Kommunalfinanzen:Rettungseinsatz auf Kosten der Feuerwehr

Lesezeit: 3 min

Die herbeigerufene Feuerwehr öffnete die Türe "gewaltfrei". (Foto: Günther Reger)

Oberschleißheim steht finanziell am Abgrund. Die Gemeinde muss sogar beim Bevölkerungsschutz sparen. Ein neues Löschfahrzeug ist nicht drin.

Von Anna-Maria Salmen, Oberschleißheim

Oberschleißheim steht finanziell am Abgrund. Angesichts der prekären Haushaltslage sehen sich die Kommunalpolitiker mittlerweile sogar gezwungen, bei den Rettungskräften Abstriche zu machen. So hat der Gemeinderat am Dienstagabend beschlossen, auf die Anschaffung eines neuen Tank- und Löschfahrzeugs zu verzichten. Die Lokalpolitiker ließen sich dabei auch von dem Auftritt von Feuerwehrleuten in Mannschaftsstärke im Sitzungssaal nicht abhalten. Die unpopuläre, hart kritisierte Entscheidung trifft die Feuerwehr ausgerechnet in ihrem Festjahr zum 150-jährigen Bestehen, das mit einer Ausstellung und vielen Aktionen begangen werden soll.

Eine Verpflichtungsermächtigung für die Anschaffung des Fahrzeugs lag eigentlich schon vor, wie Kommandant Wolfgang Schnell sagt. Auch die Ausschreibung war erledigt, es gab ein Angebot. Bei der Jahreshauptversammlung habe Bürgermeister Markus Böck (CSU) zudem versichert, dass das Fahrzeug kommt. "Das war auch eine gewisse Motivation für die Mannschaft", sagt Schnell. Und dem Kommandanten zufolge außerdem notwendig: Das alte Gefährt sei mittlerweile 25 Jahre alt und habe technische Mängel.

Vor rund zwei Wochen zog Böck jedoch die Reißleine, nachdem bei den Beratungen im Finanzausschuss aufgekommen war, dass im Haushalt ein Defizit in Höhe von 1,2 Millionen Euro auszugleichen ist. Es sei ihm zwar schwer gefallen, sagt der Rathauschef, aber er habe keine Möglichkeit gefunden, 419 000 Euro für das Fahrzeug einzustellen.

Brandschutz ist eine Pflichtaufgabe

Die Feuerwehr hatte dennoch gehofft, die Kommunalpolitiker umstimmen zu können, wie Schnell sagt. Knapp 30 Mitglieder beobachteten am Dienstagabend die abschließende Beratung des Finanzausschusses. Unterstützer fanden sie in der Fraktion der Freien Wähler, die beantragten, die entsprechenden Mittel für das Feuerwehrauto doch noch bereitzustellen. "Ein Fahrzeug mit modernen Standards ist vonnöten", begründete Stefan Vohburger (Freie Wähler) den Vorstoß. Immerhin sei die Sicherung des Brandschutzes eine Pflichtaufgabe der Gemeinde.

Eine leere Fläche vor den Feuerwehrgaragen. Die Feuerwehr hätte gerne ein neues Fahrzeug dort hingestellt bekommen. Doch daraus wird nichts. (Foto: Catherina Hess)

Dass die Feuerwehr einen unersetzbaren Dienst erfüllt, wollte im Ausschuss niemand bestreiten. "Nichtsdestotrotz ist es auch unsere Aufgabe, die finanzielle Handlungsfähigkeit der Gemeinde für die nächsten Jahre zu erhalten", merkte Florian Spirkl (SPD) an. Er sieht die Gefahr, dass das bald nicht mehr möglich ist, wenn die hohe Summe für das Fahrzeug bereitgestellt würde. "Das Geld ist momentan einfach nicht da", stimmte Fritz-Gerrit Kropp (Grüne) zu. Mit zehn zu drei Stimmen entschied sich der Finanzausschuss gegen die Aufnahme der Mittel für das Feuerwehrauto. "Das bedeutet nicht, dass wir gegen die Feuerwehr oder gegen Sicherheit sind", sagte Peter Benthues (CSU).

Enttäuscht ist Kommandant Schnell von der Entscheidung trotzdem. Dass der Finanzausschuss stattdessen der Anschaffung eines kleineren Autos für den First Responder für 65 000 Euro zustimmte, sei ein schwacher Trost. "Das ist zwar erfreulich, aber nicht das, was wir uns erhofft haben", so Schnell

Nicht nur aufgrund der fehlenden Mittel für die Feuerwehr beunruhigt der Haushalt die Kommunalpolitiker. Viele fürchten, dass sich die schwierige finanzielle Lage auch in den kommenden Jahren nicht bessert.

Insgesamt umfasst der Haushalt 2023 rund 48,4 Millionen Euro, das entspricht einer Steigerung von 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Anstieg lässt sich laut Bürgermeister Böck durch das Investitionstief während der Pandemie und die nun wieder aufgenommenen Planungen erklären: So steht zum Beispiel der Bau des Kinderhauses an und wird mit 13,7 Millionen Euro Gesamtinvestitionen veranschlagt. Nebenbei, so Böck, habe man auch eine enorme Zunahme der Kreisumlage um 20 Prozent auf knapp 9,2 Millionen aufzufangen. Um die Ausgaben zu decken, sind unter anderem Kreditaufnahmen nötig. Die Schulden Oberschleißheims werden auf 13,2 Millionen Euro steigen.

Unter den Lokalpolitikern herrscht Einigkeit, dass jetzt dringend gehandelt werden muss. Mehrere Gemeinderatsmitglieder fanden deutliche Worte für die finanzielle Lage. "Letztes Jahr waren wir am Abgrund, heute sind wir einen Schritt weiter", sagte Spirkl von der SPD. Sebastian Riedelbauch (ÖDP) sieht ein strukturelles Problem in Oberschleißheim. "Wir geben einfach zu viel Geld aus im Verwaltungshaushalt. Wir haben die Leistungsfähigkeit der Gemeinde überschritten." Sein Vorschlag, eine Haushaltssperre zu verhängen, stieß allerdings auf keine große Akzeptanz und wurde mit neun zu vier Stimmen im Finanzausschuss abgelehnt.

Insbesondere die Personalkosten sehen viele kritisch. Laut Spirkl sind diese in den vergangenen knapp zehn Jahren um 65 Prozent gestiegen. Gleichzeitig habe die Gemeinde nicht genügend Einnahmequellen. Bessern soll sich das mit neuen Gewerbeflächen, die in der kommenden Zeit geschaffen werden sollen - in diesem Punkt stimmen die Fraktionen überein. Klar ist aber auch, dass das erst in einigen Jahren Einnahmen bringt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Neuhausen
:Justizzentrum wird später fertig

Der Vorplatz des neuen Strafjustizzentrums am Leonrodplatz ist eine kahle Fläche. Nach wie vor. Vorigen Sommer hieß es von städtischer Seite noch, man wolle vor Bayerns größter Hochbaustelle "fix" eine provisorische Gestaltung mit Großsträuchern ...

Von Ellen Draxel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: