Modeschule und kam 1994 zur Bavaria nach Geiselgasteig.
Die Gänge ähneln Schluchten, so hoch hängen manche Kleider. Wenn Evi Scherrer durch ihren Fundus geht, vorbei an den hohen Leitern, streift sie manchmal im Vorbeigehen mit den Händen einzelne Stücke - so als würde sie sagen: Schön, dich mal wieder zu sehen. Dann erzählt sie kleine Geschichten zu einigen von ihnen, als wäre sie die Kuratorin einer Ausstellung.
Da ist zum Beispiel ein gepunktetes Kleid, das Liselotte Pulver im Film "Eins, Zwei, Drei" (1961) trug. Schauplatz des Films ist die geteilte Stadt Berlin vor dem Mauerbau. Die Dreharbeiten konnten dort wegen des tatsächlichen Mauerbaus nicht fortgesetzt werden, also wurde das Brandenburger Tor auf dem Bavaria-Gelände nachgebaut. "Ich liebe diesen Film", sagt Scherrer. Als sie das Kleid im Fundus sah, habe sie gedacht: "Das kenne ich irgendwoher." Heute hängt sogar eine Filmszene auf einer Leinwand im Treppenhaus. "All die Jahre hat sich niemand dafür interessiert." Das Deutsche Filmmuseum habe mittlerweile Interesse an dem Kleid bekundet.
Die Garderobe aus den Fünfziger passt heute nicht mehr
Erstaunliche Beobachtungen macht Scherrer auch: Die Pickelhauben aus der Jahrhundertwende passten heute nicht einmal mehr sehr zierlichen Frauen. Der Kopfumfang der Menschen sei deutlich größer geworden seitdem. Die besonderen Helme liegen daher auf zweieinhalb Metern Höhe im Regal. Bemerkenswert ist laut Scherrer außerdem, dass die Damen-Garderobe aus den Fünfzigern den Frauen heute nur selten passt, auch wenn sie schlank sind. Der Grund ist die Obsession von damals, die Taille durch konsequentes Tragen von engen Korsetts zu schmälern.
Aus einer Schublade zieht Scherrer einen weiteren Schatz ihrer Sammlung hervor: ein Collier. Der silbrig glänzende Modeschmuck wäre an sich nichts Besonderes, hätte ihn nicht Madonna in den Neunzigern auf dem Titel der Modezeitschrift Harper's Bazaar getragen. Scherrer präsentiert sogleich eine Originalausgabe: "8,50 DM" steht darauf.
Im Erdgeschoss hängen jene Stücke, die eher dem Begriff Kostüm entsprechen: Federboas, Hochzeitskleider, opulente Königspelze - etwa eine Anfertigung für den Film "Ludwig II." - aber auch eine Reihe von knapp geschnittenen Kostümen aus dem Film "Cabaret" von 1972. "Irgendwas hiervon hat Liza Minnelli getragen", erzählt Scherrer beiläufig und geht schon gleich weiter zum nächsten Schatz in ihrem Fundus.