Themenführung:Begegnungen mit der Maitresse und dem Biberschwanz

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Schülerinnen und Schüler führen durch den Hofgarten von Schloss Schleißheim. (Foto: privat)

Schülerinnen und Schüler des Carl-Orffs-Gymnasiums lassen die Barockzeit im Schloss Schleißheim mit schauspielerischen und musikalischen Einlagen lebendig werden. Im Fokus steht die Garten-, Hof- und Esskultur - sowie die Liebe.

Von Gudrun Passarge, Oberschleißheim

Welche Überraschung, plötzlich steht den Teilnehmern einer Führung im Hofgarten des Schleißheimer Schlosses eine Maitresse des blauen Kurfürsten gegenüber. Marie Louise von Schönbrunn alias Sienna Strebe ist zwar nur eine fiktive Figur, aber die Geschichte könnte sich so abgespielt haben. Eine schöne Frau wartet auf ihren Galan - aber er kommt nicht und sie ist empört. Welch ein Affront. Schülern des Carl-Orff-Gymnasiums (COG) Unterschleißheim ist es gelungen, eine ebenso informative wie auch unterhaltsame Führung zum Schloss und zum Leben in der Barockzeit zu konzipieren.

Dass diese Führung zustande kam, ist einem Apfelbaum zu verdanken. Geschichtslehrer Rainer Babel erzählt, seine siebte Klasse habe den dritten Preis beim Lohhofer Osterlauf gewonnen und das Preisgeld, 50 Euro, umgehend in einen Apfelbaum investiert. Der wurde dann im Garten des Schlosses in Oberschleißheim gepflanzt, im Beisein von Ingrid Lindbüchl. Die Gemeinderätin der Grünen, die auch im Vorstand des Tourismusvereins sitzt, sprach dabei von ihrem Wunsch, Theater im Schlossgarten zu organisieren. Babel dagegen konnte sich gut barocke Themenführungen vorstellen, was er dann mit einem P-Seminar (Projekt-Seminar) umsetzte. Dabei war es von Nutzen, dass Babel sich als Student in Regensburg sein Geld mit thematischen Führungen bei der "Stadtmaus" verdient und dort auch Führungen mit konzipiert hatte. "Ich konnte den Schülern sagen, wie man Führungen aufbaut, wie man rhetorisch auftritt und wie man Gruppen führt."

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Bei den Schülerinnen und Schülern kam die Idee gut an. Sienna Strebe etwa sah es "als eine Abwechslung zum schulischen Alltag", die einem zudem die Möglichkeit bot, kreativ zu arbeiten. Neun Schüler wirkten am Konzept mit. Sie teilten sich acht thematische Stationen auf, so etwa zur barocken Gartengestaltung, zum Leben des Schlossherrn Max Emanuel, zum Essen in dieser Zeit oder zur Liebe.

Heraus kam eine Führung der anderen Art, mit schauspielerischen Einlagen. So begegnen die Teilnehmer zum Beispiel auch dem Haushofmeister des Kurfürsten: Fidelius von Haimhausen. Auch er ist eine fiktive Figur, aber passt gut in die Zeit, perfekt ausgestattet mit Barockgewand und Perücke. Fidelius ist erregt, ob der großen Herausforderung, die vor ihm liegt. Soll er doch ein prunkvolles Fest mit Jagd organisieren. Da kommt es gerade recht, auf diese Gruppe zu treffen, die er als bäuerliche Diener ansieht, die ihm geschickt wurden, um ihn zu unterstützen.

