Polizeiinspektion:Revierwechsel mit Wehmut

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Auf dem Weg nach Oberschleißheim: Stefan Schraut, Leiter der Unterhachinger Inspektion, packt in seinem bisherigen Büro seine Sachen. (Foto: Angelika Bardehle)

Stefan Schraut hat zwölf Jahre lang die Polizeiinspektion Unterhaching geleitet, an diesem Donnerstag wechselt er als Chef zur PI 48 in Oberschleißheim. Einige Einsätze an seiner alten Wirkungsstätte wird er nicht vergessen.

Von Iris Hilberth, Unterhaching/Oberschleißheim

Zwei alte Polizeikellen aus Blech, leicht angerostet, daneben Nummerntafeln zur Tatortsicherung, wie man sie aus Fernsehkrimis kennt und ein schwarzer sperriger Hörer für ein Autotelefon, gefühlt so schwer wie eine Fünf-Kilo-Hantel - nein dies sind keine Dinge, die Stefan Schaut einst bei seinem Amtsantritt in Unterhaching benutzt hat. Zwölf Jahre ist das jetzt her, die antiquierten Polizeiutensilien waren damals schon nur noch Deko. Womöglich erinnern sich die Kollegen aber noch lange daran, dass der Chef den Krempel mal beim Aufräumen des Dachbodens der Inspektion gefunden und abgestaubt hat. Er hat sie dagelassen, als er diese Woche in seinem Dienstzimmer in der PI 31 die Sachen packte. An diesem Donnerstag übernimmt er die Leitung der PI 48 in Oberschleißheim.

Es fällt dem 57-Jährigen schwer zu gehen, wie er sagt. Seit 2008 war er für das Hachinger Tal zuständig, neben Unterhaching auch für Oberhaching, für Taufkirchen und für Sauerlach. Die Kollegen werden ihm fehlen, die Bürgermeister und Rathausmitarbeiter, mit denen er immerhin mehr als ein Jahrzehnt gut zusammengearbeitet hat, die Vereinsvertreter. Dass das in Oberschleißheim so viel anders werden könnte, glaubt er nicht. "Für mich stehen immer die Menschen im Vordergrund, es kommt mir viel aufs Zwischenmenschliche an, den Kontakt und die Zusammenarbeit", sagt er. Schließlich bleibe er ja im Landkreis, und auch wenn der Norden insgesamt urbaner und der Süden ländlicher sei. "Wenn man nach Großeichenhausen rausfährt, prallt man fast gegen die Berge, das ist schon toll", so Schraut. An ein Nord-Süd-Gefälle glaube er nicht, weder was die Einsätze noch die Sicherheitslage angehe. Das sei überall im Landkreis ähnlich. Von einer Insel der Glückseligen will er nicht sprechen. Auch wenn das bei seinen Vorträgen bei Bürgerversammlungen immer danach klang. "Entwicklungen von woanders schlagen auch bei uns durch, nur nicht in dem Ausmaß."

Es gab auch im Hachinger Tal Einsätze, die Schraut nie vergessen wird. Die Hochzeitsfeier im Taufkirchner Ritter-Hilprand-hof 2010 etwa, mit 400 Gästen, die mit Messern aufeinander und auf den Wirt losgegangen sind. "Und alles nur, weil der Kaffee kalt war", erinnert sich der Polizeichef. Die erste Streife, die damals eintraf, habe dem Wirt dann das Leben gerettet. Auch der Raubüberfall mit Geiselnahme auf die VR-Bank 2016, ebenfalls in Taufkirchen, wird ihm wohl immer im Gedächtnis bleiben. "Der Täter ist uns quasi direkt in die Arme gelaufen", so Schraut, die Geiseln habe er mit Kabelbindern an die Stühle gefesselt. Und Massenschlägereien habe es gegeben, etwa zwischen Fußballfans. Und doch sah er den Dienst jedes zweite Wochenende, wenn die Spielvereinigung zu Hause spielte, nie als lästige Pflicht. "Es war immer eine Herausforderung, und wenn wirklich mal etwas los war, musstest du entscheiden." Dabei waren es gar nicht mal die ostdeutschen Mannschaften, deren Fans oft ein schlechter Ruf vorauseilt, die die Polizei auf Trab hielten. "Da war oft gar nichts, denn die sind auf der anderen Seite etwas anderes gewohnt als die Hachinger", sagt er.

Natürlich habe auch die Zeit, als die Flüchtlinge in den Traglufthallen untergebracht waren, seine Polizeiinspektion vor große Herausforderungen gestellt. 2015 und 2016 hätten sie viele Einsätze in den Unterkünften gehabt, manchmal mehrmals am Tag rausfahren müssen, weil es Streit unter den Bewohnern gegeben hatte, die ja eng zusammen untergebracht waren. "Man muss viel mit den Menschen reden, das sage ich auch immer meinen Leute." Daher sei er auch zutiefst davon überzeugt, dass Polizist ein sozialer Beruf sei. "Wir sind zwar keine studierten Sozialarbeiter und vielleicht etwas hemdsärmelig, aber ich glaube dass die Mehrheit der Bürger Vertrauen zu uns hat. "

Ab und zu fährt er mit den jungen Kollegen auf Streife. "Aber ich bin froh, dass ich das nicht mehr machen muss", gibt er zu. Man müsse schon starke Nerven haben, mitunter einer Engelsgeduld aufbringen. Schraut sieht sich als Chef, der seinen Leuten Entscheidungen im täglichen Geschäft selbst überlässt. Natürlich könnten sie jeder Zeit zu ihm kommen, insbesondere die jungen Polizisten hätten am Anfang oft Angst, etwas falsch zu machen. Sie müssten erst lernen sich durchzusetzen, "es ist immer eine Gratwanderung. 70 bis 80 Prozent ist Erfahrung. Schließlich gehen wir in Situationen rein, in denen andere weglaufen würden". Er sehe bei den jungen Kollegen so viel Engagement und Enthusiasmus. Daher ist Schraut auch über die Rechtsextremisten bei der Polizei entsetzt. "Die haben bei uns nichts verloren", verurteilt er die Vorgänge scharf. "Ein paar Idioten machen unsere Arbeit zunichte", findet er. Da werde Vertrauen verspielt, "das hat bei uns voll durchgeschlagen". Allerdings mehr noch in der Innenstadt, "bei uns im Landkreis geht es noch". Er sieht das aber auch als "Wake-up-Call, "es gibt rote Linie, die darf ich als Polizist nicht überschreiten. Ich habe schließlich einen Eid auf die Verfassung geleistet".

35 Jahre ist das her. So lange ist er jetzt schon im Polizeidienst. Dass er nun noch einmal wechselt, hat nicht nur den Vorteil für ihn, dass er noch einmal befördert werden kann. Sein Weg zur Arbeit wird auch wesentlich kürzer, Schraut stammt aus dem Münchner Westen, hat in den Neunzigerjahren in Moosach angefangen. Seinen Job in Unterhaching übernimmt für das kommende halbe Jahr der 29-jährige Philipp Rogler, der sich als Führungskraft bewähren muss. Im Frühjahr 2021 wird der Posten neu besetzt.

© SZ vom 01.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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