Oberschleißheim:Als der Flugplatz zum Fliegerhorst wurde

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Hier ist der Eingang zum Fliegerhorst zu sehen. (Foto: Archiv Otto Bürger)

Die militärische Aufrüstung der Nazis war in Oberschleißheim deutlich zu spüren. Ortschronist Otto Bürger zeigt bei einer Fahrradtour Relikte aus dieser Zeit.

Von Gudrun Passarge, Oberschleißheim

Keine Frage: An Einwohnern konnte sich Schleißheim 1939 nicht mit München vergleichen. Gerade mal 3212 Bürger lebten dort. Aber was sie München voraushatten, war ein Flugplatz. Ortschronist Otto Bürger bezeichnet eben diesen Flugplatz als Kernpunkt aller Aktivitäten vor 80 Jahren.

Der "Fliegerhorst", wie die Nazis ihn nannten, stand im Mittelpunkt aller Entwicklungen in dem kleinen Ort rund um das Schloss. So wurde beispielsweise ein großes Schwimmbad für die Soldaten gebaut, das erst in den Achtzigerjahren abgerissen wurde, es entstanden mit der Feierabendsiedlung und der Siedlung in Mittenheim Wohnungen für Militärangehörige und fast hätte auch der Friedhof in Hochmutting verlegt werden müssen.

Otto Bürger hat wieder einmal zu einer Radltour rund um die Flugwerft eingeladen, um an die Historie zu erinnern. Diesmal an jene Zeit, die für heutige Menschen schwer zu fassen ist. Bürger berichtet von der Euphorie, die man aus Propagandafilmen kennt, "vom deutschen Geist", der auch in Schleißheim präsent war.

Das Schleißheimer Schwimmbad. (Foto: Archiv Otto Bürger)

Die dortige Ortsgruppe der NSDAP, die 1926 in der Schlossgaststätte gegründet wurde, erfreute sich laut Bürger "regen Zulaufs". In einer Broschüre zum zehnjährigen Bestehen der Gruppe rühmte man sich auch, dass Heinrich Himmler als Ehrengast bei der Gründung anwesend war. Der spätere SS-Chef Himmler hatte nach 1922 einige Zeit in Schleißheim in einer Düngemittelfirma gearbeitet.

Um den Zeitgeist zu verdeutlichen, zitiert Bürger aus dem Kneipp-Kalender von 1939, in dem der Laie nicht unbedingt politische Propaganda vermutet hätte. Dort heißt es: "In fünf Jahren ist ein geknechtetes, ausgeplündertes, kraftloses Reich Schlag auf Schlag aus seinen Fesseln herausgetreten, frei, stark und eine Weltmacht ersten Ranges geworden - und alles aus eigener Kraft." Doch nicht alle waren so begeistert. Bürger erinnert beispielsweise an den damaligen Standortpfarrer Josef Kranz, der, weil er seinen Ansichten treu blieb, ins Gefängnis nach Stadelheim kam.

Das Offizierskasino, von dem heute nur noch der Brunnensockel steht. (Foto: Archiv Otto Bürger)

In Schleißheim rührte sich etwas nach der Machtergreifung Hitlers. Der Flugplatz wurde zügig ausgebaut. Mit allem Komfort für die Soldaten. Dazu gehörte auch ein Schwimmbad mit einer 50-Meter-Bahn, das 1936 fertiggestellt wurde. Es befand sich gegenüber der Flugwerft, dafür wurde eigens der Karlsfelder Kanal zugeschüttet. Nach dem Krieg benutzten die Amerikaner das Bad, nach 1951 wurde es für die Bevölkerung geöffnet. Aber als eine Generalsanierung anstand, die damals auf circa 100 000 Mark gekommen wäre, habe sich der Gemeinderat entschieden, "das Geld doch besser gleich für ein neues Hallenbad auszugeben", sagt Bürger.

Bei seiner Radltour berichtet der Ortschronist bei den Junkershallen, wie schnell der Ausbau nach 1933 funktionierte. Die architektonisch einzigartigen Hallen in Lamellenbauweise mit Bogendächern gebe es so nur noch in Dessau und Schleißheim, führt Bürger aus. Sie gehörten schon zum "Deutschland der Zukunft". Weil der Flugplatz rasch ausgebaut werden sollte, mussten die Polizeiflieger bis 1934 weichen. Im Gespräch sei Oberwiesenfeld gewesen, aber das lehnte die Polizei wegen des Gasometers dort ab.

So wurde in Neubiberg ein neuer Flughafen geschaffen, damit sich die Militärflieger in Schleißheim ausbreiten konnten. Sie brauchten so viel Platz, dass ihnen auch der Friedhof in Hochmutting im Weg war. Es gab Verlegungspläne auf ein Grundstück im Berglwald, das die Gemeinde schon gekauft hatte. Allein der Kriegsbeginn vereitelte die Pläne. Dafür bekamen die Besucher des Friedhofs aber noch einen Kugelbunker, damit sie sich dort bei Beerdigungen unterstellen konnten, wenn es Fliegeralarm gab.

Otto Bürger hatte außer dem "Völkischen Beobachter" von 1939 auch viele Fotos dabei, die Schleißheim vor circa 80 Jahren zeigen. (Foto: Robert Haas)

Einem Radler fallen die Hügel in dem doch sehr flachen Gelände rund um die Sportanlage des FC Phönix auf. "Sehr gute Frage", sagt Bürger hoch erfreut. Hier sei der Schutt der Gebäude gelandet, die in den Dreißigerjahren gebaut und in den Achtzigerjahren abgerissen wurden. Sie sind allgegenwärtig, die Spuren der Vergangenheit, und es bedarf solcher Menschen wie Otto Bürger, die noch wissen, wo sie zu finden sind und was sie bedeuten.

© SZ vom 16.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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