Reaktionen auf MVV-Flatrate:"Dann steigt niemand mehr in die S-Bahn ein"

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"Die sollen nur so weitermachen. Dann steigt niemand mehr in die S-Bahn." Im Umland werden die Münchner Pläne abgelehnt. (Foto: Claus Schunk)

Im Umland fühlt man sich von den Vorschlägen aus München für eine MVV-Tarifreform benachteiligt. Statt einer neuen Innenraum-Zone fordern Kommunalpolitiker einen Einheitspreis für Stadt und Landkreis.

Von Michael Morosow und Martin Mühlfenzl, Landkreis

Aus dem Landkreis München gibt es heftige Kritik an Überlegungen, mit der geplanten MVV-Tarifreform für das Stadtgebiet München eine Einheitsmonatskarte einzuführen. Die Sorge vieler Bürgermeister: So attraktiv ein solches Ticket für manche Münchner sein könnte, so teuer würde es womöglich für Pendler aus dem Umland werden. "Sollte das so kommen, findet alles wieder nur auf dem Rücken der Pendler statt", sagt etwa Brunnthals Bürgermeister Stefan Kern (CSU). "Man gewinnt schon den Eindruck, dass es bei der Tarifreform nur um die Stadt geht."

Die Idee einer solchen MVV-Flatrate ist einfach. Bislang können auch Münchner entscheiden, ob sie Monatskarten für nur zwei oder drei Tarifringe kaufen, oder den gesamten Innenraum, also vier Ringe buchen. Künftig könnte womöglich nur noch eine Zeitkarte angeboten werden, die dafür automatisch das ganze Stadtgebiet abdeckt. Vielen Münchner brächte das Vorteile - wenn der Preis entsprechend niedrig wäre. Pendler, die bislang aber nur mit einem innerstädtischen Ring ausgekommen sind, müssten womöglich draufzahlen.

Es gibt Gewinner und Verlierer

Ein Beispiel: Bisher zahlt ein Pendler aus Lohhof, der seinen Arbeitsplatz in Moosach hat, für drei Ringe im Außen- und einen im Innenbereich 78,20 für seine Monatskarte. Sollten die Pläne der Stadt umgesetzt werden, müsste er wohl die Nutzung des gesamten Münchner Stadtgebiets ebenfalls und somit deutlich mehr bezahlen. Mit allen Ringen des Innenraums kostet diese Strecke heute 115,10 im Monat.

Die Kritik der Bürgermeister in den Landkreiskommunen zielt vor allem darauf ab, dass die Münchner bevorzugt würden. "Der MVV und auch die Stadt müssen endlich verstehen, dass auch wir hier draußen Menschen und Pendler sind", sagt Ursula Mayer (CSU), Bürgermeisterin der Gemeinde Höhenkirchen-Siegertsbrunn. "Die Leute müssen doch zum Umstieg vom Auto auf den ÖPNV bewogen werden - mit höheren Preisen für die Pendler außerhalb Münchens schafft das niemand."

Ihrer Sauerlacher Amtskollegin Barbara Bogner ist die Wut über die Pläne aus der Stadt anzumerken: "Die sollen nur so weiter machen, dann steigt niemand mehr in die S-Bahn ein." Auf ihrem S-Bahnstrang, der S 3, sagt Bogner, sei derzeit der "große Schnitt" in Taufkirchen: "Von dort aus stempelt man zwei Streifen nach München, ein paar Kilometer dahinter in Sauerlach vier und von Holzkirchen aus schon sechs."

Das kennt auch Maximilian Böltl (CSU), der Bürgermeister der Gemeinde Kirchheim, zu der Heimstetten gehört. Das liegt auf dem Ast der S 2 nur eine Station weiter als Feldkirchen, gehört aber anders als dieses nicht mehr zum Innenraum. "Wir ärgern uns heute schon über die eine Station von Heimstetten bis Feldkirchen", sagt Böltl. "Viele Pendler steigen nicht an unserem S-Bahn-Halt ein, sondern fahren mit dem Auto in die günstigere Tarifzone.

Sollte die Flatrate im Innenraum umgesetzt werden, wird dieses Verhalten noch verstärkt." Was die Bürgermeister der Kommunen an den S-Bahntrassen im Landkreis München eint, ist ein grundlegendes Unverständnis über die Benachteiligung der Region - und die Forderung nach einem gerechteren System. Und zwar in Form einer Tarifberechnung nach gefahrener Strecke. "Das Thema Entfernung muss eine Rolle spielen bei einer Reform", sagt Brunnthals Bürgermeister Kern. "Wenn Tarife danach berechnet werden, welche Strecke gefahren wird, würden die Menschen das auch verstehen."

Pilotprojekt zur kilometergenauen, elektronischen Abrechnung

Mit der Tarifreform plant der MVV allerdings etwas, was Bürgermeister Kern sehr befürwortet: ein Pilotprojekt, bei dem erstmals Fahrpreise bei Pendlern elektronisch stations- und kilometergenau erhoben werden sollen. Simpel sei dies allein schon aus Gründen des Datenschutzes nicht, heißt es beim MVV, hinzu fehlten bislang gemeinsame Netzwerke und Plattenformen der verschiedenen Verkehrsgesellschaften.

Einfacher, transparenter, gerechter ist aber bereits jetzt die Forderung der Bürgermeister. "Schon heute werden die Pendler, die weiter draußen wohnen, benachteiligt, was Preis und Taktung angeht", sagt Ayings Rathauschef Johann Eichler. "Es macht auch Sinn, den Innenraum zu einer Zone zusammenzufassen." Er aber könne seinen Bürgern kaum erklären, warum es heute sogar innerhalb der Ayinger Gemeindegrenzen in Ortsteilen unterschiedliche Zonen gebe: "Wenn es jetzt noch teurer wird, fahren die Menschen gleich mit dem Auto nach München."

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Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich (SPD) stemmt sich vehement gegen eine Benachteiligung der Kommunen: "Wir fordern schon lange, dass der Landkreis München in den Innenraum mit aufgenommen wird. Wir sind so eng mit der Stadt verwoben, dass dies auch unbedingt Sinn ergeben würde." Mittlerweile, sagt Greulich, würden mehr Menschen aus der Stadt in den die Hochtechnologie Standorte des Landkreises zu ihren Arbeitsplätzen pendeln als umgekehrt: "Es gehört für die Stadt und den Landkreis ein Tarif her."

Kirchheims Bürgermeister Böltl sieht ebenfalls die Landeshauptstadt in der Pflicht: "In der Stadt müssen sie auch verstehen, dass wir hier draußen Wohnraum und Arbeitsplätze auch für Münchner schaffen - dann brauchen wir auch die notwendige Infrastruktur. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit."

© SZ vom 10.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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