SZ-Serie "Landmarken" im Landkreis München:Zwischen Ruhe und Sturm

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Viele Gäste kommen über die Floßrutsche. (Foto: Claus Schunk)

Renate Kreisz und Robby Hirtl betreiben seit mehr als 20 Jahren das Gasthaus zur Mühle in Straßlach. Wenn dort im Sommer tausend Gäste per Floß einfallen, wird in der idyllischen Talsenke jede Hand gebraucht.

Von Claudia Wessel, Straßlach

"Wer bei uns anfängt und passt, der bleibt", sagt Wirtin Renate Kreisz. Sie sitzt an einem heißen Sommertag im Schatten ihres Biergartens auf der Bank, raucht gemütlich eine Zigarette und erzählt vom Gasthaus zur Mühle in Straßlach, in dem sie seit Anfang der Achtzigerjahre heimisch ist. Womit sie selbst schon mal der beste Beweis für ihre These vom Bleiben ist.

Von der Bedienung zur Wirtin

Als sie seinerzeit zum ersten Mal nach Straßlach kam, war es Dezember. Sie ging mit ihrem damaligen Freund Robby, der bereits als Koch in der Mühle arbeitete, spazieren und lernte an dessen Arbeitsplatz "die Christl" kennen. Renate half ihr an diesem Tag beim Serviettenfalten und erzählte ihr dabei, dass sie auch als Bedienung arbeite - in München.

Im kommenden Sommer war Renate wieder zufällig in der Mühle, als es gerade wahrsinnig rund ging in dem Wirtshaus. Mehrere Flöße waren gerade angelandet. Und so fragte die Christl kurzerhand: "Kannst du helfen?" Na klar, antwortete Renate. Es war ihr Einstieg in der Mühle. Denn wenig später schlug Christl dem damaligen Wirt Bartholomäus Böck vor, Renate doch einzustellen. Der war zunächst skeptisch, schließlich kam sie aus der Stadt und er fand, dass das nicht passte. Nachdem er sie jedoch ein paar Tage erlebt hatte, änderte er seine Meinung: "Die kann arbeiten." Als "der Bartel" 1994 aufhörte, übernahmen Renate und ihr Freund Robby Hirtl das Gasthaus als Pächter.

Das Gasthaus zur Mühle in Straßlach liegt in einer Talsenke und direkt an der Isar. Das Mühltal ist ein uraltes Siedlungsgebiet. Die Flößerei begann bereits im 12. Jahrhundert und trägt zur Attraktion des Biergartens bei, schließlich kann man von dort auf die längste Floßrutsche Europas herunter schauen. An der Stelle, an der heute das Gasthaus steht, waren noch bis ins 18. Jahrhundert drei Mühlen in Betrieb: die Untermühle, die Winkelmühle und die Huismühle. Auch dort soll es schon vor rund tausend Jahren Jausenstationen für Reisende entlang der Römerstraße gegeben haben. Seit 1923 steht das Wasser-Kraftwerk in unmittelbarer Nähe.

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(Foto: Claus Schunk)

Die Attraktion: Europas längste Floßrutsche führt genau zum Gasthaus zur Mühle und spült an schönen Sommertagen die Gäste in Scharen an.

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(Foto: Claus Schunk)

Postkartenidylle: Im Biergarten des Gasthauses zur Mühle möchte man am liebsten ewig verweilen.

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(Foto: Claus Schunk)

Das liegt auch an dem Service von Wirtin Renate Kreisz, ihrer Tochter Miriam und Christl Porzel (von links).

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(Foto: Claus Schunk)

Eine Erinnerung aus den frühen Tagen des Hofs.

So sieht die Gaststube von innen aus.

