Ottobrunner Konzerte:Mehr als nur Konzerte

Lesezeit: 4 min

Für die "Ottobrunner Konzerte" holen Johannes Tonio (links) und Cornelius Claudio Kreusch regelmäßig hochklassige Musiker auf die Bühne. (Foto: Claus Schunk)

Kenny Garrett, Al di Meola oder Los Romeros - Cornelius Claudio Kreusch und Johannes Tonio Kreusch laden regelmäßig Stars nach Ottobrunn ein. Vor dem Jazz-Piano-Marathon sprechen sie über Nähe, Distanz und die Rolle von Ikonen.

Interview von Irmengard Gnau, Ottobrunn

Schon im achten Jahr ist das Wolf-Ferrari-Haus heuer Bühne für die "Ottobrunner Konzerte". Als Begründer und künstlerische Leiter der Musikreihe holen die Brüder Cornelius Claudio und Johannes Tonio Kreusch unterschiedlichste Musikstars in die Gemeinde ihrer Jugend. An diesem Freitag treten mit Aydin Esen, Jeff Gardner, Laslo Gardony, Simon Nabatov, Christoph Spendel und Cornelius Claudio Kreusch selbst sechs Pianisten von Weltrang beim zweiten Jazz-Piano-Marathon an.

SZ: Im Mai waren Sie beide mit Ihrem jüngsten Projekt "Two Worlds One" bei den Ottobrunner Konzerten zu hören, einer weltmusikalischen Hommage, die Klänge und Musiker aus verschiedenen Stilen vereint. Verbinden sich verschiedene Musikkulturen heute zunehmend?

Cornelius Claudio Kreusch: Ich glaube, es ist ein Zeichen der Zeit, dass sich alles vermischt. Ob in anderen Aspekten des Lebens oder in der Musik, man kann sich nicht nur spezialisieren, sondern sollte sich auch bis zu einem gewissen Grad für Anderes öffnen, sonst läuft man Gefahr, irgendwann innerlich zu veröden. Beim Mischen der Einflüsse in der Musik geht es ja auch nicht um ein Derivat, sondern darum, eine Schnittmenge zu finden aus dem, was uns vereint. Vielleicht gehört es zu den innersten menschlichen Bedürfnissen, das Andere zu suchen.

Beim Jazz-Piano-Marathon, der heuer zum zweiten Mal stattfindet, steht genau ein Instrument im Mittelpunkt.. .

Johannes Tonio Kreusch: Ich finde auch Kontraste sehr interessant. Gerade beim Jazz-Piano-Marathon spielen zwar alle Musiker am selben Instrument - aber die Künstler sind so individuell, haben so unterschiedliche Herangehensweisen, ich finde es sehr spannend, diese Kontraste zu erleben.

Cornelius Claudio Kreusch: Im letzten Jahr waren ja elf Pianisten bei uns, die einen starken Bezug zu München haben; diesmal sind es sechs, alles weit gereiste Leute, aus Rio de Janeiro, Istanbul, Boston, Budapest, Moskau und Köln, mit völlig unterschiedlichen Stilen. Ich habe mir zudem dieses Mal von den Pianisten gewünscht, dass jeder Eigenkompositionen spielt - das zeigt die Seele eines Künstlers am Besten. Jazzmusiker sind eben nicht nur hervorragende Interpreten bekannter Titel, sondern vor allem fantastische Melodien-Finder.

Wie viel Überredungskunst bedarf es noch, um Künstler dieses Formats ins international verhältnismäßig unbekannte Ottobrunn zu locken?

Cornelius Claudio Kreusch: Wir haben seit ein paar Jahren das Gefühl, dass wir jetzt wirklich wahr- und ernst genommen werden. Die "Ottobrunner Konzerte" finden regelmäßig statt und in konstant hoher Qualität - es kommen inzwischen so gute Namen zu uns, die auch auf den richtig großen Bühnen spielen, in diesem Jahr zum Beispiel der Saxofonist Kenny Garrett, Gitarrist Al di Meola oder das Ensemble Los Romeros.

Konzertreihe
:Die Welt zu Gast bei Brüdern

Cornelius Claudio und Johannes Tonio Kreusch holen Jazz-Größen nach Ottobrunn

Von Udo Watter

Johannes Tonio Kreusch: Und es wurde immer mehr, wir haben immer größere Events gehabt. Es kommen Leute aus Israel, aus der Ukraine, aus Saudi-Arabien. . . Vor etwa drei Jahren kamen noch die Workshops dazu, da kommen wirklich Weltstars, die ihre Kunst weitergeben.

Ist die Konzertreihe in der Gemeinde genauso angekommen?

