In gewissen Kreisen genießen Diebe und Erpresser hohes Ansehen. Wenn sie nach einem erfolgreichen Beutezug stolz in ihr Räubernest zurückkehren, werden sie mit Hurra und Schulterklopfen empfangen und stoßen gemeinsam frech auf ihren Coup an. Nicht selten stehen sogar Polizei und Feuerwehr bei ihrem Treiben Schmiere. Das alles geschieht in einem rechtsfreien Raum, in dem in süddeutschen Gefilden die Paragrafen des Strafgesetzbuches für kurze Zeit ausgehebelt werden zugunsten von Tradition und Gaudi. Die rechtlose Zeit hat freilich auch mal ein Ende: am 1. Mai, wenn die Bestohlenen den Maibaum aufstellen, den die verruchten Diebe gegen Brotzeit und Bier wieder herausgerückt haben.
Das geht schon seit Hunderten von Jahren in dieser Art, inzwischen aber kommen solche kriminellen Tauschhandel kaum noch zustande. Maibaumdiebe gehen zumeist leer aus. Grund dafür ist die technische Hochrüstung auf beiden Seiten und die damit einhergehende Pattsituation. Wie soll man einen 30 Meter langen Baumstamm unbemerkt stehlen, wenn dieser von Lichtschranken umgeben ist und eine Drohne Livebilder auf einen Monitor im Wachraum überträgt? Einst erfolgsverwöhnte Burschen müssen sich fühlen wie notorische Fahrraddiebe nach Einführung des Zahlenschlosses.
Auch Hannes Göschl, Oberbursche in Unterbrunn und damit Bandenchef der erfolgreichsten Maibaumdiebe weit und breit, musste (Stand: Montag, 14 Uhr) eingestehen, bislang leer ausgegangen zu sein. Schuld seien Bewegungsmelder und Kameras, außerdem das gestiegene Engagement der Gemeindejugend, die bereitwillig Wache schiebt. In Oberbiberg nicht nur die Burschen, bei ihnen sind neuerdings auch die Madln offiziell Mitglied. Die Zeit, da sie nur für den Maitanz gebraucht wurden, sind zumindest in Oberbiberg vorbei.
"Eigentlich ist der Ayinger Maibaum unstehlbar", sagt Manfred Renk. Das hölzerne Trumm ist 50 Meter lang - so lang wie kein anderer in Bayern - und könnte daher beim Abtransport keine Kurve nehmen. Er besteht allerdings aus zwei Teilen, die normalerweise erst wenige Tage vor Termin zusammengefügt werden. Zwei Buben hätten sich kürzlich zum 50-Meter-Baum geschlichen und die Stahlschrauben inspiziert, berichtet Renk. "Des schaff ma leicht", habe einer gesagt, worauf er die Nachwuchsdiebe habe wissen lassen: "Des is fei Astronautenstahl." Was das Duo offenbar beeindruckt hat. Jedenfalls war der Baum (Stand: Montag, 14.30 Uhr) noch da.
Damit auch beim Aufstellen am Mittwoch um 9 Uhr nichts schiefgeht, haben die Ayinger nicht nur eine Baumwache, sondern auch eine Lochwache. Denn böse Buben könnten die riesige Lochgrube, in die der Baum versenkt werden soll, mit Steinen und Erde füllen.