SZ-Serie "Landmarken":Brückenschlag mit Weitsicht

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Die Le-Crès Brücke ist eine der wichtigen Verkehrsadern der Stadt Unterschleißheim. (Foto: Robert Haas)

Bürgermeister Hans Bayer hatte die Vision der Stadt Unterschleißheim bereits in den Siebzigerjahren. Die Le-Crès-Brücke war ein Mosaikstein in den Plänen. Sie mündete anfangs noch in einen Schotterweg, heute gehört sie zu den Hauptverkehrsstraßen der Kommune

Von Alexandra Vettori, Unterschleißheim

Brücke ins Kartoffelfeld oder auch Brücke ins Nirgendwo hat man sie genannt, als sie im Frühling 1972 ihren Betrieb als neue Verkehrsschlagader von Unterschleißheim aufnahm. Zwar überspannte die Le-Crès-Brücke kühn die Bahngleise in acht Metern Höhe, 450 Meter lang und 4,3 Millionen Mark teuer. Aber der Asphalt endete kurz dahinter und ging in einen Schotterweg über, der sich in den Feldern verlief.

Doch der damalige Unterschleißheimer Bürgermeister Hans Bayer (SPD) hatte eine Vision, und die sah für seine damals 11 000 Einwohner zählende Gemeinde die Entwicklung zur urbanen Zelle am Rande der Stadt München vor. Heute ist die Vision, wenn auch in einer abgemilderten Version, längst Wirklichkeit: Unterschleißheim ist Stadt, zählt 30 000 Einwohner und 15 000 Arbeitsplätze.

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(Foto: Robert Haas)

Die Le Crès Brücke wurde 1972 eingeweiht. Sie ist 450 Meter lang und war 4,3 Millionen Mark teuer.

Aus der Terrassenstadt wurde nichts, aber Wohnhäuser wurden trotzdem gebaut. Aufnahme aus den Siebzigern mit der Holzkirche St. Ulrich.

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(Foto: Robert Haas)

Im Schatten der Brücke können Autofahrer auch Strom tanken.

Geplant war anfangs eine Terrassenstadt für 17 000 Menschen

Wäre es in den siebziger Jahren nach Bürgermeister Bayer gegangen, wäre das alles noch rasanter gegangen, als es ohnehin schon passierte. Denn dann wäre damals neben der Brücke eine Terrassenstadt für 17 000 Menschen entstanden. Schließlich war schon abzusehen, dass Unterschleißheim an die im Jahr 1972 in Betrieb gegangene Münchner S-Bahn angeschlossen werden würde. Dann, so Bayers Rechnung, wäre nach Lohhof ein zentraler zweiter Bahnhof nötig, der dann endlich auch den Namen Unterschleißheim tragen sollte.

Die pyramidenförmige Terrassenstadt, die Bayer gerne gleich neben den künftigen Bahnhof und die Brücke gebaut hätte, stieß allerdings im Münchner Landratsamt auf Entsetzen. Auch großen Teilen der Unterschleißheimer SPD wurde es dann zu bunt und so bremste man den emsigen Bürgermeister ein wenig ein. Aus der Pyramidenstadt wurde erst mal nichts und später die sechsstöckige Ringhofer-Siedlung in klassischer Riegelbauweise. In den ersten Jahren aber stand die Brücke, die später nach der französischen Partnergemeinde Le Crès benannt wurde, tatsächlich allein auf weiter Flur.

Wolfgang Christoph, (84) ehemaliger langjähriger Unterschleißheimer Stadtrat und früherer Leiter des Heimatmuseums, erinnert sich an die Einweihung der Brücke, er war damals noch nicht als Gemeinderat dabei, sondern in Funktion des örtlichen Zweigstellenleiters der Raiffeisenbank geladen. Wirklich umstritten sei die Brücke in Gemeinderat und Bevölkerung nicht gewesen, trotz aller Witzelei, sagt er. Auch wenn sie eine Zeitlang tatsächlich in einen Kiesweg mündete, der gleich auf der Südseite der Brücke begann. "Da war nur das Schotterbett da, ich habe da mal Kiesel geholt, an Fronleichnam, um einen kaputten Blumenkübel standfest zu machen", sagt er lächelnd.

Der Anschluss an die S-Bahn kam erst im Jahr 1977

Allzu lange habe die Brücke aber nicht im Nirgendwo gestanden. "Die Bebauung ringsum ging dann Schlag auf Schlag", erzählt Christoph. Die Ringstraße, heute Münchner Ring, wurde in den folgenden Jahren abschnittsweise gebaut und stellte schließlich die Verbindung zwischen Bundesstraße 13 und der Staatsstraße nach Oberschleißheim her. Links und rechts der nunmehr geteerten Straße wurde ebenfalls gebaut, was das Zeug hielt: Schulen, Sportplätze, Wohnungen, und ein wenig später, Anfang der achtziger Jahre, das Isar-Amper-Einkaufszentrum am S-Bahnhof und das Rathaus.

Immerhin hatte es noch bis zum 17. Dezember 1977 gedauert, bis Unterschleißheim endlich an die Münchner S-Bahn angekoppelt und ein Bahnhof Unterschleißheim eröffnet wurde. Dann aber zahlte sich aus, was Bürgermeister Bayer und Gemeinderat erstritten hatten: die aufgeständerte Brückenbauweise. Damit hatten sich die Ortsansässigen gegen die Zuschuss gewährende Regierung durchgesetzt, die für eine Dammschüttung war. Denn man wusste, was sich mit einer Brücke auch gut machen lässt: überdachte Parkplätze.

Tatsächlich, sagt auch Thomas Stockerl, Referent des jetzigen Unterschleißheimer Bürgermeisters Christoph Böck (SPD), habe die Le-Crès-Brücke bis heute eine große verkehrliche Bedeutung für den Ort, sei sie doch eine von nur zwei ungehinderten Bahnübergängen. Erst vor zwei Jahren ist mit der Straßenunterführung an der Bezirksstraße eine dritte dazu gekommen. Der Unterhalt halte sich in Grenzen, sagt Stockerl, "wir überprüfen sie regelmäßig und führen, wenn nötig, sofort Sanierungsmaßnahmen durch." Infrastrukturell aufgepeppt wurde die Brücke auch schon einmal: Seit ein paar Jahren gibt es hier eine Stromtankstelle.

© SZ vom 26.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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