SZ-Adventskalender:Arm, krank und fern der Heimat

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Wegen ihrer Demenz vergisst Sevim N. das bisschen Deutsch, das sie gelernt hat. Deshalb wird in Taufkirchen sie auf Türkisch betreut

Von Claudia Wessel, Taufkirchen

Sevim N. (alle Namen geändert) ist in Istanbul geboren. In den Sechzigerjahren kam sie als Näherin nach München, war unter anderem bei Konen beschäftigt. Die heute 86-jährige Türkin lebt allein in Taufkirchen, nachdem ihr Mann vor sechs Jahren gestorben ist. Von Geburt an litt sie unter Hüftluxation, was im Laufe des Lebens immer schlimmer wurde. Schon mit Mitte 50 musste sie die Arbeit aufgeben und Erwerbsminderungsrente beziehen. Solange der Vater noch lebte, erzählt Sohn Mehmet, habe dieser viel im Haushalt getan, eingekauft und die Mutter versorgt sowie immer wieder zu Ärzten gebracht.

Im Alter von 69 Jahren starb der Vater. Seitdem kümmern sich Sohn Mehmet N. und seine Schwester, die in Freimann wohnt, um die Mutter. Doch natürlich sind die Kinder im berufstätigen Alter. Auch zum Gesprächstermin bei der Nachbarschaftshilfe Taufkirchen hat sich Mehmet N. nur schnell ein paar Stunden freigenommen. Da er mit der S-Bahn zur Arbeit fährt, fiel ihm eines Tages der Flyer der Kultursensiblen Altenhilfe auf Türkisch auf, der im Kiosk an der Station ausliegt.

Auch die türkische Kiosk-Mitarbeiterin, die von Mehmet N.s alter Mutter wusste, machte ihn darauf aufmerksam. "Das kam mir gerade recht", sagt Mehmet, "ich war gerade am Überlegen, ob es irgendeine Art von Hilfe gibt." Dass es eine solche sogar auf Türkisch gibt, hat ihn begeistert. "Das Deutsch meiner Mutter war immer auf einem einfachen Niveau", sagt er. Im Alter und im Zuge der Demenz verschwanden ihre Deutschkenntnisse immer mehr.

"Jetzt hat sie jemanden, der mit ihr über alte Zeiten redet, aber auch über Politik und alles, was sie so im Fernsehen sieht. Und über die Heimat." Das sei umso besser, als sie ihre Wohnung kaum noch verlassen könne, von Besuchen bei den Kindern sei sie immer "total geschafft".

Von einer Spende des SZ-Adventskalenders würde der Sohn seiner Mutter, die von ihrer kleinen Rente und Grundsicherung lebt, wieder einmal schöne neue Kleidung kaufen. Auch über einen Großeinkauf im türkischen Laden in Taufkirchen würde sich die Mutter freuen. "Sie isst sehr gerne und hat spezielle Vorlieben", erzählt der Sohn.

© SZ vom 12.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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