Jobwerkstatt Oberhaching:Lernen, was geht

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In der Kolping-Jobwerkstatt finden Jugendliche eine Möglichkeit, sich auszuprobieren. Die Mittelschüler aus der Praxisklasse werden qualifiziert - auch im Umgang miteinander und künftigen Vorgesetzten.

Von Christina Hertel, Oberhaching

Ein Praktikum gehört in der Mittelschule dazu. Aber in der sogenannten Praxisklasse in Oberhaching sitzen zum Teil Schüler, die keines finden würden oder in einem normalen Betrieb überfordert wären. Für Schüler wie sie hat die Kolping-Bildungsagentur eben diese Jobwerkstatt geschaffen. Klaus Dexl, der Geschäftsführer der Firma Walleitner in Oberhaching, stellt dafür einen Teil seiner Werkhalle zur Verfügung. Die Jugendlichen lernen dort Schreinern und Lackieren. Später soll noch Gärtnern und Kochen dazukommen. Und wenn mal etwas schiefgeht, ist es auch nicht so schlimm.

"Wir gehen hier positiv mit Fehlern um. Die Jugendlichen sollen daraus lernen", sagt Thomas Jaud, der als Sozialpädagoge für die Jobwerkstatt arbeitet und selbst gelernter Handwerker ist. Für die nächsten zwei Schuljahre wird die Jobwerkstatt vom Landkreis München finanziert. Nicht nur Schüler aus Oberhaching besuchen sie, das Angebot richtet sich an alle Mittelschulen des Schulverbundes Hachinger Tal und Isartal. Gleichzeitig können maximal sechs Schüler kommen.

Die Arbeit gibt das Gefühl, nützlich zu sein

Feit hat gerade zwei Wochen in der Jobwerkstatt hinter sich. "Die Zeit ist schneller vergangen als in der Schule", sagt er. Weil er in der Jobwerkstatt die ganze Zeit etwas zu tun hatte. Weil er mit seinen Händen etwas herstellte, was man danach auch gebrauchen konnte. Und weil ihm dies das Gefühl gab, nützlich zu sein.

Die Jobwerkstatt ist neu, und bevor die Mittelschüler aus Oberhaching loslegten, war sie quasi leer. Die Jugendlichen haben Pinnwände, Kisten und Regale gebaut und Wagen, mit denen die Maschinen jetzt leichter transportiert werden können. "Es war schon ein gutes Gefühl, die Stücke danach in den Händen zu halten", sagt Feit. Er ist 15 und geht in die achte Klasse.

In seiner Klasse sitzen Jugendliche, die "durch das Schulraster gefallen sind". Sie kommen aus dem ganzen südwestlichen Landkreis. Im vorigen Schuljahr sind sie vielleicht noch in die Mittelschule in Putzbrunn oder Taufkirchen gegangen, aber weil sie eine normale Klasse nicht mehr gepackt hätten oder weil sie von der Schule geflogen sind, besuchen sie jetzt die Praxisklasse von Alexandra Mayrhofer.

Der Unterricht ist, wie der Name schon sagt, praxisnah. Ein bisschen Allgemeinbildung, ein bisschen Geometrie, ein bisschen Deutsch und Geschichte. "Alles so, wie sie es später auch brauchen können", sagt Mayrhofer. Es ist vorgesehen, dass die Praxisklasse etwa alle fünf Wochen ein Praktikum macht. Viele finden auch eins, manche aber eben nicht - und die können in die Jobwerkstatt gehen.

Thomas Jaud hat gute Erfahrungen mit den Schülern aus der P-Klasse gemacht. "Ich habe gemerkt, dass sie das Ganze sehr ernst nehmen", sagt er. In der Jobwerkstatt sollen die Jugendlichen auch lernen, wie ein normaler Umgang am Arbeitsplatz aussieht - sowohl untereinander als auch dem Vorgesetzten gegenüber. "Wir bringen ihnen bei, dass Sprüche wie ,fick dich' und ,eh, du Arschloch' am Arbeitsplatz nicht gehen."

Jaud wird in der Jobwerkstatt von Verena de Biaso und Mona Binder unterstützt. Sie sind beide gelernte Hauswirtschafterinnen und haben Lehramt studiert. Mit den nächsten Schülern wollen sie auch kochen, im Frühling vielleicht gärtnern. Jetzt haben sie mit den Jugendlichen Dekoration gebastelt und viele Fragen rund um das Arbeitsleben beantwortet. "Die Schüler sollen hier ja nicht zum Schreiner ausgebildet werden, sondern eher eine Idee bekommen, was ihnen liegen könnte."

Oberhachinger Unternehmen zeigen Interesse an dem Projekt

Jaud freut besonders, dass die Unternehmen in Oberhaching interessiert an der Jobwerkstatt sind. "Ein paar sind sogar vorbeigekommen und haben sich alles angeschaut." Kein Wunder, denn die Schüler von heute könnten ihre Auszubildenden von morgen sein. Auch im Landkreis München wird es schwieriger, Lehrlinge zu finden. Laut der Bundesagentur für Arbeit waren im August 2015 im Landkreis München 656 Ausbildungsstellen unbesetzt.

Jaud sagt, seine Hauptaufgaben seien, die Schüler für die Arbeit zu motivieren, ihnen Durchhaltevermögen, Sorgfalt und Disziplin beizubringen. Das sind auch die Punkte, die von Ausbildungsbetrieben immer wieder bemängelt werden. Das zeigt eine Umfrage der Industrie- und Handelskammer. Diese befragte im Frühjahr 2014 rund 630 Unternehmen in Oberbayern. Mehr als 70 Prozent gaben an, dass die Schulabgänger eine "mangelnde Ausbildungsreife" hätten.

Fast die Hälfte kritisierte das "mündliche und schriftliche Ausdrucksvermögen", die "Disziplin" sowie die "Leistungsbereitschaft und die Motivation". Etwa 40 Prozent stellten Mängel bei den "elementaren Rechenfertigkeiten" fest. "Ich erlebe oft, dass Unternehmen auch bereit sind, schwächere Schüler einzustellen, wenn die Motivation stimmt", sagt Jaud. Tatsächlich bieten mehr als ein Drittel der befragten Unternehmen ihren Auszubildenden Nachhilfe an.

Die Jugendlichen bekommen Orientierung und Selbstbewusstsein

In der Jobwerkstatt sollen die Schüler auch lernen, was zum Arbeitsalltag dazu gehört - zum Beispiel, sich rechtzeitig krank zu melden, "Guten Morgen" zu sagen und Verträge zu unterschreiben. Viele der Jugendlichen, die jetzt in der Jobwerkstatt waren, wüssten noch gar nicht, was sie mit ihrem Leben anfangen und was sie werden wollten, sagt Jaud. Das kritisieren auch die von der IHK befragten Unternehmen: Mehr als die Hälfte sagten, die "unklaren Berufsvorstellungen" der Schüler seien ein echtes Ausbildungshemmnis.

Feit, der in der Oberhachinger Jobwerkstatt dabei war, weiß auch noch nicht so genau, was er werden will. Das nächste Mal will er auf jeden Fall ein richtiges Praktikum machen - vielleicht als Zimmerer. Das traut er sich jetzt zu.

© SZ vom 23.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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