Eine Sichtachse par excellence und spannende Informationen: Die Teilnahme an der Führung lohnt sich. (Foto: privat)

Aber so schlimm kommt es dann doch nicht für die Teilnehmer der Führung, sie müssen nicht mit Hand anlegen. Die Schauspieleinlagen dienen rein dem Amüsement und vermitteln Einblicke in die Zeit. Doch auch die Sachinformationen kommen nicht zu kurz. Teresa Bauer etwa erzählt, wie die Menschen sich seinerzeit ernährt haben. "Viel Obst, viel Gemüse, Hirse, Hafer", sagt Bauer und zieht das Fazit, sie hätten damit schon die heute wieder vieldiskutierten Grundsätze "regional und saisonal" umgesetzt. Der Adel dagegen speiste nicht ganz so gesund. Hier sei es mehr darum gegangen zu protzen, "Macht und Reichtum zu zeigen". Nicht nur bei der Tischdekoration, sondern auch auf den Tellern. Fleisch vom Schwan über Eichhörnchen und Wild bis zu Fischen aller Art standen auf der Speisekarte. Biberschwänze wurden als Delikatesse gesehen. Alexander Bauer, der Betriebsleiter des Hofgartens, habe ihr berichtet, dazu habe es eigens eine Biberzucht in der Nähe des Gartens gegeben. Trinkwasser war seinerzeit wohl kaum genießbar, weil oft verschmutzt. Stattdessen waren Wein beim Adel und Bier bei Bürgern und Bauern das Getränk der Wahl, so Teresa Bauer. War auch das Bier verdorben, so sei es mit Tollkirschen oder Fliegenpilzen versetzt worden, erzählt die Schülerin.

Krönender Abschluss der ebenso spannenden wie lebendigen Führung ist die musikalische Einlage einiger Schüler der Bigband des Gymnasiums. Sie spielen passend zur Barockzeit "The Prince of Denmark's March" von Jeremiah Clarke am Wasserbecken.

Auch der Historiker Marcus Junkelmann lobt die Arbeit des P-Seminars als "qualitativ wertvoll"

Ein tolles Erlebnis für die Teilnehmer - und auch den Schülern hat es Spaß gemacht, obgleich sie berichten, es sei viel Arbeit gewesen. Teresa Bauer sagt, sie habe als Oberschleißheimerin das Schloss natürlich gekannt, aber so richtig klargeworden, wie vielfältig das Leben dort war, sei ihr erst im P-Seminar. "Man schätzt das Schloss jetzt ganz anders." Und es hat den Schülerinnen und Schülern persönlich etwas gebracht. Sienna Strebe, die bei der Führung in die Rolle der Maitresse schlüpft, berichtet, die Führungen hätten ihr "unglaublich geholfen, dass ich auch bei Referaten viel flüssiger sprechen konnte".

Wer schon in den Genuss einer Führung kam, war sehr angetan. Selbst der Historiker Marcus Junkelmann, der im Schloss aufgewachsen ist und seine Dissertation über Max II. Emanuel geschrieben hat, habe die Arbeit der Schüler als "qualitativ wertvoll" gelobt, berichtet Babel. Und Ingrid Lindbüchl ist "unglaublich stolz auf diese jungen Menschen, dass sie eine so tolle Führung hinbekommen haben." Das Projekt wurde vom Tourismusverband unterstützt, so hat Lindbüchl etwa die passende Barockkleidung für die Schüler besorgt. Sie findet, jede Minute ehrenamtlicher Arbeit lohne sich, "wenn man sieht, mit welchem Engagement und welcher Freude diese jungen Menschen in alter Geschichte schwelgen". Jetzt hegt der Tourismusverein die Hoffnung, dass sich eine kleine Schauspielgruppe daraus entwickeln könnte, die im Garten eine reizvolle Bühne hätte. Oder die wiederum neue Führungen bereichert.

Wer die Themenführung "Barocke Hof-, Fest und Gartenkultur in Schleißheim" der Schüler des Carl-Orff-Gymnasiums sehen möchte, hat eine letzte Gelegenheit dazu am Donnerstag, 15. September. Treffpunkt ist um 18.30 Uhr der Parkeingang Lustheim beim Restaurant "Kurfürst" . Die Anmeldung ist unter schule@t-schleißheim.de möglich.

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Von Irmengard Gnau

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