Vernissage:Mit Darth Vader im Herbstwald verlaufen

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Weites Land heißt das Werk von Gabriele Rodler, das derzeit im Pullacher Bürgerhaus zu sehen ist. (Foto: Claus Schunk)

19 Künstler zeigen bei der Jahresausstellung des Künstlerkreises Münchner Süden im Pullacher Bürgerhaus 55 Exponate.

Von Franziska Gerlach, Pullach

Claude Monet hat dunklere Farben verwendet, erdige Töne, gerne auch mal orange. Doch wer Seerosen malt, ruft natürlich prompt den Vergleich mit diesem bedeutenden Vertreter des Impressionismus auf den Plan. Eva Großhennig hat sich eingehend mit Monet befasst, sein Werk studiert, sich eingelesen, seinen Garten in Giverny besucht. Sie spüre "über die eigene Farbigkeit eine emotional-geistige Verbindung mit Monet", sagt sie. Dennoch gelingt der Künstlerin aus Solln im nicht ganz einfachen Spagat zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit etwas ganz Eigenes. Ein ausgewogenes Arrangement an Pastelltönen, die gerade in ihrer Klarheit so gar nicht Monet sind. Das Hellblau strahlt, das Rosa leuchtet, das Grün ist satt. Für romantisch veranlagte Gemüter zählen Großhennigs Bilder womöglich zu den Favoriten der diesjährigen Jahresausstellung (bis 23. Oktober) des Künstlerkreises Münchner Süden.

Die Kunst im Bürgerhaus Pullach präsentiert sich auch 2022 als ein gelungener Querschnitt der Stilrichtungen und Techniken: Abstraktes und Gegenständliches in Acryl, Fotografien, Aquarelle, Holzarbeiten, mit QR-Codes versehene Werke und Installationen sind heuer zu sehen. Manches fällt mit Einfallsreichtum auf, manches kommt gewitzt daher, manches übt Kritik an der Gesellschaft. 19 Künstler zeigen 55 Exponate - ein jedes Ausdruck dessen, was die kreativen Köpfe im Moment des Schaffens bewegt hat.

Man muss schon genau hinschauen, um in den filigranen Zeichen einer Programmiersprache zu erkennen. (Foto: Claus Schunk)

Die Gemeinschaftsausstellung hat diesmal kein Motto. "Wir machen ein Jahr ohne, ein Jahr mit", erklärt Gabriele Rodler, die Vorsitzende des Künstlervereins. Weil in den eigenen Reihen die Skulpturen fehlen, hat sie Andrea Kreipe aus Böbing als Gast eingeladen. Die Künstlerin fertigt zierliche Frauentorsen aus Bronze, über die sie im Fall ihrer Arbeit "One-Zero" die filigranen Zeichen einer Programmiersprache laufen lässt. Die könnte man auf einen ersten, flüchtigen Blick für hübsche Ornamente halten. Doch wer genauer hinsieht, der wird sich womöglich daran erinnert fühlen, wie abhängig der Mensch im Computerzeitalter von der Technik geworden ist. "Davon kommt man nicht mehr weg", sagt die Künstlerin.

Johannes von Peckenzells Werk: In Memoria. (Foto: Claus Schunk)

Regisseur und SPD-Gemeinderat Holger Ptacek, der die Ausstellung am Mittwoch eröffnete, freute sich insbesondere darüber, dass es "Darth Vader" - in Form einer blinkenden Installation von Johannes von Peckenzell - ins Bürgerhaus geschafft habe. Überhaupt hatte sich der Kulturreferent über die meisten der Künstler Gedanken gemacht. Die Landschaften von Gabriele Rodler würden seiner Meinung nach zur Meditation einladen, erläuterte er den Gästen. Ihm gefalle, wie F. Freyja ihre Fotografie "in optischen Seifenblasen" sequenziert habe. Und auch die abstrakte Arbeit der Straßlacher Künstlerin Petra Hedwig fand in der Eröffnungsrede Erwähnung. "Das ist ein Bild, in dem ich mich genauso gern verlaufe wie in einem Herbstwald", so Ptacek. Und tatsächlich: Wer einen Schritt zurücktritt von diesem gekonnten Zusammenspiel gedeckter Töne, dann wieder einen darauf zu, der hört zwar nicht das Laub rascheln. Aber der spürt immerhin die unverhohlene Freude der Künstlerin, "dem Zufall die Regie zu überlassen". Hedwig trägt Farben auf, um sie daraufhin mit Wasser oder auch mal Handtüchern zu verwischen. Lässt ineinander laufen, was ineinander laufen will.

Auch Antje Reck aus Solln wusste zunächst nicht, was aus den rechteckigen Feldern werden soll, die sie mit kräftigen Aquarellfarben auf schweres Büttenpapier malte. Doch dann entwickelten sich diese Felder zu Fenstern, vor die sie mit feinen Pinselstrichen ein bizarres Geflecht aus Ästen legte. "Da war ich im Flow", sagt die Künstlerin, die vor 20 Jahren die Aquarellmalerei für sich entdeckt hat. Nun hängt das Bild in Pullach - und beweist, dass das Aquarell viel mehr zu bieten hat als die Darstellung von Blumenbouquets und den Hügeln der Toskana.

Claudia Pirrons Werk "Wendeschleife". (Foto: Claus Schunk)

Claudia Pirron hat ihre grafisch anmutenden Bilder, denen sie mit Acryl und Pigmenten eine griffige, beinahe dreidimensionale Textur verleiht, mit QR-Codes versehen. "Ich stehe auf die Technik", sagt die Künstlerin aus Pullach. Sie zieht ihr Smartphone darüber, auf dem Display ploppt ein Zitat von Søren Kierkegaard auf, dem großen dänischen Philosophen und Schriftsteller. "Das Leben wird vorwärts gelebt, aber erst in der Rückschau verstanden." Habe sie passend gefunden.

Ganz anders der Ansatz von Willi Seitz, der heuer zum zweiten Mal an der Ausstellung teilnimmt. Der Münchner verarbeitet ausgedientes Holz zu Skulpturen oder Wandobjekten. Dafür spaltet er schon mal Palettenbretter mit der Axt, setzt anschließend just an jener Stelle einen roten Akzent, wo einst ein Nagel im Holz steckte. Oder aber er verhilft dem Fuß eines ausgedienten Sessels zu einer neuen Bestimmung, indem er ihn als Mobile mit den Lüften spielen lässt. Daher heiße seine Serie auch "Entlastung", erklärt Seitz. "Das waren alles Dinge, die davor einen unglaublichen Druck ausgehalten haben."

Es wäre den Künstlern und Künstlerinnen zu wünschen, dass die Ausstellung dem Druck der explodierenden Inzidenzen in diesem Jahr standhält. Nachdem die gemeinschaftliche Schau 2020 der Maßnahmen gegen das Coronavirus wegen gar nicht stattfinden konnte, musste sie im vergangenen Jahr bereits nach einigen Tagen abgebrochen werden.

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