Offensive der IHK:Flüchtlinge sollen Lehrlinge werden

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In speziellen Übergangsklassen lernen Flüchtlinge Deutsch. (Foto: Johannes Simon)

Im Landkreis München sind viele Ausbildungsplätze unbesetzt. Die Industrie- und Handelskammer will deshalb gezielt junge Asylbewerber als Lehrlinge gewinnen. Doch dazu müssen diese zunächst Deutsch lernen.

Von Markus Mayr, Landkreis

Die Wirtschaft floriert. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln sieht den Landkreis München auf Platz eins des neuesten bundesweiten Rankings. In der Region gibt es mehr Ausbildungsplätze als Bewerber. Laut aktuellem Bericht der Bundesagentur für Arbeit gab es im Landkreis im August 656 unbesetzte Ausbildungsplätze, die nur 262 unversorgten Bewerbern gegenüberstehen. Diesen Zahlen ist die seit Mitte September laufende Initiative der Industrie- und Handelskammer (IHK) München und Oberbayern geschuldet, die "Flüchtlinge in Arbeit und Ausbildung bringen" soll. Per Telefonhotline und auf ihrer Webseite beantwortet die IHK interessierten Unternehmen rechtliche Fragen zum Thema.

Viele Asylbewerber müssen von staatlicher Zuwendung leben, weil ihnen arbeiten nicht erlaubt ist. Drei Monate lang dürfen sie überhaupt nicht selbst wirtschaften - unabhängig vom Status ihrer Duldung - danach nur unter Vorbehalt. Gemäß Aufenthaltsgesetz ist die Beschäftigung eines Asylsuchenden nur möglich, wenn kein Deutscher die freie Stelle haben will. Doch die Ausbildung ist von dieser Regel ausgenommen. Darin ruht eine Chance, für ankommende jugendliche Flüchtlinge, aber auch für ansässige Unternehmen.

40 Prozent der Betriebe in Oberbayern wären bereit, junge Asylbewerber auszubilden

In einer oberbayernweiten Blitz-Umfrage fand die IHK heraus, dass 40 Prozent der Betriebe bereit wären, jugendliche Asylsuchende auszubilden. Von "lernwilligen" ausländischen Schülern an der Berufsschule München-Land in Riem berichtete der stellvertretende Leiter Oskar Paulicks. Inzwischen lernen dort 31 jugendliche Asylsuchende in eigens für sie gebildeten Klassen Deutsch und Staatskunde. Asylsuchende bis zum Alter von 21 Jahren sind schulpflichtig. Doch nicht nur diese Pflicht ist es, die Berufsschulen dazu gebracht hat, für junge Flüchtlinge besondere Vorbereitungsklassen einzurichten. Motivierend war auch die Aussicht, vakante Ausbildungsplätze zu besetzen. Ziel sei ganz klar die Ausbildung, sagte Paulicks. Der auf die Lehre vorbereitende Unterricht laufe "völlig problemlos". Nur leider seien in seiner Schule die "Raumkapazitäten erschöpft", sagte er.

Die zweite Klasse habe man bereits auslagern müssen. Optimistisch bewertet der stellvertretende Rektor die Erfolgschancen. Von einem Kollegen einer anderen Berufsschule habe er gehört, dass 83 Prozent der Schüler der Flüchtlingsklasse vermittelt werden konnten. "Hervorragend", sagt Paulicks. In den wenigen Einzelfällen, die es bereits gibt, funktioniert die Berufsausbildung von Asylbewerbern. Das zeigt ein Beispiel aus Höhenkirchen. Eine große Supermarkt-Kette bildet dort seit 2013 einen Flüchtling zum Einzelhandelskaufmann aus, von diesem Jahr an lernt dort ebenfalls eine angehende Kauffrau. Das Beratungsangebot der IHK scheint auch langsam Hemmungen und Wissensdefizite auf Unternehmerseite abzubauen. Ein Ottobrunner Reifenmechaniker kann sich laut IHK-Beraterin vorstellen, von nächstem Jahr an Flüchtlinge auszubilden.

In Feldkirchen haben Helfer einen Deutschkurs organisiert

Ohne Deutsch-Vorkenntnisse kann allerdings kein junger Asylbewerber die schulische Vorbereitung auf eine Ausbildung beginnen. Umso wichtiger ist es, dass mit der Unterbringung der Flüchtlinge auch der Zugang zu Deutschkursen gewährleistet wird. Derzeit könne jeder "einen Sprachkurs erhalten", sagte Christina Walzner vom Landratsamt. Die jungen Schutzsuchenden könnten Kurse der Stadt München besuchen. Es gebe bereits Übergangsklassen an Mittelschulen in Haar und in Kirchheim. In Feldkirchen hat der Helferkreis selbst eine Deutschlehrerin für die dort untergebrachten 20 minderjährigen Flüchtlinge organisiert. Weil auf die Schnelle niemand von offizieller Seite in die Gänge gekommen sei, erklärte Michaela Strathmann vom Helferkreis.

Spontan habe ein Feldkirchner Unternehmen die rund 5000 Euro für den Deutschkurs spendiert. Grundsätzlich sind die jungen Flüchtlinge im Landkreis gut versorgt. "Wir kriegen alle unter", sagt Achim Weiss von der Inneren Mission im Hinblick auf Deutschkurse. Mit seinen Leuten betreut er unter anderem Wohngruppen in Dornach und Riemerling. Vera Lohel vom Kreisjugendring versicherte ebenfalls, dass die Betreuung der Minderjährigen "funktioniert". Die Zusammenarbeit mit den Helferkreisen sei hervorragend.

© SZ vom 28.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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