Cornelius Claudio Kreusch: Die Unterstützung seitens der Gemeinde ist groß. Vom Publikum über den Bürgermeister, den Bühnenbildner bis zum Team des Wolf-Ferrari-Hauses sind alle engagiert dabei, weil sie spüren, dass das etwas Besonderes ist, das einen frischen Wind in die Gemeinde bringt. Etwas, wofür man früher immer nach München fahren musste. Wobei man die Künstler hier hautnah erlebt und eben nicht als unantastbare Ikone auf der Bühne.

Johannes Tonio Kreusch: Beim Konzert von Kenny Garrett zum Beispiel, der nach seinem Auftritt in Burghausen zuvor ein bisschen als kompliziert verschrieen war, sind die Leute in Ottobrunn voll mitgegangen, die haben in der letzten Viertelstunde nur noch getanzt. Obwohl das ja keine sehr eingängige Musik ist. Das war ein sehr schönes Erlebnis auch für uns.

Zu vielen Künstlern, die in Ottobrunn auftreten, haben Sie selbst eine persönliche Beziehung.

Cornelius Claudio Kreusch: Ja, mit Kenny Garrett habe ich zum Beispiel vor 21 Jahren zusammen eine Platte gemacht. Dadurch dass die Künstler hier auf Künstler treffen, scheinen sie oftmals besonders inspiriert zu spielen, habe ich das Gefühl.

Johannes Tonio Kreusch: Es reizt die Künstler auch, dass wir immer etwas Neues von ihnen hören wollen. Einfach um deutlich zu machen: Wir wollen hier etwas, was ihr sonst nicht macht.

Welche Rolle spielen die Workshops dabei?

Johannes Tonio Kreusch: Es war von Anfang an klar, dass wir mehr machen wollen als nur Konzerte. Wir sind ja selber Musiker und kennen auch die Situation nach dem Konzert: Dann ist man alleine, hat zwar die Reaktion des Publikums irgendwie mitbekommen, aber es wäre doch interessant, vielleicht noch mit dem Publikum ins Gespräch zu kommen. Deshalb hatten wir von Anfang an die Idee der Künstlergespräche. Manche Musiker waren zunächst etwas skeptisch, aber als wir sie überzeugen konnten, waren sie total begeistert, weil sie gemerkt haben: Man bekommt noch etwas ganz anderes zurück vom Publikum, man erfährt, wo es vielleicht Fragen gab. Und das Publikum hat es auch sehr gut aufgenommen, weil man die Künstler auf diese Weise noch einmal ganz anders kennenlernt - man sieht, wie klein oder groß sie wirklich sind, erlebt sie auch als Menschen. Das haben wir mit den Workshops noch einmal ausgeweitet.

Cornelius Claudio Kreusch: Nachwuchsmusiker, Laien und Profis sitzen zusammen und jeder nimmt etwas daraus mit: Die Laien verlieren die Angst, sie seien nicht gut genug, sich mit Musik zu beschäftigen, die Profis lernen das Lehren und für den Nachwuchs ist es unglaublich wichtig, nicht nur von ihren Musiklehrern, sondern auch von bekannten, tourenden Musikern einmal eine Botschaft zu bekommen, die sie vielleicht ihr Leben lang begleiten wird. Dieser Aspekt der Weiterbildung ist uns ganz wichtig. Musik nicht nur vorzuführen, sondern auch einen Impuls zu geben, zu zeigen: In jedem ist die Musik angelegt. Oder wie unsere Mutter Dorothée Kreusch-Jacob immer sagt: "Jedes Kind ist musikalisch."

Gerade Jazz baut für viele eine gewisse Barriere auf, flößt vielen Zuhörern großen Respekt ein.

Johannes Tonio Kreusch: Absolut. Er gilt als sehr kopfig.

Cornelius Claudio Kreusch: Aber das Umfeld hier macht es leichter: Die Zuschauer bekommen die Musik nicht nur als hohe Kost dargeboten, sondern sie erleben die Musiker auch als Menschen. Sie können einen schönen Abend verbringen, bis zum Ausklang beim Meet-the-artist-Gespräch oder, wer mag, dann beim Workshop, wo man den Künstler auch noch einmal fragen kann: Du, wie machst du das eigentlich, was du da gestern gezeigt hast? Die Workshops brechen noch mehr diese Wand ein, die manchmal besteht zwischen Künstler und Publikum. Spätestens hier wird jedem klar, was Musik bedeutet. Für einen selbst, wie auch für die Gesellschaft. Musik ist essenziell wie Wasser und Luft. Klang schafft Resonanz!

Der zweite "Jazz Piano Marathon" im Festsaal des Wolf-Ferrari-Hauses beginnt an diesem Freitag, 4. Dezember, um 20 Uhr. Die Workshops finden am Samstag von 10 bis 19.30 Uhr im Ratssaal statt. Eintrittskarten und Anmeldemöglichkeit gibt es unter Telefon 089/60 80 83-01 und -02 oder im Internet unter wfh-ottobrunn.de.

© SZ vom 04.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: