SZ-Lesercafé:Stillstand auf den Lebensadern

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Stau auf dem Föhringer Ring ist wahrlich keine Seltenheit; jetzt wird die Trasse ausgebaut. (Foto: Florian Peljak)

Die Forderungen aus dem nördlichen Landkreis nach einem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und der Straßen reißen nicht ab. Die Region spürt auch den Druck aus der Landeshauptstadt.

Von Martin Mühlfenzl, Ismaning

Mit zunehmenden Interesse verfolgen sicherlich auch die Rathauschefs und Kommunalpolitiker im Norden des Landkreises München den wachsenden Widerstand gegen die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme in Daglfing und Johanneskirchen (SEM Nordost) in der Landeshauptstadt.

Etwa 30 000 Einwohner sollen dort einmal ein Zuhause finden. Und sie werden das neue Gebiet vor allem über die Kreisstraße M 3 anfahren, die wie der Name schon vermuten lässt im Landkreis München liegt - und nicht auf städtischer Flur. Der nördliche Landkreis wird dann noch einmal mehr Last tragen müssen, obwohl er doch, wie Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich beim SZ-Lesercafé in seiner Gemeinde zum wiederholten Male deutlich machte, ohnehin schon "im Verkehr ersäuft".

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Ideen gibt es viele, wie dem bereits tagtäglichen Verkehrsinfarkt begegnet werden könnte. Manche davon ploppen Untoten gleich immer wieder auf: Etwa das Konzept der Stadt-Umland-Bahn, die vor allem die Schwäche des S-Bahn-Netzes mit seiner sternförmigen Ausrichtung auf die Landeshauptstadt hin ausgleichen soll. Auch das Konzept einer Magnetschwebebahn erlebt wieder eine Renaissance - zumindest gedanklich. Geht es nach der Mehrheit der Kreispolitiker im Landkreis München sollen Pendler in nicht allzu ferner Zukunft in Gondeln per Seilbahn über Staus hinweg in die Arbeit schweben, etwa durchs Hachinger Tal oder vom Frankfurter Ring aus bis Unterföhring.

Unbestritten ist, dass sich die Mobilität verändern muss, um dem wachsenden Zuzug in der Region Herr werden zu können; bis zum Jahr 2035 rechnet der Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum mit einem Bevölkerungsanstieg von mehr als 400 000 Menschen für die Landeshauptstadt und die umliegenden Landkreise. "Wir wissen, dass so viele Menschen in die Metropolregion wollen. Und das bedeutet, dass etwas passieren muss, um für die Menschen, die schon hier leben und neu dazukommen, substanzielle Verbesserungen zu erreichen", sagt Garchings Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD).

Wie sein Ismaninger Amtskollege Alexander Greulich pocht auch Gruchmann insbesondere auf einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs - und nicht nur der Straßen und Autobahnen. "Die Straßen rund um München und gerade im Landkreis München sind dicht und werden es auch bleiben", sagt Gruchmann. "Vor der Landtagswahl hat Ministerpräsident Markus Söder versprochen, in den ÖPNV zu investieren und auch ein Ticketsystem aufzubauen, dass die Menschen zum Umstieg auf die Öffentlichen zu bewegen." Daran müsse sich die Staatsregierung sehr schnell messen lassen, sagt Gruchmann. "Bisher ist noch nichts passiert."

Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich kritisiert, dass "beim ÖPNV Jahrzehnte lang alles verschlafen worden ist". Es sei ein Unding, dass die so wichtige S 8, die München an den Flughafen anbindet, noch immer keinen 10-Minuten-Takt hat. "Das kann sich eine Stadt wie München eigentlich nicht leisten", sagt Greulich.

Wenn der öffentliche Nahverkehr nicht weiterentwickelt und ausgebaut wird, droht dem Landkreis München der dauerhafte Verkehrsinfarkt, ist sich Greulich sicher. Es sind aber nicht nur Großprojekte wie die städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen der Landeshauptstadt, die spürbare Auswirkungen auf die Region und die Mobilität haben werden, sondern auch die Kommunen im Landkreis tragen ihren Teil dazu bei.

"Natürlich müssen wir uns auch an die eigene Nase fassen", sagt Bürgermeister Greulich. "Wir sind eine Wachstumsregion und mit jedem Gewerbegebiet, das wir entwickeln, und jedem Wohngebiet, das wir fördern, steigt natürlich auch das Verkehrsaufkommen." Dass es daher nicht ohne einen weiteren Ausbau der Straßen-Infrastruktur geht, ist auch den Verantwortlichen im Norden des Landkreises klar. Die Erweiterung des Föhringer Rings auf vier Spuren etwa ist nur deshalb möglich geworden, weil die Gemeinde Unterföhring eine finanzielle Beteiligung zugesagt hat, obwohl sie für die Trasse überhaupt nicht verantwortlich zeichnet - und gerade einmal ein paar hundert Meter des Rings auf Unterföhringer Flur liegen.

Auch die notwendige Erweiterung der B 471, dieser verkehrlichen Lebensader des Nordens, ist unbestritten und auch überfällig. Die Isarbrücke zwischen Garching und Ismaning hat bald das Ende ihrer Lebensdauer erreicht, mittlerweile ist sie für Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von mehr als 20 Tonnen gesperrt. Mit Blick auf die Erweiterung des Bundesstraße sagt Alexander Greulich, die kritischen und massiv belasteten Kreuzungspunkte müssten mit "höhenfreien Lösungen" entlastet werden. Soll heißen: Es braucht neue Zu- und Abfahrten an den Kreuzungspunkten, eventuell mit Brücken, Unterführungen oder sogenannten Overfly-Lösungen wie an der Anschlussstelle Aschheim/Ismaning. "Der Verkehr muss fließen. Es geht um nichts anderes", sagt Greulich.

© SZ vom 04.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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