Die Münchner Staatsanwaltschaft und die katholische Kirche schweigen zur Durchsuchung im Erzbistum - das bayerische Justizministerium dagegen bestätigt sie nun offiziell. Demnach waren die Fahnder auf der Suche nach einem angeblichen "Giftschrank" mit versteckten Unterlagen zum Missbrauchsskandal. Mehrere Staatsanwälte und Kriminalbeamte kamen, ausgestattet mit einem richterlichen Durchsuchungsbeschluss, am 16. Februar ins Ordinariat, die Verwaltungszentrale des Bistums, und ins Erzbischöfliche Palais, den Amts- und Wohnsitz von Kardinal Reinhard Marx. Gegen ihn und die übrige aktuelle Bistumsspitze richtet sich nach SZ-Informationen kein Verdacht; das Ministerium macht dazu keine Angaben.
Auf Fragen des FDP-Landtagsabgeordneten Matthias Fischbach schreibt diesem ein hochrangiger Ministerialbeamter über den Verdacht der Staatsanwaltschaft: "Frühere kirchliche Verantwortungsträger" im Erzbistum München und Freising könnten einen wegen Missbrauchs vorbestraften Priester wieder als Seelsorger eingesetzt "und nicht unterbunden haben, dass er erneut mit Kindern in Kontakt tritt".

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Nach SZ-Informationen beziehen sich die Ermittlungen auf einen Fall aus dem Missbrauchsgutachten. Darin wird geschildert, wie die Kirche mit einem inzwischen verstorbenen Priester umging, der in den 60er-Jahren zu fünf Jahren Haft verurteilt worden war. Nach seiner Haftentlassung wurde er als Klinikseelsorger eingesetzt. Vorwürfe aus den 2000er-Jahren, wonach der Priester eine "zu intensive Nähebeziehung zu den Krankenhausministranten" pflege, seien laut Gutachten kirchenintern nie aufgeklärt worden.
Nun teilt das Ministerium mit, zwei Zeugen hätten den Ermittlern berichtet, dass es in den Räumen des Erzbistums einen Tresor oder "eine Art ,Giftschrank' geben soll", in dem sich Akten zu Missbrauchsfällen befinden könnten. Die Durchsuchung habe jedoch "nicht bestätigt", dass das Erzbistum Dokumente zu Missbrauch zurückgehalten habe. "Weder in dem Tresor noch in dem vermeintlichen ,Giftschrank' wurden verfahrensrelevante Unterlagen aufgefunden."
Bistumsangehörige hätten während der Durchsuchung zwar bestätigt, "dass es früher tatsächlich eine solche Aufbewahrungspraxis gegeben habe. Diese sei aber schon vor vielen Jahren beendet worden." Bestätigt wird dies laut Ministerium durch drei aufgefundene Papiere. Aus ihnen ergebe sich, wie früher offenbar separierte Unterlagen in die regulären Akten überführt worden seien. Ansonsten habe man keine bislang unbekannten Unterlagen gefunden. Das Erzbistum betont seit Jahren, dass man mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeite und alle gewünschten Papiere herausgebe.
FDP-Mann Fischbach hält die Durchsuchung für "überfällig". Schon lange habe seine Partei die bisherige Praxis der Ermittler kritisiert, "nur gutgläubig Akten der Kirchenverwaltung entgegenzunehmen". Nun müsse die Justiz aufklären, wer im Erzbistum für die früheren Geheimakten verantwortlich sei. Die Frage sei, so Fischbach, ob durch die "heimlichen Parallelakten" womöglich Strafvereitelung betrieben worden sei.