Pullach:Gemeindewohnungen für alle

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Die Kritiker würden lieber in die Bebauung des BND-Geländes investieren. (Foto: Claus Schunk)

Um günstigen Wohnraum konkurrieren Flüchtlinge mit einheimischen Bedürftigen. Die Pullacher SPD will mit einem Neubau beide Gruppen bedienen. Das ruft Kritiker auf den Plan.

Von Konstantin Kaip, Pullach

Die Gemeinde muss mehr Wohnraum schaffen. Darüber ist sich der Pullacher Gemeinderat einig, und deshalb hat das Gremium am Dienstag einen entsprechenden Grundsatzbeschluss gefasst. Zwar steht die 9000-Einwohner-Gemeinde mit einem Belegungsrecht für etwa 550 vergünstigte Wohnungen vergleichsweise gut da. Die Wohnungen, die die Kommune an Bürger vergibt, die längere Zeit in Pullach gelebt haben oder arbeiten und sich die hohen Mietpreise des freien Markts nicht leisten können, reichen jedoch nicht aus.

Laut Auskunft der Gemeinde ist derzeit keine von ihnen frei, dafür aber gibt es eine Warteliste mit 100 Bewerbern. Auch das Mehrfamilienhaus mit 25 bis 30 Wohnungen, das die kommunale Wohnungsbaugesellschaft bis 2017 an der Hans-Keis-Straße errichten lässt, schafft nur wenig Abhilfe. Hinzu kommt das akute Flüchtlingsproblem: 65 Asylbewerber muss Pullach aufgrund seiner Einwohnerzahl bis Ende 2015 aufnehmen, bislang aber konnten nach Angaben des örtlichen Helferkreises erst 27 untergebracht werden, in vier Gemeinde- und zwei Privatwohnungen.

Die Sozialdemokraten wollen innovative Wohnformen ermöglichen

Die SPD-Fraktion im Gemeinderat hat daher dem Grundsatzbeschluss einen Antrag hinzugefügt, die hehre Absicht konkret umzusetzen, und zwar mit einer Lösung, die gleichermaßen den bedürftigen Pullachern als auch den Flüchtlingen zugute kommen soll: Die Gemeinde soll ein weiteres Mehrfamilienhaus errichten lassen, und zwar auf einem eigenen Areal aus vier zusammenhängenden Grundstücken an der Anton-Köck-Straße. Auf dem zirka 5000 Quadratmeter großen Baugrund im Wohngebiet soll ein Gebäude in modularer Holzbauweise "innovative Wohnformen" ermöglichen.

Das gemeindeeigene Grundstück biete sich an, da es in einem reinen Wohngebiet liege und somit für andere dringliche Projekte wie einen Grundschul- oder Schwimmbadneubau nicht infrage komme, begründete Holger Ptacek den Antrag. Mit dem Haus könne das Ziel der Gemeinde, Flüchtlinge und Asylbewerber dezentral unterzubringen, weiter verfolgt und gleichzeitig dringend benötigter günstiger Wohnraum angeboten werden.

Die SPD beruft sich auch auf die Empfehlung des bayerischen Städtetages, im Zuge des Notfallplans "Übergangsbauten für mehrere Jahre doch besser gleich in Form eines deutlich aufgestockten sozialen Wohnungsbaus" zu planen. Der Städtetag, berichtete Ptacek, prognostiziere nach den 32 000 Asylbewerbern von 2014 für 2015 weitere 34 000 bis 60 000 Flüchtlinge. "Unsere Kontingente müssen also im gleichen Maße oder sogar um das Doppelte anwachsen."

Im Gremium wurde der Antrag lange und intensiv diskutiert. Finanzreferent Reinhard Vennekold, Fraktionsvorsitzender der parteifreien Gruppierung "Wir in Pullach" (WIP), warnte davor, "leichtfertig Tafelsilber zu verscherbeln". Schließlich habe das Areal an der Anton-Köck-Straße einen Quadratmeterpreis von 1500 Euro - Vermögen, dass man für eine mögliche Bebauung des BND-Geländes künftig "wesentlich sinnvoller einsetzen" könne. Dort nun ein Mehrfamilienhaus zu errichten, widerspreche nicht nur dem geltenden Bebauungsplan, sondern sei auch "Vernichtung von Gemeindevermögen".

Die FDP sieht den Gartenstadtcharakter gefährdet

Alexander Betz (FDP) warnte vor "übermäßiger Nachverdichtung", die den "Gartenstadtcharakter" Pullachs gefährde. Die Flüchtlingsproblematik müsse vielmehr in einem Gesamtkonzept des am Dienstag auf den Weg gebrachten Ortsentwicklungsplanes (OEP) aufgelöst werden. Dafür fehle schlicht die Zeit, fand Arnulf Mallach (SPD) und mahnte zur Eile. Die Flüchtlingsproblematik sei aktuell und müsse "jetzt gelöst werden". Wenn die Gemeinde kein zusätzliches dauerhaftes Gebäude errichte, müsse man damit rechnen, dass irgendwann nur noch Container helfen.

Um die Pflicht, Flüchtlinge unterzubringen, komme man nicht herum, stellte Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) fest. "Wir sollten das auf eine Art und Weise tun, die nicht zur Ablehnung dieser Menschen führt." Ein weiteres gemeindeeigenes Wohnhaus mit "einer intelligenten Mischung" helfe, die Flüchtlinge weiterhin dezentral in verschiedenen Häusern verteilt unterzubringen. "Es geht nicht um ein Asylantenheim", sagte schließlich Ptacek, "sondern darum, dass sich die Gemeinde in die Lage versetzt, weiterhin über Wohnraum zu verfügen."

Nach einstündiger Diskussion einigte sich das Gremium schließlich darauf, den Beschluss zu vertagen. Zunächst sollen die Fraktionen noch einmal über den Antrag und alternative Standorte beraten.

© SZ vom 05.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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