Straßennamen:Für Frauen ist in Oberhaching weiter kein Platz

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Männer über Männer: Eine Franz-Josef-Strauß-Straße gibt es in Oberhaching auch. (Foto: Claus Schunk)

Der Gemeinderat benennt einen neuen Weg nach Altbürgermeister Hans Stelzer. Die Grünen hätten gerne für eine Namensgeberin gestimmt, doch schaffte es keine auf die Vorschlagsliste.

Von Iris Hilberth, Oberhaching

Wenn ein Neubaugebiet erschlossen wird, kommt dem Gemeinderat die ehrenvolle Aufgabe zu, sich Straßennamen für die zukünftigen Adressen zu überlegen. Es sind Festlegungen für die Personalausweise, die Briefköpfe, die Visitenkarten und für die Ewigkeit. Daher muss gut abgewogen werden, wie die Straßen heißen sollen. Für das Neubaugebiet am Grünwalder Weg in Oberhaching standen in der Sitzung am Dienstagabend zwei Namen zur Abstimmung: Dr.-Rupprecht-Gerngross-Weg und Hans-Stelzer-Weg. Sie stammen von einer längeren Liste der Verwaltung mit zahlreichen Persönlichkeiten aus dem Ort - allerdings nur Männer.

Das finden die Grünen im Gemeinderat nicht mehr zeitgemäß und forderten daher mehr Frauennamen auf den Straßenschildern. Denn bislang gibt es in Oberhaching nur eine einzige Straße, die nach einer Frau benannt ist: den Ilse-Weitsch-Weg. Durchgesetzt haben sich die Grünen mit ihrem Ansinnen, Oberhachings Infrastruktur weiblicher zu machen, nicht. Die neue Straße wird Hans-Stelzer-Weg heißen.

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"Wir haben nichts gegen Herrn Stelzer oder Herrn Gerngross", begann Grünen-Gemeinderätin Valentina Eckel ihr Plädoyer für eine Frauen-Straße. "Aber wir haben 2023", sagte sie, und Ilse Weitsch stehe in Oberhaching ziemlich allein da. "Um sie herum viele Männer. Der Ilse-Weitsch-Weg trifft direkt auf die Franz-Josef-Strauß-Straße, in der Nähe finden sich der Pfarrer-Hobmair- sowie der Fritz-König-Weg." Auf dem Oberhachinger Ortsplan hat sie mindestens acht weitere Männernamen gefunden, die Josef-, Hubertus- und Karlstraße mal nicht mit eingerechnet.

BR-Journalistin Ilse Weitsch. Nach ihr wurde eine Straße in Oberhaching benannt. (Foto: BR, Historisches Archiv)
Hans Stelzer, Altbürgermeister Oberhaching (Foto: Hachinger Heimatbuch Karl Hobmair)

"Für die meisten wird es nur eine Straße sein, aber es ist ein Zeichen, eine klitzekleine Gelegenheit, aber im Ziele der Gleichstellung von Mann und Frau, die der Gemeinderat nun wieder verstreichen lassen will", warb Eckel um Zustimmung, einen Frauennamen zu finden. Vor allem weil es eine Frau noch nicht einmal geschafft hat auf die Vorschlagsliste zu kommen, ausgerechnet am Equal-Pay-Day, einen Tag vor dem Weltfrauentag. "Es geht um Sichtbarkeit und Repräsentation", betonte auch Fraktionskollegin und Dritte Bürgermeisterin Nina Hartmann, "mit Blumen am Weltfrauentag ist es nicht getan." Weibliche Vorbilder seien wichtig, fanden die Grünen und hatten sogar einen Vorschlag: Josefine Schlager, die bei der Weißen Rose und maßgeblich im örtlichen Kirchenchor aktiv gewesen sei.

Nun also doch Hans Stelzer, der ehemalige Bürgermeister. "Er ist sicher ein Vorbild für Männer und Frauen. Genauso wie Josefine Schlager ein Vorbild für Männer und Frauen sein kann", sagte Bürgermeister Stefan Schelle (CSU). Und um den Verdacht zu entkräften, nur Männer als Vorbilder zu akzeptieren, betonte er: "Ich bin mit sechs Schwestern großgeworden." Übrigens könne man ja die nächste Straße dann nach Josefine Schlager benennen.

Bevor aber die Entscheidung zugunsten Hans Stelzer getroffen wurde, galt es auch noch etwas klar zu stellen, und das hängt seit vielen, vielen Jahren im Sitzungssaal des Rathauses. Dort sind Porträts von Ehrenbürgern an der Wand neben dem Eingang platziert, darunter auch die Zeichnung von Altbürgermeister Stelzer, geboren 1895, gestorben 1979. Laut dieser Hinweistafel "Kommissarischer Bürgermeister in Oberhaching von 1942 bis 1948", anschließend 1. Bürgermeister bis 1952. Bislang war offenbar noch niemandem aufgefallen, dass die kommissarische Amtsperiode, wie sie hier geschrieben steht, Fragen aufwirft.

So ergriff Erwin Knapek, Oberhachinger SPD-Gemeinderat und ehemaliger Bürgermeister von Unterhaching, zu Beginn der Sitzung das Wort, um klarzustellen, dass der neue Namenspatron keineswegs in der Nazi-Zeit Bürgermeister von Oberhaching gewesen sein könne. Erst nach dem Krieg sei er von den Amerikanern kommissarisch eingesetzt worden. Vielmehr habe Stelzer sich 1944 mit vier weiteren Männern aus Deisenhofen der Freiheitsaktion Bayern unter dem Hauptmann Gerngross angeschlossen. Knapek zitierte aus dem Hachinger Heimatbuch von Karl Hobmair: "1. Mai 1945, 5 Uhr früh: Hans Stelzer entschließt sich, den Amerikanern mit dem Fahrrad entgegenzufahren, um eine kampflose Übergabe zu erreichen..." Was es aber mit der Jahreszahl 1942 auf der Tafel auf sich hat, kann sich im Rathaus keiner erklären. Da sei wohl falsch abgeschrieben worden, vermutet Bürgermeister Schelle, "wir müssen das prüfen".

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