Werkschau:Oasen zum Träumen und Schaudern

Lesezeit: 3 min

"Stadt-Oase" im Dunkel: Fotoarbeit von Martin R. Mayer. (Foto: KK Haar)

Der Künstlerkreis Haar beschäftigt sich in seiner Jahresausstellung mit Kraft- und Ruheorten. Aber nicht alle Werke entfalten paradiesische Assoziationen von Geborgenheit.

Von Angela Boschert, Haar

Bei der Frage, was eine Oase ist, gerät man unweigerlich ins Überlegen. Ist es eine palmenumsäumte Wasserstelle weitab von der Zivilisation, an der man seinen Durst stillt, oder ein Ort mitten unter uns, wo sich jeder auf seine Weise vom Alltag mit all seinen Höhen und Tiefen ausruhen kann? Die Mitglieder des Künstlerkreises Haar haben sich zu dem vorgegebenen Thema für die aktuelle Jahresausstellung sehr persönliche Gedanken gemacht, einige aber vorhandene Kunstwerke auch nur passend betitelt. Die 24 Künstlerinnen und Künstler geben im neuen Ausstellungsort - dem Haus D des Haarer Rathauses, wo die etwa 60 Werke noch bis Sonntag, 5. November, präsentiert werden - mannigfaltige Antworten darauf, was eine "Oase" sein kann: von Blumen- und Baumbildern über solche von Wasser in verschiedensten Formen bis zum Himmel, fotografischen Stadt-Oasen, gehäkelten und abstrakten Darstellungen. Sie greifen auch Aktuelles auf.

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So die "Steueroase" von Karl Hertje, bei deren Anblick wohl jeder Besucher stutzen dürfte. Schon das angeschnittene Straßenschild "St. Hubertus 2" oben am Bildrand erinnert an den Skandal mit den Briefkastenfirmen aus dem Konzern der HypoVereinsbank mit Sitz im sogenannten Seegrasstadel, einem unscheinbaren Holzschuppen der Staatlichen Forstverwaltung im Ebersberger Forst. Und beim Blick auf den darunter befindlichen Briefkasten an einer leicht verwitterten Holzwand meint man, vor einem Foto zu stehen. Dem ist nicht so. Hertje hat auf seinem Acrylbild ironisch die Latte der Firmennamen verändert und Gesellschaften namens "LoL", "BimBes" und "LmaA" geschaffen. "Bimbes ist ein altpfälzer Spezialbegriff für Geld", erläutert er dem Besucher und man spürt, wie wichtig ihm die vielen Hinweise auf Geldgier und rechtsfreie Räume sind. Nicht zuletzt stehe auf dem Briefkastenschild "St. Matthäus", das sei der Schutzpatron der Buchhalter, Geldwechsler, Finanz- und Bankleute. Es waren die Panama Papers, die 2016 den Stein gegen Briefkastenfirmen ins Rollen brachten und noch heute die Steuerfahndung beschäftigen.

Ironisches Acrylbild: "Steueroase" von Karl Hertje. (Foto: Karl Hertje)

Ästhetischere Oasen findet man hingegen gleich im ersten Raum, in den man vom Eingang in der Salmdorfer Straße 2 aus gelangt. Der "Flug in die Freiheit" von Gabriele Schab zeigt weit ausgebreitete Schwingen eines weißen Greifvogels vor einem Sternenhimmel. Sein Kopf und die Fänge füllen die Fläche des zweiten, darunter hängenden Querbildes. Er schwebt über einem See im Morgenlicht und hält einen goldenen Schlüssel in seinen Krallen. Die Gleichzeitigkeit der Tageszeiten fesselt ebenso wie die von schwebender Ruhe und der Flucht des Räubers. Wo hier welche Oase ist, muss sich der Besucher selbst überlegen.

Als Freiheit hat Rolf Dinter das Thema in seinem Acrylbild "Oase der Giraffen" aufgefasst, denn nur das Tier im Vordergrund sieht natürlich gefärbt aus. Alle anderen haben andere Fellfarben angenommen, von rötlich über grünblau bis schwarz, weshalb Dinter auch von "Mutanten" spricht. Seine "Mangrovenbäume" mit den "dort so typischen roten Vögeln" wecken träumerische Gedanken. "Auf der Suche nach einem Ruheplatz" ist Babette Mairoth-Voigtmann in ihrem kleinen Schiff am Rande eines der wenigen Ölgemälde. Sie segle zu ihrer Oase, habe sie aber noch nicht gefunden, sagt die Pressebeauftragte des Künstlerkreises und betont, ihr persönlicher Lieblingsplatz unter einer Birke im Garten sei ihr als Darstellung zu einfach gewesen. Sozusagen daheim bleibt die im Regen vor einem Baum stehende Lisa Schwarz, das jüngste Vorstandsmitglied. Ihr Selbstporträt "Ruhe", ein Aquarell, überzeugt mit der Schärfe ihres wachen, ja kecken Augenausdrucks. Ein echter Augenverführer ist auch die aus Wolle gehäkelte "Unterwasseroase" von Susanne Maile, die sicher zu den Besonderheiten der Ausstellung gehört.

Hingucker: Die gehäkelte skulpturale "Unterwasseroase" von Susanne Maile. (Foto: KK Haar)

Die Werkschau zeigt generell eine breite Palette an Darstellungen in verschiedenen Techniken und wird ergänzt durch Skulpturen, wie die von Bernhard Süßbauer mit dem Titel "Auf dem Weg" von 2021. Die Fahlheit der Pappmachee-Figuren aus Eierkartons - es ist ein Hirte mit drei Schafen - verstärkt den Blick auf ihre grazilen Konturen. Noch auffälliger wird dies bei seinem jüngsten Werk, dem Klarinettenspieler im Eingangsraum. Dort hängt auch das Acrylbild "Debris 1" (2019) der Kunstkreis-Vorsitzenden Anja Ruttkowski, die sich schon lange mit dem Problem Plastikmüll beschäftigt: "Wenn mir beim Baden im Meer plötzlich das Wasser als Fetzen am Körper klebt, schaudert es mich", sagt die Haarerin und zeigt, wie sich anmutig erscheinende Seetiere und Seepflanzen ins Wasser sinkend in schauerlichen Plastikmüll verwandeln. Auch bei Ingrid Bauers Acrylbild erschaudert man. Ihre "Oase in Flammen" mit verkohlten Baumgerippen vor feuerrotem Grund lässt an die Vergänglichkeit von Ruhe- oder Kraftorten denken. Alle Bilder zum Thema Oase, die eine Nummer tragen, nehmen am Wettbewerb um den Publikumspreis teil.

Wie gewohnt wird diese Prämierung inklusive Preisgeld wieder an die drei besten Werke zum Thema vergeben. Alle Besucher entscheiden mit ihrer Stimmkarte.

"Oase" - Jahresausstellung des Künstlerkreises Haar im Rathaus Haar, Haus D, Zugang Salmdorfer Straße 2 (ehemaliges Maria-Stadler-Haus), noch bis Sonntag, 5. November, geöffnet zu den Öffnungszeiten des Rathauses, am Wochenende und am 1. November von 10.30 Uhr bis 17 Uhr. Eintritt frei. www.kkhaar.de

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