Öffentlicher Nahverkehr:Gewerkschaft droht mit Streik zur Wiesn-Zeit

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"Am 7. September wird es knallen": Beim Tarifstreit der kommunalen Verkehrsbetriebe in Bayern stehen die Zeichen auf Streik. Für München wäre das fatal - denn die Wiesn wäre betroffen.

Marco Völklein

Von den Fahrgästen reden beide Seiten: "Mit unseren Maßnahmen wollen wir nicht die Fahrgäste treffen, sondern die Arbeitgeber", sagt Willi Russ, zweiter Vorsitzender der dbb Tarifunion. Und Herbert König, Chef der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), warnt seine Belegschaft davor, "die Fahrgäste massiv gegen sich aufzubringen." Klar aber ist: Sollten vom 7. September an die Fahrer der MVG streiken, wird es wohl ganz erheblich die Fahrgäste treffen.

Menschenleerer U-Bahnhof München-Marienplatz im Jahr 2009 während des Streiks im Öffentlichen Nahverkehr. Die Lokführer drohen, während des Oktoberfests erneut zu streiken. (Foto: lok)

Gewerkschafter Russ hält es für wahrscheinlich, dass der Streik kommt: Von Mittwoch an wird die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) ihre Mitglieder bei der MVG und den anderen kommunalen Verkehrsbetrieben in Bayern in einer Urabstimmung befragen. Votieren mindestens 75 Prozent für einen Streik, wird es wohl vom 7.September an "knallen", so der dbb-Funktionär: "Ich bin mir sicher, dass die 75 Prozent erheblich übertroffen werden." Die dbb führt im Auftrag der GDL die Tarifgespräche. Streikschwerpunkte könnten laut Russ München, Nürnberg und Augsburg sein, aber auch Aktionen in kleineren Orten, etwa bei den Stadtwerken Dachau, seien möglich.

Was die Gewerkschaft genau plant, lässt Russ noch im Ungefähren. Möglich wäre zum Beispiel zunächst ein Streik der Fahrscheinkontrolleure. Russ: "Wir planen am Anfang kein Riesenchaos, sondern haben ein abgestuftes Streik-Szenario." Das könnte am Ende aber auch die Wiesn treffen, die am 18.September beginnt, also mitten in die Streikphase fällt, sollten sich die Tarifparteien nicht vorher einigen.

Russ verweist auch aufs Nürnberger Altstadtfest und den Augsburger Herbstplärrer. Streiks rund um diese Volksfeste "schließe ich ausdrücklich nicht aus", so der Gewerkschafter: "Wir werden nicht Däumchen drehen, nur weil gerade Oktoberfest ist." In der Tat würde beispielsweise ein Ausstand der U-Bahn-Fahrer an einem Wiesn-Wochenende für gewaltiges Chaos in der gesamten Stadt sorgen.

MVG-Chef: "Ich glaube nicht an Streiks"

Die spannende Frage aber ist, ob es der GDL gelingt, genügend Fahrer zu mobilisieren. Konkrete Zahlen zu Mitgliedern und Organisationsgrad wollte Russ nicht nennen. Nur so viel: "In München und Nürnberg können wir die Mehrzahl des Fahrpersonals organisieren." Laut MVG sind dort 1300 Fahrer beschäftigt: 350 bei der U-Bahn, 420 bei der Tram und 530 in der Bussparte. In den MVG-Werkstätten arbeiten 1200 Leute. "Auch dort werden wir immer beliebter", sagt Russ.

Und auch dort könnten Streiks ansetzen: Dann könnten Fahrzeuge nicht gewartet werden und so unter Umständen nicht ausrücken. MVG-Chef König hält der GDL dagegen vor, derzeit "ordentlich auf die Pauke zu hauen - insbesondere bei ihren Mitgliederzahlen". Er sagt: "Ich glaube noch nicht an Streiks."

Knifflig ist die Lage, weil sich die Gewerkschaft Verdi mit den Arbeitgebern auf einen Abschluss geeinigt hat. Der reicht der GDL aber nicht. Sie besteht darauf, dass etwa für Rüst- und längere Pausenzeiten ein Ausgleich gezahlt wird. Das aber lehnen die Arbeitgeber ab. Die Folge: Verdi-Fahrer dürfen sich nicht am Streik beteiligen, GDL-Mitglieder schon. Doch auch dieses Durcheinander will Russ für sich nutzen: "Die Betriebe wissen nicht, welcher Fahrer welcher Gewerkschaft angehört." Entsprechend schlecht könnten sie sich bei ihren Planungen auf einen Streik einstellen.

Das räumt auch König ein: "Das ist nun eine neue Situation." Dennoch bereitet sich die MVG vor: Möglich wäre zum Beispiel, private Bussen einzusetzen. Diese könnten dann an Streiktagen im Netz der MVG-Nachtlinien fahren.

© SZ vom 27.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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