Nicht nur Renate ist ein Beweis fürs Bleiben an diesem schönen Fleckchen Erde. Seit mehr als 40 Jahren ist die Bediendung Christl schon hier im Service beschäftigt. Mit ihren vier Jahrzehnten in dem Gasthaus kann es natürlich keiner aufnehmen, doch auch die anderen Angestellten sind alle "mindestens seit zehn Jahren" da, versichert Renate Kreisz. So ganz genau hat sie nicht nachgezählt. Im Service sind zum einen ihre beiden Töchter Mascha und Miriam, die auch die Töchter ihres einstigen Freundes Robby sind, denn beide waren insgesamt 16 Jahre lang ein Paar, bevor sie etwa zur Jahrtausendwende nur mehr gute Freunde und Geschäftspartner wurden. Fest zum Team gehören auch Heike, Gerd und Franky, die Köchinnen Cata und Maria, und Stefan, der ebenfalls in der Küche arbeitet. "Und ganz viele nette Aushilfen", ergänzt Renate.

Auch manche "Schwarzflöße" sind auf der Isar von Wolfratshausen nach München unterwegs

Als Renate und Robby das Gasthaus 1994 übernahmen, gehörte das Haus noch den Isar-Amperwerken, den heutigen Bayernwerken, die nebenan ihr Kraftwerk betreiben. Dort bewarb sich das Paar - erfolgreich. Im Jahr 2010 stand dann das Anwesen zum Verkauf und beinahe mussten die Wirte alles hinter sich lassen. Denn sie wurden als Käufer zunächst abgelehnt. Doch zwei Stunden nach dem Nein kam ein Anruf und es hieß, sie kriegten es doch. "An dem Tag hat's geregnet", weiß Renate Kreisz noch. Es war auch im Dezember. Sie wohnte schon im Nebenhaus des Gasthauses, als gegen 17 Uhr Robby an ihrer Tür klingelte. "Renate, Renate", rief er, "wir haben die Mühle!"

Und so begann wieder ein neuer Abschnitt im Leben der beiden, der sich jedoch nahtlos und problemlos an die anderen reihte. Die Übergänge waren nie schwierig, sagt Renate. Ob der Wechsel von Bedienung und Koch zu Pächtern oder der von Pächtern zu Besitzern - an ihrem Verhalten und an ihrem Verhältnis zu den anderen im Team habe sich so gut wie nichts geändert: "Wir stehen auch noch selbst in der Küche." Oder an der Schenke. Oder sie bringen einem Gast etwas an den Tisch.

Im Sommer kommt mittags der große Ansturm im Gasthaus zur Mühle

Einem Gast? Vom 1. Mai bis Mitte September gibt es so gut wie jeden Mittag zwischen 12 und 12.30 Uhr einen großen Ansturm von Gästen. Bis zu tausend Personen können es dann sein, sodass auf einer Wiese oft auch noch Bierbänke aufgestellt werden müssen. Denn oberhalb der Mühle stoppen zahlreiche Flöße ihre Reise von Wolfratshausen nach München für eine Brotzeit. Danach geht es über die Floßrutsche weiter, die man vom Biergartenrand aus beobachten kann. Viele Flößer, die jeweils rund 60 Personen befördern, melden sich vorher an, damit sich die Küche rechtzeitig auf ihre Gäste einstellen kann. Es gibt aber auch immer wieder "Schwarzflöße", wie die Wirte die nicht angemeldeten nennen. Wenn es auch mal für ein Essen nicht reicht - eine Halbe Bier oder Kaffee und Kuchen kriegen die Teilnehmer aber in jedem Fall an der Mühle.

Sind die letzten Flöße wieder abgefahren, wird es ruhig im Biergarten. Dann können sich Radler auf einer Bank breit machen, weniger Sportliche, die mit dem Auto bis vor die Tür fahren, einen schönen Schattenplatz suchen und Wanderer die Ankunft nach dem Weg durch den stillen Märchenwald genießen. Wer einmal an diesem schönen Fleck in der Talsenke angekommen ist, die wie ein Schutz vor der hektischen Welt wirkt, der versteht die Treue der Angestellten. Auch als Gast möchte man gern ewig dort bleiben.

© SZ vom 06.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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