Mangel an Kindergartenplätzen:Höhenkirchner Eltern gehen auf die Barrikaden

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Zu wenig Plätze in den Kindergärten: Die Eltern in Höhenkirchen-Siegertsbrunn sind von ihrer Gemeinde enttäuscht. (Foto: dpa)

Weil in der Gemeinde mehr als 60 Krippen- und Kindergartenplätze fehlen, fordern die Betroffenen die Gemeinde zum Handeln auf.

Von Stefan Galler, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Die Verzweiflung ist groß, doch tatenlos wollen Eltern aus Höhenkirchen-Siegertsbrunn der aussichtslos erscheinenden Lage nicht ins Auge blicken. Die Personalsituation in der Kinderbetreuung stellt sich in der Gemeinde derzeit extrem problematisch dar. Und das wirkt sich unmittelbar auf die Betreuungsplätze aus: Laut Schätzungen finden zum Start des neuen Schuljahres im September 64 Kinder, die in diesem Jahr drei Jahre alt werden, keinen Kindergarten- oder Krippenplatz. Darunter 24 Kinder, die bereits vor September das dritte Lebensjahr vollenden. Die Eltern formieren sich nun zum Widerstand: In einem offenen Brief fordern sie von der Gemeindeverwaltung insgesamt fünf Maßnahmen, um hier Abhilfe zu schaffen. "Es ist ein sehr freundlicher, aber auch fordernder Brief", formuliert Sprecherin Doreen Brüsehaber in einem Begleitschreiben.

Und doch sprechen die Mütter und Väter die Probleme knallhart an: "Wir sind enttäuscht, dass eine wachsende Gemeinde nicht ausreichend vorbereitet ist", heißt es in dem Brief. Schließlich gehe es nicht um Einzelfälle oder eine Handvoll Kinder und auch nicht nur um das aktuelle Jahr. Deshalb sei es unabdingbar, dieser Entwicklung entgegenzuarbeiten. Dabei müsse vor allem eine Frage beantwortet werden: "Wie können wir in unserer Gemeinde die Arbeitsbedingungen merklich optimieren, damit die Mitarbeiter länger in den Einrichtungen bleiben?", schreiben die Eltern an die "liebe Gemeindeverwaltung".

Und sie machen selbst konkrete Vorschläge: In dem Fünf-Punkte-Plan fordern die Eltern, die teilweise sanierungsbedürftigen Einrichtungen auf Vordermann zu bringen, Wohnungen für pädagogisches Personal zu schaffen, den Erzieherinnen und Erziehern eine attraktive Vergütung, etwa in Form von jährlichen Prämien anzubieten sowie die Suche nach Personal offensiv anzugehen. Dazu solle die Gemeinde künftig transparenter über die Situation Auskunft erteilen und Hilfestellung anbieten, wenn jemand händeringend nach einem Betreuungsplatz sucht. Das Traurige an den Absagen sei, "dass wir damit allein gelassen wurden", schreiben die Eltern. Die eine oder andere Information, wohin man sich im Notfall wenden könnte, würde bereits helfen, heißt es in dem Brief.

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Die Eltern beschreiben ihre Situation als verzweifelt

Die Eltern schlagen hierfür "Informationsveranstaltungen oder konstruktive Treffen" vor. Darüber hinaus fordern sie "eine definierte Fachabteilung für das Thema Bildung und Betreuung in der Gemeinde". Da Höhenkirchen-Siegertsbrunn stetig wachse und womöglich schon bald eine neue Realschule gebaut werde, seien langfristige Lösungen gefragt. Denn all das gelte nicht nur für die Betreuung der Unter-Sechsjährigen. Auch die Unterbringung von Schülern müsse reformiert werden, es fehlten Plätze im Hort und in der Mittagsbetreuung.

Die Eltern beschreiben ihre Situation als verzweifelt, schließlich erforderten die enormen Lebenshaltungskosten im Landkreis einen doppelten Verdienst in den meisten Familien und bei dem ein oder anderen sogar noch einen Nebenjob nach Feierabend. Derzeit seien die abgewiesenen Mütter und Väter vor allem damit beschäftigt, alles zu unternehmen, "um ab September nicht den Job kündigen zu müssen". Dazu gehöre das Abtelefonieren der Kindergärten in den Nachbargemeinden, das Kontaktieren von Privateinrichtungen und von potenziellen Tagesmüttern oder Au-Pair-Mädchen.

Mit der bisherigen Reaktion von Bürgermeisterin Ursula Mayer (CSU) auf die schwierige Situation zeigen sich die Eltern alles andere als zufrieden. Die Rathauschefin hatte vor einem Monat, als die alarmierenden Zahlen bekannt wurden, den betroffenen Familien geraten, Betreuungsplätze untereinander aufzuteilen oder Leute zu aktivieren, die früher schon einmal als Erzieher gearbeitet hätten. Den schwarzen Peter reichte sie damals an den Gesetzgeber weiter, der das Recht auf Betreuung verankert habe. "Wir stehen mit dem Rücken zur Wand und müssen das ausbaden", so Mayer.

© SZ vom 20.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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