Oberhaching:Sonnenbrille auf beim Fahrradkauf

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Bürgermeister Stefan Schelle versteigert während des Wochenmarkts auf dem Kirchplatz in Oberhaching Fahrräder. Auch der Verkäufer vom Fischstand hat Interesse. (Foto: Sebastian Gabriel)

Der Oberhachinger Bürgermeister versteigert auf dem Kirchplatz Fundräder, die niemand abgeholt hat. Ein Zwölfjähriger bietet fleißig mit und schiebt am Ende gleich fünf nach Hause.

Von Iris Hilberth, Oberhaching

Am Oberhachinger Kirchplatz stehen im Schaufenster des Radl-Geschäfts die neuesten E-Bikes. Schnell ist man für ein solches Hightech-Gefährt knapp fünftausend Euro los, für besondere Modelle sogar das Doppelte - obwohl sie heruntergesetzt sind. Direkt gegenüber hat an diesem Nachmittag die Gemeinde einige Fahrräder aufgebaut, die sie gerne loswerden will. Ohne Akku zwar, viele auch nicht mehr ganz neu, dafür aber richtig günstig.

Die Rathausverwaltung räumt regelmäßig die Garage des Fundbüros leer. Dann steht der Bürgermeister persönlich auf dem Kirchplatz und versteigert die Räder. Sechs Monate lang müssen die Mitarbeiter im Rathaus die abgegebenen Gegenstände aufbewahren. Anschließend kann der Finder sie abholen oder die Gemeinde sie entsorgen. Was vor allem bei den Fahrrädern oft zu schade wäre, einige sehen fast aus wie neu. Sie stehen aufgereiht vor dem Feinkostladen inmitten der Stände des Wochenmarkts: winzige Kinderräder, schicke Rennräder, schwere Hollandräder. Durchnummeriert, Besitzer unbekannt.

"30 Euro, für dieses schöne Radl, wer gibt mir mehr?", ruft Stefan Schelle in die Runde, klopft auf den Sattel, dreht an dem Lenker - etwa um zu beweisen, dass dieses Zweirad "sicher noch hundert Jahre hält", wie der Bürgermeister prophezeit. Schließlich findet er einen Abnehmer. Für 105 Euro kann der neue Besitzer es mitnehmen, das Geld spendet die Gemeinde wie alle Einnahmen dieser Auktion an die Nachbarschaftshilfe oder das Inklusionsprojekt im Bahnhofsgebäude.

Und weiter geht es mit einem fast neuwertigen Jugendfahrrad mit Scheibenbremsen. Der Bürgermeister versucht den Preis nach oben zu treiben: "Es ist das Highlight des Tages", motiviert er die Umstehenden zum Mitbieten. "60 Euro, wer bietet mehr? 70 Euro, hier 80 Euro, 110, zum Ersten, zum Zweiten..." Ein Rad nach dem anderen geht weg.

Mittendrin in der Versteigerung steht der zwölfjährige Max mit Sonnenbrille und Pokerface hebt er immer wieder die Hand für das nächste Gebot. Nach dem dritten ersteigerten Fahrrad signalisiert ihm seine Mutter, dass es jetzt reicht, und ruft schon mal den Vater an, er möge mit dem Auto kommen. Am Ende schiebt Max fünf Fahrräder vom Kirchplatz, alle mit kleinen Macken, verrosteten Ketten aber einigermaßen fahrtüchtig. "Fahrräder reparieren und herrichten ist sein Hobby", sagt die Mutter und zuckt lächelnd mit den Schultern. Sie findet das besser als Computerspielen.

Maximillian mit seinen ersteigerten Fahrrädern. (Foto: Sebastian Gabriel)

14 Räder hat die Gemeinde an diesem Nachmittag versteigert. Dass einige im Fundbüro nicht abgeholt worden sind, wundert Bürgermeister Schelle auch. "Das hier ist doch nagelneu", sagt der CSU-Kommunalpolitiker und zeigt auf ein Mountainbike. Er erklärt sich das so, dass wohl einige Räder in Nachbarorten gestohlen und dann einfach in Oberhaching stehen gelassen werden. "Die Besitzer kommen eben nicht drauf, bei uns mal nachzufragen", sagt er. Ein Fahrrad verliert man schließlich nicht einfach so, wie man vielleicht eine Brille verlegt, einen Schirm vergisst oder ein Schlüssel aus der Tasche rutscht. Laut Polizeistatistik wurden zwischen 2012 und 2022 in München und im Landkreis im Schnitt pro Jahr 6539 Fahrräder geklaut. Das sind fast 18 Räder täglich. Und mache davon landen einfach im Gebüsch oder lehnen nicht abgesperrt an einem Zaun. "Viele stehen auch lange Zeit am Bahnhof", so Schelle. Immer wieder melden die Leute einsame Fahrräder, die offenbar keiner vermisst. In den Fundmeldungen, die die Gemeinde monatlich im Gemeindeblatt "Kybergnachrichten" veröffentlicht, sind stets einige Fahrräder dabei.

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