Schwimmunterricht:Jafar überwindet die Angst vor dem Wasser

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Geschafft: Jafar (links) ist nicht nur zur Insel geschwommen, sondern auch wieder zurück. Ali dagegen ließ sich beim Rückweg von Manfred Unterstein auf seinem Brett mitnehmen. (Foto: Stephan Rumpf)

Der Unterföhringer Schwimmverein hat seit März Dutzenden Geflüchteten das Schwimmen beigebracht. Ein 20-Jähriger aus Afghanistan ist inzwischen so gut, dass er demnächst selbst Kurse geben wird.

Von Sabine Wejsada, Unterföhring

Als er nach Unterföhring kam, konnte Jafar kein bisschen schwimmen. Wasser war dem 20-jährigen Afghanen wie so vielen anderen Flüchtlingen äußerst unheimlich. An diesem Sommertag ist davon nichts mehr zu spüren. Jafar krault professionell und zügig durch den Feringasee.

Die Strecke von der Wasserwacht-Station bis zur Halbinsel entspricht gut vier Bahnen im Schwimmbad, also 200 Metern. An Jafars Seite ist Schwimmpatin Elisabeth Rupprecht, die Vorsitzende des Unterföhringer Schwimmvereins. Für den Fall, dass Jafar und sein Freund Ali plötzlich nicht mehr können oder gar in Panik geraten sollten, wird der Ausflug im See von zwei Ehrenamtlichen der Wasserwacht flankiert. Sie begleiten das erste Schwimmen der Unterföhringer Flüchtlinge in einem Naturgewässer als Stand-up-Paddler.

Jafar und Ali sind an diesem Vormittag die einzigen der gut 30 bis 40 Asylbewerber, denen der Schwimmverein die Angst vor dem Wasser genommen und das Schwimmen beigebracht hat. Seit März bietet der Verein im Ismaninger Hallenbad Kurse für die jungen Männer und Kinder aus der Gemeinschaftsunterkunft an. In dreimal zehn Einheiten immer montags und mittwochs wurde trainiert. "Die Furcht vor dem Schwimmen war enorm", sagt Elisabeth Rupprecht. Ganz langsam habe man die Kursteilnehmer an das Wasser gewöhnen müssen: sich ins Becken hineintrauen, Luft anhalten, untertauchen, die ersten Bewegungsabläufe probieren, das richtige Atmen lernen. "Das hat schon Zeit gebraucht", sagt Rupprecht.

Längst nicht alle Kinder machen heute das Seepferdchen oder ein anderes Schwimmabzeichen. (Foto: Stephan Rumpf)

Bei Jafar allerdings ging es ganz schnell. Vor knapp vier Monaten konnte er gar nichts - und jetzt wird er selbst zum Schwimmlehrer ausgebildet. Doch auch er ist beim ersten Freischwimmen im See ziemlich aufgeregt, wie er sagt. Im Hallenbad kann man sich am Rand festhalten, man weiß genau, wie tief das Wasser ist und ab wann man nicht mehr stehen kann. Dennoch traut er sich - und meistert die Strecke hin und zurück in bemerkenswerter Zeit. "Er kann die 200 Meter in vier Minuten zurücklegen, für das Schwimmabzeichen in Bronze darf man maximal sieben Minuten brauchen", sagt Rupprecht. Beim Seetermin indes kommt es nicht auf die Zeit an: Sicheres Schwimmen ist wichtig, ruhiges Ziehen der Bahn.

Jafar und Ali machen alles richtig. Drüben auf der 200 Meter entfernten Halbinsel im Feringasee können sie etwas verschnaufen, genau wie die Schwimmpatinnen Elisabeth Rupprecht und Nicole Ambrozic. Nach ein paar Minuten springt Jafar wieder ins Wasser. Auf geht's zurück zur Wasserwacht. Ali dagegen ist immer noch außer Puste - Manfred Unterstein, Gründungsmitglied der Unterföhringer Wasserwacht, lässt ihn auf seinem Brett Platz nehmen und bringt ihn heil zurück ans Ufer. Ali bekommt an diesem Tag freilich genauso seinen deutschen Schwimmpass wie Jafar, der Superschwimmer. Beide strahlen um die Wette mit ihren Schwimmlehrerinnen, die stolz sind, dass es die beiden jungen Asylbewerber geschafft haben.

Viele Grundschüler können nicht schwimmen

Wie wichtig es ist, dass Geflüchtete das Schwimmen lernen, zeigt die Zahl der Badeunfälle: Allein 2017 sind nach Angaben der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) mehr als 20 Asylbewerber bundesweit beim Baden ertrunken. Auch in der Region München mit ihren vielen Seen und Flüssen kommt es immer wieder zu tödlichen Badeunfällen in dieser Bevölkerungsgruppe: So ist erst im Mai ein 21-Jähriger im Karlsfelder See gestorben.

Dabei sind es längst nicht nur die Geflüchteten, die der DLRG wie auch dem Unterföhringer Schwimmverein Sorgen bereiten: Insgesamt starben nach Angaben der Lebensretter im vergangenen Jahr mehr als 400 Menschen bei Badeunfällen. Angesichts eines Mangels an Schwimmunterricht in der Grundschule lernten immer weniger Buben und Mädchen in jungen Jahren das Schwimmen. Handlungsbedarf gebe es vor allem in den Kommunen, sagt DLRG-Präsident Achim Haag. Wegen knapper Kassen werden zunehmend städtische Bäder geschlossen und kaum noch neue gebaut. So könnten laut DLRG 20 bis 25 Prozent aller Grundschulen keinen Schwimmunterricht mehr anbieten, weil ihnen kein Bad zur Verfügung steht.

Für Schwimmkurse gibt es lange Listen mit Bewerbern, auch in Stadt und Landkreis München. "Drei Jahre Wartezeit, das kann nicht angehen", sagt Elisabeth Rupprecht. Sie hofft, dass der Unterföhringer Schwimmverein weiter im Ismaninger Hallenbad Kurse anbieten kann, ehe die eigene Schwimmhalle in ein paar Jahren öffnet. Einen neuen Schwimmlehrer kann der Verein früher schon begrüßen: Jafar macht bald die Prüfung.

© SZ vom 17.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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