Oberschleißheim:Abschied von der Pionier-Kita

Lesezeit: 3 min

Das Pfarrer-Kranz-Haus beherbergte einst den ersten Kindergarten Oberschleißheims. Nun soll es mit dem dahinter liegenden neueren Kindergarten abgerissen werden. (Foto: Robert Haas)

Das Pfarrer-Kranz-Haus und der Kindergarten Maria Patrona Bavariae in Oberschleißheim sollen Wohnhäusern weichen.

Von Klaus Bachhuber

Einst wurde hier am Ortsrand der älteste Kindergarten in Oberschleißheim errichtet, eine Pioniertat in weiter Umgebung. Auf dem großzügigen Grundstück dahinter entstand später ein modernerer Kindergarten, den in den vergangenen 50 Jahren Generationen von Schleißheimern besuchten. Nun werden beide geschleift. Die Kirchenstiftung Maria Patrona Bavariae ordnet ihre Liegenschaften neu und will auf dem Areal an der Freisinger Straße Wohnungen bauen. Entstehen sollen rund 40 Wohnungen, die nach Aussage des Katholischen Pfarrverbands "sozialgerecht" vermietet werden sollen.

Der Kindergarten "Maria Patrona Bavariae" kann nach Analysen des Pfarrverbands nicht mehr mit vertretbarem Aufwand saniert werden. Das Gebäude soll abgerissen werden, der Kindergarten von der Peripherie in die Mitte von Alt-Schleißheim umziehen, in einen Neubau im Kontext von Kirche und Pfarrheim. Auch das sogenannte Pfarrer-Kranz-Haus, einst erster Kindergarten, später Wohnheim der Niederbronner Klosterschwestern, ist laut Pfarrverband zu baufällig, um es erhalten zu können.

Newsletter abonnieren
:SZ Gerne draußen!

Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.

Stattdessen soll das lang gestreckte Grundstück zwischen Freisinger und Holzhackerstraße mit zwei Wohnzeilen in Nord-Süd-Richtung bebaut werden. An der Freisinger Straße wird wieder ein Querriegel wie das jetzige Pfarrer-Kranz-Haus entstehen. Darin sollen im Erdgeschoss Läden oder Büros entstehen, darüber Studentenwohnungen. Die Wohnzeilen dahinter sollen die natürliche Senke in dem Grundstück für eine Art oberirdischer Tiefgarage nutzen; die Stellplätze bilden die erste Ebene der Bebauung, die Wohnungen ordnen sich auf bis zu vier Etagen darüber an.

Allerdings hat der Gemeinderat die Pläne zunächst gestoppt. Der Bauausschuss lehnte es mit sieben zu sechs Stimmen ab, einen Bebauungsplan für das Projekt aufzustellen. Erst soll eine rechtsgültige Genehmigung den Neubau des Kindergartens im Pfarrzentrum sichern, um diesen Übergang sicher vollziehen zu können. An dieser Umsiedlung wird bereits seit acht Jahren geplant. Einer Voranfrage hatte der Gemeinderat bereits zugestimmt. Derzeit handeln das Rathaus und das Erzbischöfliche Ordinariat die Kostenaufteilung aus. Ein abgestimmter Entwurf hat dieser Tage das Ordinariat verlassen und könnte nun dem Gemeinderat vorgelegt werden.

Die Baupläne jedenfalls wären bereits fertig. Primäres Ziel an der Freisinger Straße sei es, Wohnungen für eigene Mitarbeiter zu schaffen, sagt Pfarrer Uli Kampe, also vorrangig für Beschäftigte in den beiden Kindertagesstätten des Pfarrverbandes. Über das Konzept der "Sozialen Bodennutzung" erhielte auch die Gemeinde Zugriffsrechte auf etwa ein Drittel der Wohnungen, die dann ebenfalls zu vergünstigten Mietpreisen vergeben würden.

Ein weiteres Projekt, das den Plänen zumindest gedanklich anhängt, ist das Ziel des Kranken- und Altenpflegevereins, in Oberschleißheim eine Wohngruppe für Demente zu installieren. Momentane Absicht wäre es, diese Einrichtung im großen Siedlungsprojekt des Katholischen Männerfürsorgevereins in Mittenheim vorzusehen, erläutert Kampe. Sollte dies scheitern, könne man eine derartige Einrichtung im Neubau an der Freisinger Straße einplanen.

Bereits 1902 wurden hier Kinder betreut

Fallen muss für das Projekt das Pfarrer-Kranz-Haus. 1902 wurde es in Beisein einer Wittelsbacher Prinzessin eröffnet als erster Kindergarten weit und breit. Diese Pioniertat war in Oberschleißheim deshalb akut, weil seit Mitte der 1860er-Jahre der Kunstagent und Maler Wladimir Swertschkoff in seiner Villa an der Freisinger Straße eine von ihm privat finanzierte "Kinderaufbewahrungsanstalt" eingerichtet hatte. Nach deren Wegfall war der Bedarf geweckt und der Nutzen offensichtlich, sodass sich ein "Kinderhort-Verein" etablierte, der mit dem Neubau unweit der Villa eine Nachfolgelösung initiierte.

Als die Niederbronner Klosterschwestern 1926 zur Kinderbetreuung, Krankenpflege und Altenfürsorge geholt wurden, wies man ihnen Wohnungen im Kinderhort an. Zur Zeit des Nationalsozialismus erhielten die Schwestern Arbeitsverbot, ihr Wohnheim wurde der "NS-Volkswohlfahrt" zugeschlagen und als Wohnungen vergeben. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs kehrten die Schwestern zurück. Der Kindergarten, den auch Kinder aus Lohhof, Hochbrück und Großnöbach besuchten, wurde nun zu klein. 1957 wurde ein Anbau angesetzt, der nun auch zwei unterschiedliche Zugänge für Kindergarten und Schwesternheim vorsah.

1968 wurde mit dem Bau der Parksiedlung der Kindergarten St. Wilhelm als zweiter Kindergarten in Oberschleißheim eröffnet. Dennoch wuchs auch der Platzbedarf im alten Kindergarten an der Freisinger Straße, sodass 1973 im großzügigen Garten ein Neubau eröffnet wurde. 1985 verließen auch die Niederbronner Schwestern den Ort und damit das Gebäude. Zu Ehren des verdienten Ortspfarrers, der von 1919 bis 1961 in Oberschleißheim wirkte, wurde es Pfarrer-Kranz-Haus genannt.

In der Folge wurde es für die unterschiedlichsten Nutzungen eingesetzt, die im Umfeld der Kirche gerade angefragt waren. Unter anderem beherbergte es in den vergangenen Jahren eine Kurzzeit-Seniorenpflege der Caritas, eine Tagesstätte für psychische Gesundheit, eine mobile Caritas-Werkstätte; aktuell ist es an eine Firma vermietet, die dort Arbeiterwohnungen unterhält.

Pfarrer Kampe bescheinigt dem historischen Gebäude durchaus einen "emotionalen Wert", daher sei der Abriss auch "gut diskutiert" worden. Zwei Gutachten hätten ergeben, dass ein Erhalt mit Umbau, angedacht insbesondere für die Demenz-WG, in die Millionen gehe und sich daher nicht rechne. Unbedingt vorgesehen sei aber, unverzüglich eine andere Widmung zu Ehren von Pfarrer Kranz vorzunehmen, um dessen Andenken zu würdigen.

© SZ vom 09.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: