Mode made in Unterschleißheim:Nähen und nähen lassen

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Stefanie Prassers Kleider sind oft recht farbenfroh. (Foto: Alessandra Schellnegger)

In einem Unterschleißheimer Gewerbebau arbeitet die Maßschneiderin Stefanie Prasser Tür an Tür mit Hobbyschneiderinnen. Beide stemmen sich gegen den Trend zur Wegwerf-Mode.

Von Alexandra Vettori, Unterschleißheim

Mit dem eigenen Atelier hat sich Stefanie Prasser einen Traum erfüllt, kurz vor dem 50. Geburtstag. "Wenn nicht jetzt, wann dann", sagt die Maßschneidermeisterin aus Unterschleißheim lächelnd. Abendgarderobe, Brautkleider und Tanzkostüme sind ihr Metier, an den Schneiderpuppen wallt und glitzert es. Nicht umsonst stand vor vielen Jahren das eigene orientalische Tanzkostüm am Anfang ihrer Profession.

Doch der Reihe nach: Die Räume in dem lichten Gewerbebau an der Unterschleißheimer Edisonstraße teilt sich Stefanie Prasser mit einem Onlineshop für Stoffe, und dem Treff der Unterschleißheimer Nähfreunde. Jeder hat seinen Bereich, in dem einen Zimmer die Hobbyschneiderinnen und Stoffballen, im anderen die professionelle Maßschneiderin. Mode hat Stefanie Prasser schon immer interessiert, Mode allerdings, die dem Stil und den Proportionen der Trägerin entspricht, ihre Individualität unterstreicht. Um ihrem Ziel, kreativ zu sein und entsprechende Kleidung zu gestalten, näher zu kommen, machte Stefanie Prasser nach dem Abitur in den Achtzigerjahren zuerst eine Lehre im Damenschneiderhandwerk. Von der Pike auf wollte sie das Metier erlernen.

Die Lehre war zum Teil ernüchternd

Ernüchternd sei das manchmal gewesen, erzählt sie, eingepfercht in eine winzige Nähstube, mit einer Meisterin, deren Art nicht die charmanteste war. Trotzdem schloss Stefanie Prasser die Lehre als Kammersiegerin ab, es folgten die Gesellenjahre, die Meisterschule für Mode, dann kamen die Kinder, die Schneiderei lief nebenher. Auch, als die leidenschaftliche Tänzerin immer mehr Tanzkostüme für Kolleginnen und dem ein oder anderen Kollegen auf dem Nähtisch hatte. Ein entsprechendes Chaos aus Stoffen, Nähmaschinen, Scheren, Mustern und Skizzen herrschte dann regelmäßig in der heimischen Wohnung. Heute sind die Kinder groß, und Stefanie Prasser hat wieder die Zeit, sich ganz der Näherei zu widmen.

In dem hellen, geräumigen Atelier im Unterschleißheimer Gewerbegebiet empfängt sie ihre Kundschaft, vor allem Tänzerinnen, aber auch Bräute oder Frauen, die keine Lust auf Kompromisse bei Farbe, Stilrichtung und Passform haben. Die eine hat konkrete Vorstellungen, die andere nur eine vage Idee - oder eine "exklusive Figur", wie es Stefanie Prasser nennt. "Die Industrie muss Mittelwerte bei den Größen ansetzen. Wenn man die nicht erreicht, hat man Pech gehabt", sagt sie. In ihr Atelier Belliste kommen nicht unbedingt die mit dem dicken Geldbeutel, betont sie, eher Individualistinnen. Frauen, die Kleider wünschen, die man über Jahre tragen kann.

Natürlich sei ein Maßkleid teurer, als eines von der Stange, es gebe aber viele Marken, für die man noch deutlich tiefer in die Tasche greifen müsse. Dafür habe man eine persönliche Beratung, eine Entwurfszeichnung und zwei Anproben. "Und die Trägerin hat die Gewissheit, nicht ständig auf andere mit demselben Kleid zu stoßen", betont Prasser. Auch hängen die Kosten natürlich vom Modell, der Stoffauswahl und den Accessoires ab. Die neueste Kreation, an der Stefanie Prasser arbeitet, ist ein Oriental-Tanzkleid, gerade sitzt sie am Oberteil aus orangen, roten und regenbogenfarbenen Streifen. "Da kommen dann noch Strassgeschichten drauf", erzählt sie.

Strass und Pailetten sind eine Wissenschaft für sich

Allein Strass und Pailletten sind eine Wissenschaft für sich. Sie zeigt auf eine Sammlung schwarzer Papiertütchen, in denen sie das Flitterzeug aufbewahrt. Auch hier steht die Kundin vor reicher Auswahl, es gibt Swarovski-Glitzersteinchen, die dank ihres besonderen Schliffs wunderbar blinken, aber teuer sind, es gibt Billig-Pailletten oder Metallplättchen, zum Aufkleben, Aufbügeln oder Aufnähen. Stefanie Prassers Rat: "Man sollte sich vor Augen halten: Gehe ich auf die Bühne oder bin ich in der Turnhalle?"

Die Entwicklung in der Modebranche sieht Stefanie Prasser kritisch, vor allem wegen der grassierenden Wegwerfmentalität: "Früher gab es zwei Kollektionen im Jahr, dann waren es vier, mittlerweile gibt es Hersteller, die zwölf Kollektionen machen. Das sind zwar meist dieselben Schnitte, nur andere Stoffe, aber es ist der Trend, schnell Kleidung zu konsumieren." Dagegen stemmt sich die Schneidermeisterin, und sie ist nicht alleine damit. Der Beweis für den Gegentrend ist gleich nebenan: "Die Nähkurse boomen, weil es immer mehr Leute gibt, die etwas Individuelles wollen."

Wohin die Reise geht, weiß niemand, doch Prasser wird sich treu bleiben. "Ich breche eine Lanze für das Handwerk", sagt sie, "obwohl mir klar ist, dass ich einen Beruf habe, den es vielleicht schon bald nicht mehr gibt."

© SZ vom 30.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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