Kabarett:Parodistischer Parforceritt

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Bayerische Politiker sind keine Engerl: Wolfgang Krebs als Hubert Aiwanger. (Foto: Nila Thiel)

Wolfgang Krebs legt am Jubiläumswochenende im Putzbrunner Bürgerhaus einen grandiosen Auftritt hin, bei dem er die Himmelfahrtkompetenz bayerischer Politiker auf den Prüfstand stellt. Das ist - auch aus aktuellem Anlass - mitunter ziemlich böse.

Von Udo Watter, Putzbrunn

Potzblitz Putzbrunn! So ein Feuerwerk an wunderbaren Anreden und Komplimenten dürften die Bürger der kleinen Gemeinde südöstlich von München selten vernommen haben wie an diesem Abend. Und das auch noch aus dem Munde großer Landesväter: "Liebe Putzbrunnerer und Putzbrunnererrinnen!" Oder: "Liebe Brunnenputzerinnen." Ja, genau: Stoiber, der Altmeister aus Hausratswolfen, lässt so was charmant verlautbaren. Überdies lobt er die "stolze Hochkultur", die es hier schon gab, als die Münchner noch aus Angst vor Dinosauriern auf die Bäume kletterten. Auch ein anderer Ministerpräsident begrüßt, von keinem Selbstzweifel angekränkelt, die heimische Bürgerschaft: "Liebe Franken, Germanen und Putzbrunner". Markus Söder, vermutlich größter Franke aller Zeiten. Neben den beiden CSU-Granden, haben auch König Ludwig II., Hubert Aiwanger und ein Bürger namens Schorsch Scheberl die Ehre respektive das zweifelhafte Vergnügen, an diesem Abend von Wolfgang Krebs parodiert zu werden.

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Die Veranstaltung im Putzbrunner Bürgerhaus bietet freilich nicht nur eine Kaskade an Geistesblitzen, elaboriert versaubeutelten Versprechern ("Wenn Sie meinen, was ich weiß"), derben Direktheiten und manch ernsten Tönen - am Ende des parodistischen Parforceritts von Krebs, blitzt und kracht es auch noch draußen vor dem Gebäude: 50 Jahre Bürgerhaus, das überhaupt erste seiner Art im Landkreis München! Da wollten sich die Verantwortlichen nicht lumpen lassen und schossen eine veritable Anzahl an Feuerwerkskörpern in den Himmel über der Münchner Schotterebene.

Feuerwerk vor dem Putzbrunner Bürgerhaus zum 50-Jährigen. (Foto: privat)

Bevor es aber so weit war, stand ein anderer Himmel im Mittelpunkt: Der, in dem seit Jahren keine bayerischen Politiker mehr ankommen. Alle in der Hölle. In Krebs' Programm "Vergelt's Gott" ist dies die dramatische Ausgangslage, um den direkten Draht zwischen dem Firmament und der Staatsregierung zu reaktivieren. Der Kini als Petrus' geheimer Rat nimmt das in die Hand und auf Erden fungiert Stoiber mit engelhaften Alois-Hingerl-Gedächtnisflügeln als Ansprechpartner. Exponenten der bajuwarischen Führungselite werden zum Rapport gebeten.

Wie Wolfgang Krebs, der ja auch durch seine satirischen Auftritte in der BR-Sendung "Quer" bekannt ist, in die verschiedenen Rollen und Stimmbänder schlüpft, ist grandios: Hohes Tempo, überzeugende Klangfarbenvariationen, und ein inhaltlich kongeniales Zusammenspiel zwischen maliziös-kritischer Entlarvung und befreienden Albernheiten. Perücken und Klamotten werden auf der Bühne, hinter einer Himmelsdekoration, gewechselt.

Was diesen Abend besonders macht: Krebs baut aktuelle Entwicklungen ein, den Wahlkampf und das Ergebnis der Landtagswahl. Man kann sagen: Aiwanger von den "Freien Quälern", kommt gar nicht gut weg, der niederbayerische "Dovid" der im Kampf gegen die politischen Goliaths davon profitiert, dass er als Kind mal in ein Fass mit Bärwurz gefallen ist, gibt durchaus taktische Unlauterkeit zu: Etwa wenn er im Bierzelt ob der Nähe zum dunstigen Hendl- und Steckerfischstand schon mal "zu wenig Sauerstoff im Hirn" habe und halt "plakativ" sein müsse. "Aber jetzt muss ich schauen, dass wir genug Posten kriegen", sagt er.

Freilich ist auch Söder an diesem Abend keine einwandfreie Lichtgestalt - er inszeniert sich via soziale Medien als angeberhafter Alleskönner von messianischer Qualität, der auch über Wasser gehen kann. Aiwanger darf ihm zudem vorhalten, dass er ihm gar nicht widersprechen müsse: Das tue der Söder selbst ohnehin jeden Tag. Der CSU-Chef kommt darüber hinaus ins Grübeln, ob er nicht doch mit jemand anderen koalieren sollte als mit diesem frechen Stellvertreter.

Krebs schlägt auch ernstere Töne an

Ja, bei allen launigen Passagen und lustigen Sprüchen ("Aperol Spritz schmeckt so wie ein Duftstein im Pissoir riecht"), schlägt Krebs auch immer wieder ernste Töne an. Etwa, wenn er Journalisten rät, jetzt noch zu genießen, dass sie frei und unabhängig schreiben könnten - künftig sei das vielleicht nicht mehr der Fall. Nicht nur die CSU und die Freien Wähler bekommen ihre verbale Watschen, Krebs unterstellt Olaf Scholz ein "Charisma wie eine Parkuhr", fragt sich, ob der bayerische SPD-Spitzenkandidat, den niemand kennt, also Florian von Brunn, aus Putzbrunn kommt, und macht sich über Robert Habeck und Gendern lustig. Aber in der Rolle als Stoiber findet er auch nette Worte: "Dieser Haberecht, der hat schon auch recht."

Ein schöner Sidekick ist der Schorsch Scheberl aus einem Ort, der "Untergamskobenzeißgrubengernhaferlverdimmerings" heißt. Der mit Vereinsnadeln bestückte Schorsch ist ein provinzbayerischer Paradebürger - hier erinnert Krebs in seiner Typenverkörperung an abgründige Gerhard Polt-Figuren. Was bei Scheberl verdauungstechnisch passiert, als der vor einer Rede einen Doppelbock mit Sauerkraut und Schweinsohrburger isst, mag man aber eigentlich lieber nicht wissen. Schön ist freilich, wie der Schorsch von der Schnitzelschnaxelheizung fabuliert: da sei der Raum so gut gedämpft, dass einmal "heiß schnaxeln" fürs ganze Jahr reicht.

Die meisten und mitunter doppelbödigen Versprecher hat natürlich Stoiber, und doch kommt der CSU-Ehrenvorsitzende recht sympathisch rüber. Vielleicht gilt ihm Krebs' Zuneigung, weil er als Elder Statesman nicht mehr so sehr im Dunstkreis politisch vergifteten Klimas agieren muss. Inzwischen hat Stoiber sogar realisiert, dass er wieder selber zu fahren hat: "Sie merken, dass Sie nicht mehr im Amt sind, wenn Sie ins Auto hinten einsteigen und vorne sitzt keiner".

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