Theatervorstellung:Grusel, Gags und die Rettung der Kaffeemühle

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So einem Räuber gehören schon mal kräftig die Ohren lang gezogen. Ganz Auge und Ohr waren auch die Zuschauer bei der Premiere von "Räuber Hotzenplotz" in Haar. (Foto: Claus Schunk)

Bei der Premiere der Eigenproduktion "Der Räuber Hotzenplotz" in Haar präsentiert das Ensemble um Regisseur Winfried Frey Kindertheater in seiner schönsten Form. Auch die Aufmerksamkeit der älteren Zuseher wird gefordert.

Von Franziska Gerlach, Haar

Da kniet der Mann mit dem großen Hut nun also im Scheinwerferlicht, ein breites Lächeln entblößt die schiefen schwarzen Zähne, und erklärt den Kindern vor der Bühne im Kleinen Theater Haar, dass er im Grunde gar nicht so böse ist. "Ich bin eigentlich ein ganz Lieber", sagt der Räuber Hotzenplotz alias Matthias Eichholz. Dass er die Kaffeemühle der Großmutter gestohlen hat, den Kasperl als Diener an den Zauberer Petrosilius Zwackelmann verhökert, die Gretel seine eigenen Stiefel hat putzen lassen und obendrein mit der Pfefferpistole rumgeballert hat - geschenkt.

Der Vorhang ist gefallen, das Ensemble um Regisseur Winfried Frey durfte einen langen Applaus genießen am Ende einer Premiere, die wohl besser nicht hätte laufen können. Jetzt gibt es für die kleinen Zuschauer noch den Menschen hinter dem berühmten Räuber, hautnah und zum Anfassen, und dieser Kontakt mit einem echten Schauspieler ist vermutlich richtig und wichtig, wenn man den Nachwuchs an das Theater heranführen will.

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Die Inszenierung von Otfried Preußlers Kinderbuchklassiker "Der Räuber Hotzenplotz" ist nach vielen Jahren die erste Eigenproduktion des Kleinen Theater Haars. Der weltbekannte Lesestoff stammt aus dem Jahr 1962 und hat in der Vergangenheit vom Kasperltheater bis hin zum Film - die jüngste Version kam 2022 in die Kinos - schon diverse Genre-Adaptionen erlebt. Doch glücklicherweise war man sich in Haar bei der Produktion bewusst, dass da mit den Kindern in aller Regel auch die Eltern und Großeltern im Publikum sitzen: Die Premiere jedenfalls zeigte Kindertheater in seiner schönsten Form, mit tollen Kostümen und einem detailreichen Bühnenbild, mit ein bisschen Grusel und mit Gags, über die auch die Erwachsenen lachen konnten. Mit Live-Musik und Darstellern, die ihre Rollen zwar mit deutlichen Konturen ausspielten, teils auch mit Reminiszenzen an das Puppentheater, aber nicht übertrieben klamaukig.

Die kluge Gretel avanciert zur Heldin des Stücks

"Seid ihr alle da?", hatte der Kasperl, gespielt von Stephan Leitmeier, gefragt, und sich aus dem Publikum ein einhelliges "Jaaa!" abgeholt zu Beginn der stark interaktiv angelegten Suche nach der Kaffeemühle - bei der die Kinder erwartungsgemäß immer etwas schneller und schlauer waren als er selbst. Bis auf die Figuren der Witwe Schlotterbeck und ihres Hundes hatten es alle Charaktere Preußlers - der 1923 im böhmischen Reichenberg (Liberec) geboren wurde und später als Lehrer und Schriftsteller in Oberbayern lebte - auf die Bühne in Haar geschafft: die schöne Fee Amaryllis und die Großmutter (beide gespielt von Jutta Schmuttermaier), der Zauberer Petrosilius Zwackelmann und der Wachtmeister Dimpfelmoser (beide gespielt von Thomas Stegherr) in seiner bewährten Funktion als hölzerner Dorfpolizist. Allerdings hatte man in Haar die Figur des Seppels durch eine Gretel (Leonie Fuchs) ersetzt, die mit dem Kasperl in den Wald zieht, um den Räuber Hotzenplotz mit einer falschen Kiste Gold in die Falle zu locken. Dramaturgisch ein cleverer Schachzug: Die kluge Gretel erhöhte nicht nur der Frauenanteil auf der Bühne - sie behielt auch durchweg einen kühlen Kopf und avancierte so schnell zur Heldin des Stücks.

Und auch Eichholz spielte den Räuber Hotzenplotz so, dass man diesen bärtigen Typen mit dem tiefen Lachen im Grunde nur gern haben konnte. Ja, dass er dem Zuschauer sogar leid tat, wie er da schließlich in einen Vogel verwandelt im Käfig sitzt und vom Wachtmeister Dimpfelmoser in Gewahrsam genommen wird. Aber Ordnung muss sein im Kosmos des Kindertheaters, und so siegt natürlich die Gerechtigkeit am Ende dieser klassischen Geschichte von Gut gegen Böse, die auf einer zweite Ebene auch Werte wie Freundschaft und Mut verhandelt. "Was meint ihr? Kann ich der Fee vertrauen?", fragt der Kasperl die jungen Zuschauer um Rat. Kann er, meinen diese, nur zu!

Doch während sich die Handlung in der Wahrnehmung vieler kleinerer Kinder vermutlich einfach nur um die Rettung der Kaffeemühle drehte, entspann sich für die älteren unter ihnen auf der Bühne ein Krimi, dessen komplexes Verwirrspiel sich daraus entwickelte, dass Kasperl und Gretel eingangs Mütze gegen Zöpfe getauscht hatten. Und apropos Spiel: Julian Schwarz, Student an der Münchner Musikhochschule, sorgte mit seinem Akkordeon nicht nur für die musikalische Untermalung des Geschehens, die im Fall des Kaffeemühlen-Liedes unverkennbar an den Sound eines Leierkastens erinnerte. Einige der Lieder hatte er selbst komponiert, etwa das "Hexeneinmaleins", zu dem Petrosilius Zwackelmann die Bühne rockte.

Dass es dem bösen Zauberer nicht gelingen soll, die Schalen von den Kartoffeln zu hexen, erweist sich im Übrigen nicht nur als fair, sondern auch als verständlich, wenn man weiß, dass Otfried Preußler von 1944 an in sowjetischer Kriegsgefangenschaft ebenfalls Hunger litt. Für Gretel, Kasperl und die Großmutter dagegen gab es am Ende Pflaumenkuchen mit Schlagsahne. Und für die kleinen Gäste im Garten des Haarer Theaters eine Gratisportion Bratwürste mit Sauerkraut. Das Lieblingsessen des Räuber Hotzenplotz.

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