Haarer Lebensretter:Gericht gewährt Ali Ahrar Schutz

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Bademeister aus Haar wird nicht nach Afghanistan abgeschoben. Seine Familie muss noch bangen.

Von Bernhard Lohr, Haar

Einer der afghanischen Lebensretter von Haar kann aufatmen. Das Verwaltungsgericht München hat dem 22 Jahre alten Ali Ahrar subsidiären Schutz zugestanden. Damit sind auch die Chancen deutlich gestiegen, dass die gesamte Familie Ahrar einen Flüchtlingsstatus zuerkannt bekommt.

Zuletzt hatten sich Unterstützer zu Wort gemeldet, die nicht hinnehmen wollten, dass ausgerechnet die gut integrierte Familie Ahrar um ihr Bleiberecht bangen muss. Ali und sein Bruder Esmat Ahrar machen eine Ausbildung im Haarer Freibad. Die angehenden Bademeister bewahrten schon mehrere Menschen vor dem Ertrinken - so erst kürzlich Esmat Ahrar einen zehnjährigen Buben.

Doch die Familie war jetzt selbst in Not. Die Asylanträge, die Ali Ahrar und getrennt von ihm der Rest der Familie gestellt hatten, hatte das Bundesamt für Migration abgelehnt. Dagegen legte die Familie insgesamt Widerspruch ein. In Alis Verfahren fiel jetzt bei einem zweiten Gerichtstermin eine Entscheidung, wie Rechtsanwältin Anja Dremelj de Belachur erläutert. Ali selbst nimmt den Durchbruch mit großer Erleichterung auf. "Jetzt habe ich meine Schultern frei", sagt er. Eine Last sei abgefallen. Jahre der Unsicherheit lägen hinter ihm. "Das hat echt lang gedauert." Jetzt sorge er sich natürlich noch um seine Eltern und seine beiden Brüder, sagt er.

Eine intensive Verhandlung über Stunden

Das Gericht befragte bei dem jüngsten Anhörungstermin Alis Eltern als Zeugen zu den Fluchtgründen und machte sich in einer intensiven Verhandlung ein Bild von der Lage. Laut Anwältin wurde in der Sache an zwei Terminen sieben Stunden verhandelt. Zwar habe das Gericht keine "Verfolgungssituation" in Afghanistan erkennen können. Dafür hätte Ali Ahrar einer verfolgten Gruppe angehören müssen, was nicht darzulegen gewesen sei. Aber das Gericht habe anerkannt, dass "eine Rückführung zu gefährlich" wäre und dass ihr Mandant auch keine Angehörigen in Kabul habe, die ihn aufnehmen könnten. Anwältin Belachur spricht von einer harten, aber fairen Verhandlung, die mit einem "guten Ergebnis" geendet habe.

Die Familie war nach eigener Darstellung aus Kabul geflohen, nachdem Taliban den Vater bedrängt hatten, sich ihnen anzuschließen und sie zu unterstützen. Als dieser sich weigerte, brachten sie den ältesten Sohn der Familie um. Wie nun die Anwältin erläuterte, hatten die Islamisten gezielt auch die weiteren Söhne mit dem Tod bedroht. Die Familie Ahrar sei in Kabul bekannt. Der Vater habe im Landwirtschaftsministerium gearbeitet. Und wie Ali und die Anwältin berichten, gab die überzeugende Aussage von Alis Vater den Ausschlag dafür, dass dem Sohn subsidiärer Schutz zuerkannt wurde. Aus Sicht der Anwältin hat das Urteil nun Signalwirkung für das Verfahren des Rests der Familie. Es handle sich um eine "Vorzeigefamilie". Die Integrationsleistung habe allerdings vor Gericht keine Rolle gespielt. Sie sei sehr erleichtert, bekennt die Anwältin.

Pläne für die Zukunft

Der subsidiäre Schutz wird gewährt, wenn dem Betroffenen "im Herkunftsland ernsthafter Schaden" droht. Ali Ahrar kann jetzt erst einmal ein Jahr bleiben, danach kann das Bleiberecht jeweils um zwei weitere Jahre verlängert werden. Nach fünf Jahren gilt eine Niederlassungserlaubnis, wobei die Dauer des Asylverfahrens eingerechnet wird. Der Betroffene erhält unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Der 22-Jährige sagt, jetzt endlich könne er an die Zukunft denken. Pläne habe er schon, wie etwa mit seiner Freundin zusammenzuziehen. Aber erst müsse er seine Ausbildung fertig machen. Das Einkommen müsse gesichert sein.

Der Anwältin zufolge hat Ali Ahrar jetzt gute Chancen, dauerhaft zu bleiben. Gute Deutschkenntnisse seien hilfreich, ebenso ein Job. Beides kann der 22-Jährige locker vorweisen, der sich schon einmal angeschickt hatte, sich mit seiner Freundin eine eigene Existenz aufzubauen. Jetzt will er mit ihr erst einmal ein paar Tage ausspannen, wegfahren, in den Urlaub. So etwas war bisher nicht möglich.

© SZ vom 01.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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