SZ im Dialog:Die Unterschleißheimer wollen mitreden

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Wohnen, Wachstum, Widerstand: Die Aktion in Unterschleißheim zeigt, dass die Leser die Entwicklung ihrer Stadt kritisch begleiten. Die Gegner des neuen Flächennutzungsplans schließen ein Bürgerbegehren nicht aus.

Von Klaus Bachhuber, Gudrun Passarge und Sabine Wejsada, Unterschleißheim

Große Anliegen, die eine Vielzahl von Unterschleißheimern betreffen, oder kleine Wünsche, deren Erfüllung nur eine Handvoll Bürger glücklich machen würde: Das Themenspektrum beim ersten SZ-Dialog am Dienstag in der größten Kommune im Landkreis München ist ein breites. Eines aber treibt die Menschen in der Stadt ganz besonders um: der neue Flächennutzungsplan. Die damit verbundene Ausweisung von weiteren Wohngebieten, das Einwohnerwachstum und die Zerstörung von Grünflächen sowie die Zunahme der Verkehrsbelastung - die Unterschleißheimer schauen skeptisch auf die Planungen aus dem Rathaus. Andererseits wird auch beim SZ-Dialog der dringende Bedarf nach Wohnraum artikuliert, der erschwinglich sein muss.

Vor allem die Pläne, am südlichen Ortsrand große Neubaugebiete auszuweisen, insbesondere am Südrand zwischen Friedhof und Landshuter Straße zum Berglwald hin, stoßen auf Kritik. Brigitte Wagner von der Interessengemeinschaft "Für ein lebenswertes Unterschleißheim", hält die "massive Bebauung" für mindestens 3500 neue Einwohner für äußerst fragwürdig. Die Stadt verfüge ob ihrer flächenmäßig geringen Größe nicht über viele Grünzüge.

Dass man diese nun opfern wolle, sei eine falsche Entscheidung. Die Informationspolitik der Stadt bezeichnet Wagner als mangelhaft. "Wir wollen Leute aktivieren, damit sie ihren Protest kundtun." Geplant seien Infostände und die Sammlung von Unterschriften, um "Druck aufzubauen", kündigt Wagner an. Nicht ausgeschlossen, dass die Gegner des Flächennutzungsplanes versuchen werden, ein Bürgerbegehren anzustreben, auch wenn Wagner dies freilich am Dienstag nicht bestätigten will - "das haben Sie jetzt gesagt", quittiert sie die Frage danach.

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Annähernd hundert Besucher haben die Gelegenheit genutzt, um mit der Süddeutschen Zeitung und deren Gästen ins Gespräch zu kommen: Neben Bürgermeister Christoph Böck (SPD), seinem persönlichen Referenten Thomas Stockerl, Zweitem Bürgermeister Stefan Krimmer (CSU) standen Kulturamtschefin Daniela Becker, Brigitte Weinzierl, Vorsitzende des SV Lohhof, sowie Margit Schuhmann von der Werbegemeinschaft Bezirksstraße und Martin Schultheiß und Kollegen von der Polizeiinspektion Oberschleißheim zur Verfügung. Zwischenzeitlich gaben sich die SZ-Leser im Café Kistenpfennig sprichwörtlich die Klinke in die Hand und zeigten: Sie wollen reden und mitreden.

Fachoberschüler könnten die Hinterhöfe an der Bezirksstraße gestalten

Von der Stadt allein gelassen fühlen sich viele Bewohner von Lohhof-Süd in ihrem Kampf gegen Lärm und Gestank von nahen Gewerbegebieten oder auch gegen den Durchgangsverkehr entlang der Haimhausener Straße. Neben den großen Themen, die derzeit die Unterschleißheimer Kommunalpolitik beschäftigen, geht es am Dienstag auch um persönliche Vorschläge und Anregungen der Gäste: So wünscht sich zum Beispiel Leserin Bettina Lüpke, dass die Hinterhöfe der Häuser an der belebten Bezirksstraße ansehnlicher gestaltet werden. Einen Vorschlag zur Umsetzung hat die Unterschleißheimerin auch parat: Man könnte bei der Fachoberschule anfragen, ob sich die Schüler des Zweiges Gestaltung ein paar Gedanken machen wollten. "Junge Leute haben gute Ideen", ist Lüpke überzeugt.

Nicht nur für junge Leute und Senioren soll sich das gastronomische Angebot in der Stadt öffnen, sondern auch für die mitten drin. So jedenfalls sieht es Franziska Schmid. Wer berufstätig ist, sich um keine Kinder (mehr) kümmern muss, nicht zu den Sportskanonen gehört und sich nicht jeden Abend einen Besuch im Kino oder Theater leisten kann oder mag, der geht im Ort mehr oder weniger leer aus. Was wäre mit einem kleinen Bistro? In der Stadt gebe es zwar viele Speiselokale und "Bäckereien mit Ausschank, die am frühen Abend zusperren", aber kaum ein Angebot, nach der Arbeit einzukehren, um einen Imbiss und ein Getränk zu sich zu nehmen.

Und wie es weitergeht mit dem Einkaufszentrum IAZ, das beschäftigt viele SZ-Leser. Bürgermeister Böck sieht "Licht am Ende des Tunnels". Er rechnet damit, dass es ein Einkaufszentrum bleiben wird, "und dass wieder etwas Positives für unsere Bevölkerung entsteht". 2017 würden wohl wieder Gespräche der Stadt mit dem Investor anstehen. Bis dahin könnten auch schon neue Pläne vorliegen. Eine Konkurrenz zur Bezirksstraße sieht er nicht. "Das passt gut von der Aufteilung her", stellt Böck fest, "wir wollen unsere beiden Ortskerne stabilisieren für die Zukunft."

In der Nachbargemeinde Oberschleißheim fürchtet man Verkehr

Im Zusammenhang damit stehe auch das städtische Grundstück an der Bezirksstraße, auf dem bis zum nächsten Jahr noch die Esso-Tankstelle steht. Wenn es nach dem Bürgermeister geht, könnten die Besucher der Bezirksstraße dort ihr Auto abstellen, um dann durch eine Art Fußgängerzone zu flanieren. Wenn einige Parkplätze wegfielen, wäre auch mehr Platz für Fußgänger und Radler. So seine persönliche Ansicht, entscheiden müsse der Stadtrat. "Die Bezirksstraße ist unser Schmuckstück", sagt Böck. Da gibt ihm Walter Klar, Vorsitzender des Gewerbeverbands Oberschleißheim, recht: "Wir wären froh in Oberschleißheim, wenn wir so etwas hätten."

Bei einem anderen Thema jedoch ist er weniger froh. Ihm bereitet der Verkehr Sorgen, den die Gewerbegebiete mit sich bringen. Er will wissen, wie der Verkehr geregelt werde, wenn der Business-Campus und auch das Salzmann-Grundstück voll entwickelt sind, weil er fürchte, die Autos würde durch Oberschleißheim rollen. Böck verweist auf ein Verkehrsgutachten, das die Zahlen untersucht habe und die Anbindung an die Landshuter Straße und die Kreuzungspunkte regle. Zu dem Oberschleißheimer Problem sagt er, er gehe davon aus, dass die Umgehungsstraße kommen wird, die in die Landshuter Straße einmünden soll. Ein Projekt, das seiner Meinung nach verschlafen wurde, das aber positive Effekte für die zwei Nachbarkommunen haben werde.

© SZ vom 23.11.2016 / kbh, pa, sab - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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