Ottobrunner Konzerte:Groove mit Beethoven und Django

Lesezeit: 2 min

Improvisieren auf hohem Niveau: Das Marcus Schinkel-Trio und Gitarrist Joscho Stephan. (Foto: Claus Schunk)

Das Marcus Schinkel Trio und Joscho Stephan kombinieren im Wolf-Ferrari-Haus Klassik-Stücke mit Gypsy-Swing. Besonders eindrucksvoll sind aber auch einige Eigenarrangements des grandiosen Gitarristen.

Von Udo Watter, Ottobrunn

Auf seiner Reise von Bonn nach Wien hat der junge Ludwig van Beethoven Ende des 18. Jahrhunderts Station in Ottobrunn gemacht. Und das sogar, obwohl es den Ort damals noch gar nicht gab - aber wozu ist ein Genie nicht alles fähig? Nun, die Geschichte, die der Pianist Marcus Schinkel da vor dem Publikum im Wolf-Ferrari-Haus ausbreitete, war natürlich geflunkert. Aber warum sollte ein Jazz-Musiker nicht auch mal beim Anekdoten-Erzählen mutig improvisieren und eine augenzwinkernde narrative Alternative anbieten?

Was historisch erwiesen ist: Beethoven war ein großer Improvisateur und er hat den ungarischen Geiger János Bihari, der 1814 beim Wiener Kongress spielte, gehört und geschätzt - Bihari gilt als ein Vater der ungarischen "Zigeunermusik". Auch insofern passte es gut, dass das Programm des Abends "Classic meets Gypsy" aus dem Fundus des großen Komponisten schöpfte. Gleich zum Einstieg jagten das Marcus Schinkel Trio und der Jazz-Gitarrist Joscho Stephan minutenlang der "Wut über den verlorenen Groschen" hinterher. Das virtuose Bravourstück Beethovens ist ja eine schöne Spielwiese für vier so versierte und hoch agile Jazzer - neben Schinkel und Stephan noch Schlagzeuger Wim de Vries und Bassist Fritz Roppel, die dem populären Klavierstück eine temperamentvoll swingende Note gaben.

Nachdem am Vortag der renommierte, in Neubiberg lebende Pianist Leonid Chizhik sein Programm "Tschaikowski meets Jazz" präsentierte hatte, oblag es dem Quartett, den zweiten Abend des "Classical & Beyond"-Festivals in der Reihe "Ottobrunner Konzerte" zu gestalten. Die Idee, Klassik und Gypsy-Jazz zu kombinieren, ist schon vor einigen Jahren entstanden, sie war das Ergebnis einer nächtlichen Jam-Session von Schinkel und Stephan bei den Dresdener Jazztagen 2015. Im Programm sind nun etliche Klassik-Hits verarbeitet, aus Mozarts "Figaro", Liszts "Liebestraum", Schumanns "Nachklänge aus dem Theater", Debussys "Reverie" und weitere Beethoven-Stücke.

"Freude schöner Götterfunken" in der jazzigen Variante gelingt nur mäßig

Aufgrund schon allein der technischen Klasse der vier Protagonisten ist jedes Arrangement beeindruckend: Marcus Schinkel, der zum Sakko weiße Turnschuhe trägt, wirkt in seiner federnd-elastischen Körpersprache selbst fitter als ein Turnschuh, lässt seine Finger virtuos über die Tasten abenteuern, dialogisiert präzise (und humorvoll) mit dem grandiosen Gitarristen Joscho Stephan. Kontrabassist Roppel und Drummer de Vries walten die meiste Zeit mit fast unbewegter Miene ihrer Aufgabe: Ihr Mangel an äußerlicher Erregung kontrastiert dabei ausgesprochen lässig mit ihrer Fingerfertigkeit und Virtuosität.

Gleichwohl: Nicht alle klassischen Kompositionen sind perfekt arrangierbare Quellen für feinen Groove und mitreißend swingende Rhythmik. Beethovens "Freude schöner Götterfunken" und auch der "Liebestraum" von Liszt packen in der jazzigen Variante nur mäßig. Da fehlt es ein wenig an Klangfarbenreichtum und den warmen Melodielinien, welche den Atem dieser Musik ausmachen.

Was freilich an diesem Abend einschlägt, sind etliche von Stephans Kompositionen und Arrangements, die das Quartett auch kongenial umsetzt. Ob der jüdische Traditional "Joseph, Joseph", "Bossa Dorado" oder auch die "Ballade pour Django" (seine Hommage an Django Reinhardt) - das ist von harmonischer Finesse, delikatem Gypsy-Sound und rhythmischem Gespür geprägt. Joscho Stephan zeigt, dass er zu Recht als einer der großen Jazz-Gitarristen gilt, er besticht mit atemberaubender, scheinbar müheloser Technik, ist dabei auch solistisch hoch präzise. Da steckt in jedem Einfall eine Geschichte drin, da fließen fein rhythmisierte Stimmungen und Akkordeffekte versiert ineinander.

Schön freilich auch die Zugabe des Quartetts: Nino Rotas Thema aus "Der Pate", ein Klassiker der Filmmusik: Lässig flankiert von Jazz-Besen und Kontrabass-Pizzikato entfalten Stephan und Schinkel (auf der Melodica) hier genau das richtige Flair, um musikalisch stilvoll Abschied zu nehmen von Ottobrunn.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: