ÖPNV:Großer Wurf statt Reförmchen

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Die SPD kritisiert die Ungerechtigkeiten im Tarifsystem des MVV. (Foto: Stephan Rumpf)

Flatrate-Ticket, Stadt-Umland-Bahn, Tangentialen - die Liste der SPD an Forderungen für eine Neuausrichtung des MVV-Tarifsystems ist lang. Die Genossen kritisieren zudem Landrat Christoph Göbel und dessen Informationspolitik

Von Stefan Galler, Landkreis

Die Aussagen von offizieller Seite sind eher spärlich und wenig konkret: Der Münchner Verkehrsverbund (MVV) arbeitet schon seit Monaten an einer Tarifreform, um eine gerechtere und durchschaubarere Preisstruktur zu schaffen. Doch offenbar tun sich der eigens dazu eingesetzte Lenkungsausschuss und die Gesellschafterversammlung unter dem Vorsitz von Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) schwer damit, handfeste Resultate zu beschließen, die dann tatsächlich eine deutliche Verbesserung der aktuellen Tarifsituation bringen.

Die SPD-Fraktionen der Kreistage München, Dachau, Ebersberg, Erding, Fürstenfeldbruck und Starnberg schlagen nun Alarm: "Das, was wir bisher über die Tarifreform erfahren haben, entsetzt uns", sagt die Vorsitzende der SPD-Fraktion im Kreistag des Landkreises München, Ingrid Lenz-Aktas. "Es wurde lediglich eine Modernisierung beschlossen, wir hatten jedoch auf einen großen Wurf gehofft", so die Aschheimerin weiter. Kreisrat Edwin Klostermeier, Bürgermeister der Gemeinde Putzbrunn, ergänzt mit Galgenhumor: "Das ist allenfalls ein Reförmchen."

"Entweder einfach oder gerecht."

Klar ist mittlerweile, dass viele Aspekte, die in den vergangenen Jahren von Fahrgastverbänden moniert wurden, eben nicht Teil der MVV-Tarifreform sein werden. So wird das bisherige System mit Ringen, Zonen, Streifen- und Einzelfahrkarten zwar modifiziert, aber in seinem Kern beibehalten werden. OB Reiter hatte schon im November erklärt, eine Tarifreform ähnele der Quadratur des Kreises, sie sei "entweder einfach oder gerecht".

Dabei hatte man große Ideen gehabt, etwa ein Modell, wie es in Paris gilt: Dort orientiert sich der Fahrpreis exakt an der zurückgelegten Strecke. Auch eine "Flatrate", die sich am Wiener Modell ausrichtet, wo man 365 Euro im Jahr bezahlt und die städtischen Verkehrsmittel nach Lust und Laune benutzen kann, wird in München nicht umgesetzt, so viel steht fest.

Vergangene Woche trafen die Verbundlandkreise im Rahmen einer weiteren nicht-öffentlichen Tarifsitzung mit Gutachtern, Vertretern des MVV und Verkehrsunternehmen zusammen. Dort dürfte etwa über eines der Ziele der Reform diskutiert worden sein: die Schaffung einheitlicher Zeitkartenzonen innerhalb einer Stadt, beziehungsweise einer Gemeinde. Es soll nicht mehr vorkommen, dass man zusätzliche Streifen für eine Fahrt benötigt, wenn man innerhalb einer Gemeinde ein Stück weiter von der Stadtmitte entfernt wohnt. Auch Busfahrten zu einem Bahnhof sollen günstiger werden, indem Zusatztarifzonen abgeschafft werden.

Ein Jahresabo für 500 Euro

Für die SPD-Politiker aus den Verbundlandkreisen gehen solche Maßnahmen nicht annähernd weit genug. "Wenn wir den öffentlichen Personennahverkehr als Vehikel für den Klimaschutz nutzen wollen, dann muss hier ein großer Wurf her", sagt Ingrid Lenz-Aktas. Es sei dringend notwendig, vor dem Hintergrund der Diskussion über ein Dieselverbot in der Münchner Innenstadt Alternativen aufzuzeigen.

So fordern die SPD-Politiker Gehör für ihre Forderungen nach einem Flatrate-Ticket, das schon aufgrund der Infrastruktur in München zwar nicht so günstig sein könne wie in Wien, aber doch attraktiv genug, um viele Menschen von der Straße auf die Schiene zu bekommen. Idealerweise solle der Landkreis mit der Stadt München dabei die Tarifzone Innenraum bilden, die umliegenden Landkreise sollten die Tarifzone Außenraum darstellen. Für den Innenraum schlägt Lenz-Aktas als Diskussionsgrundlage ein Jahresabo für 500 Euro vor. "In Wien betrifft das 365-Euro-Ticket nur die Stadt, bei uns wäre der Landkreis mit dabei", sagt Lenz-Aktas. "Ein Preis für das ganze Jahr wäre auf alle Fälle gut."

Darüber hinaus mahnen die Sozialdemokraten an, dass man den Ausbau von Tangentialen, vor allem im Münchner Norden, nicht aus den Augen verlieren dürfe und auch eine Stadt-Umland-Bahn, die kreisförmig um die Landeshauptstadt herumführt, dringend noch einmal prüfen müsse. Von den wenigsten Errungenschaften des Lenkungsausschusses zur Tarifreform zeigen sich die SPD-Politiker begeistert, zumindest aber begrüßen sie, dass ein besonders innovativer Vorschlag vorerst nicht realisiert werden soll: Das "Be-In-Be-Out-Verfahren", wonach bei jedem Fahrgast durch eine Chipkarte festgestellt wird, in welchem Umfang er den MVV nutzt, soll erst mittelfristig in München umgesetzt werden. "Das lehnen wir ab, weil hier Bewegungsprofile angelegt werden können, die dem Datenschutz widersprechen", sagt Lenz-Aktas und verweist auf die enormen Kosten, die eine Umstellung auf ein solches System mit sich bringen würde.

Vor allem fordert man aus den Reihen der SPD größere Transparenz. Derzeit vertritt der Ebersberger Landrat Robert Niedergesäß (CSU) die Interessen der Verbundlandkreise bei der MVV-Tarifreform, doch von ihm fühlt sich die SPD nicht ausreichend informiert. Dazu kommt, dass auch der hiesige Landrat Christoph Göbel (CSU) das Thema nicht im aus Sicht der SPD ausreichendem Maße in die Gremien hieven würde, wie seine Stellvertreterin Annette Ganssmüller-Maluche moniert: "Uns fehlt die politische Diskussion. Zuletzt fiel auch ein Mobilitätsausschuss aus, in dem es ums Thema gehen sollte." Eine Gesprächsrunde mit MVV-Geschäftsführer Alexander Freitag wurde ebenfalls kurzfristig abgesagt. "Dabei würden wir uns so wünschen, Informationen aus erster Hand zu bekommen", so Ingrid Lenz-Aktas.

Eines steht für Kreisrat Klostermeier fest: "Unser Ziel, mehr Menschen in den MVV zu bringen, werden wir mit den Maßnahmen, die bisher diskutiert werden, nicht erreichen."

© SZ vom 06.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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