Flüchtlinge in Pullach:Unterstes Bierzeltniveau

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Der auf Drängen der CSU gefasste Pullacher Beschluss, dem Landkreis eine Turnhalle als Notunterkunft für Flüchtlinge zu verweigern, spottet jeder Beschreibung.

Kommentar von Martin Mühlfenzl

Es bedarf schon eines ausgeprägten Ausmaßes an Zynismus und Perfidie, um in diesen kalten Tagen mit dem Vorschlag um die Ecke zu kommen, Flüchtlinge in Bierzelten unterzubringen. Da können die Not noch so groß und die innere Hitze noch so stark sein - an Kälte ist dieses Ansinnen des Pullacher CSU-Fraktionssprechers Andreas Most im Gemeinderat kaum zu überbieten. Das ist die eine Botschaft, die sich aus der Debatte des Gremiums um die mögliche Belegung einer Pullacher Turnhalle mit Flüchtlingen durch den Landkreis ablesen lässt.

Die Pullacher Entscheidung gefährdet den landkreisweiten Konsens

Doch es gibt eine zweite, die ebenfalls mit sozialer Kälte zu tun hat - und ebenso viel mit Kalkül. Mit der Entscheidung des Pullacher Gemeinderats, die "Herausgabe" der - und auf diese wird es wohl hinauslaufen - Turnhalle des Otfried-Preußler-Gymnasiums zu verweigern, schlägt die Kommune den Weg der Entsolidarisierung ein. Mit einer Mehrheit aus CSU, FDP und zwei Gemeinderäten der Gruppierung WIP zerschlägt ausgerechnet eine Gemeinde, die bisher nicht durch einen besonders entschlossenen oder gar erfolgreichen Einsatz bei der Bereitstellung und Errichtung von Flüchtlingsunterkünften aufgefallen ist, den landkreisweiten Konsens aller 29 Städte und Gemeinden.

Dieser besagt, dass Lasten gleichmäßig verteilt werden, Kommunen die Suche nach Grundstücken und Gebäuden intensivieren, menschenwürdige Unterkünfte aufgebaut - und im Notfall auch Turnhallen mit Flüchtlingen belegt werden. Das Pullacher Vorgehen stellt all diese Punkte infrage und birgt eine kaum kalkulierbare Gefahr. Denn schert nur eine Gemeinde aus und verlässt den bisher erfolgreichen Weg, droht die Spaltung der Gesellschaft - und das Solidarsystem eines ganzen Landkreises könnte kippen.

Der Beschluss des Pullacher Gemeinderats grenzt an unterlassene Hilfeleistung. Allen voran die CSU in der Gemeinde erweckt den Eindruck, sie würde aus Berechnung handeln. Schließlich wäre der Landkreis im nächsten Schritt gezwungen, die Turnhalle zu beschlagnahmen - und mit dem Zorn vieler Bürger im Rücken könnten die Christsozialen, so der Eindruck, vorwurfsvoll auf den Landkreis zeigen. Das ist unterstes Bierzeltniveau und vergiftet das gesellschaftliche Klima. Pullachs Gemeinderäte sollten lieber ihre Hausaufgaben bei der Unterbringung von Flüchtlingen erledigen.

© SZ vom 21.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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