Läuft man zwischen den Bürogebäuden in Glas-, Holz- und Lamellenoptik am Infineon-Campeon in Neubiberg hindurch, dann fühlt man sich wie in einer großen Hotelanlage im Grünen. In der Mitte der meist dreistöckigen Bauten, umgeben von sieben Seen, können die Mitarbeiter am Anger unter Bäumen Meetings abhalten, sich im Café oder Restaurant entspannen und ihre Kinder in der firmeneigenen Kindertagesstätte abgeben.
"Es ist ein Standort, an dem Wissensarbeit geleistet wird. Wir legen sehr viel Wert auf gute Arbeitsbedingungen, die dabei unterstützen", sagt Ralf Memmel, Sprecher der Betriebsleitung Campeon.
Dass das funktioniert, kann man sich als Besucher gut vorstellen. Noch vor 15 Jahren bestand das südwestliche Eck von Neubiberg aus Wiese. Heute befindet sich dort der Hauptsitz des Halbleiter-Herstellers Infineon. Es ist der größte Entwicklungsstandort der Firma weltweit. Mitte Juli hat der Campeon bei einem Fest mit Familie und Freunden sein zehnjähriges Bestehen gefeiert.
Lebensraum für bedrohte Tierarten
Infineon war ursprünglich die Halbleitersparte von Siemens und auf neun Standorte in München verteilt. "Ich weiß noch, wie viel ich damals Auto gefahren bin von Standort zu Standort", sagt Memmel. Schließlich fiel die Entscheidung für einen Standort und zwar in Neubiberg. Infineon bekam die Ausnahmegenehmigung, im Regionalen Grünzug zu bauen. Von November 2003 bis Oktober 2005 war dort eine der damals größten Baustellen Europas zu erleben, 16 000 Tonnen Betonstahl wurden verbaut. Gleichzeitig wurde der Campeon zum Lebensraum für schützenswerte Tierarten. 2005 wurden 7000 Moderlieschen in die Seen eingesetzt. Diese Fischart steht auf der Roten Liste Bayern und gilt als schützenswert. Auch einige andere gefährdete Tiere wie die Wechselkröte und die Kleine Zangenlibelle fanden dort eine Heimat.
In dem Areal im Grünen wird der Konzern geführt und es wird an wichtigen Technologien und Produkten getüftelt, die laut Memmel das Leben einfacher, sicherer und umweltfreundlicher machen sollen. Die Ingenieure entwickeln beispielsweise Halbleiter für effiziente Antriebsstränge in Motoren, elektronische Lösungen für die Steuerung von Leistungsantrieben in der Industrie und Chips für Gesundheitskarten. Infineon bietet auch ganze Systemlösungen.
Das Unternehmen ist heute in den vier Geschäftsbereichen Automotive, Industrial Power Control, Power Management & Multimarket und Chip Card & Security aktiv. Die Speicherchip-Sparte wurde 2006 unter dem Namen "Qimonda" ausgegliedert. 2011 verkaufte Infineon seinen Bereich "Wireless Solutions" an die Firma Intel. Heute firmiert der Bereich unter dem Namen Intel Mobile Communications GmbH und ist ebenfalls am Campeon ansässig.
Halbleiter können unseren Alltag einfacher machen
Zukunftsweisend könnte eine recht neue Entwicklung am Standort sein: Infineon hat gemeinsam mit Google und Partnerunternehmen Prototypen eines Lautsprechers und einer Smartwatch entwickelt, die per Gesten gesteuert werden können. Die Radar-Technologie könnte auch für zahlreiche andere Geräte genutzt werden. "Bedienknöpfe oder Schalter werden in vielen Bereichen überflüssig. Es ist ein Beispiel dafür, wie Halbleiter unseren Alltag einfacher machen können", sagt Memmel. Dem Unternehmen mit seinen weltweit 35 000 Mitarbeitern (Stand Ende September 2015), in Neubiberg sind es mehr als 3700 aus etwa 70 Nationen, geht es sehr gut. Im vergangenen Geschäftsjahr verzeichnete es einen Umsatz von 5,8 Milliarden Euro. Das sind 34 Prozent mehr als im Vorjahr.
So gut liefen die Geschäfte nicht immer. Das Unternehmen, auch der Standort Neubiberg, erlebte turbulente Zeiten. 2009 wurde am Campeon von April bis Oktober kurzgearbeitet. Ebenfalls 2009 meldete Qimonda Insolvenz an und hinterließ dem Mutterunternehmen einen großen Schuldenberg. "Inzwischen hat sich Infineon sehr gut entwickelt; wir sind Technologie- und Marktführer in wichtigen Wachstumsfeldern wie Elektromobilität oder autonomes Fahren", sagt der Sprecher der Betriebsleitung. Die Zahlen sprechen für sich. Auf einem Baufeld im Süden des Campeon sollen Büros für weitere 800 Mitarbeiter entstehen.
Gelebte Work-Life-Balance
Es scheint das Konzept aufgegangen zu sein, den Campeon zu einem Standort zu machen, an dem Kommunikation und Austausch gefördert werden und an dem unsere Beschäftigen auch untertags die Work-Life-Balance leben können, wie Memmel sagt. Claudia Fischer, Assistentin der Pressestelle, schätzt beispielsweise die angenehme Temperierung der Räume durch eine so genannte thermische Bauteileaktivierung, genießt aber auch "dass der Campeon ein offenes und öffentliches Gelände ist".
Als die Reporterin das Firmengelände in Neubiberg verlässt, trainieren gerade ein paar Mitarbeiter im firmeneigenen Fitnessstudio, ein Jogger läuft vorbei und ein paar Blesshühner lassen sich auf einem der Seen treiben.