Kirchheim:Das Rathaus als attraktiver Arbeitsplatz

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Ein Match zwischendurch im Keller und dann wird wieder gearbeitet. Maximilian Böltl (Mitte) plant auch Besprechungen in dem Raum. (Foto: Claus Schunk)

Der Kirchheimer Bürgermeister Böltl hat es sich zum Ziel gemacht, die Verwaltung zu verjüngen. Die Mitarbeiter schätzen die Vergünstigungen und den Gründergeist

Von Christina Hertel, Kirchheim

Bei Microsoft holt der "Party Bus" mit integriertem WiFi die Mitarbeiter von zu Hause ab und bringt sie zur Arbeit. Bei Google gibt es kostenlose Mahlzeiten, Fitnesscenter, Massagen und Friseurbesuche. Und auch in den Rathäusern im Landkreis gibt es einige Extras. In Kirchheim hat sich Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU) bei seinem Amtsantritt über die beliebtesten Arbeitgeber informiert - und will sich an ihnen orientieren.

Nötig ist das geworden, weil Böltl, der selbst erst 33 ist, sein Rathaus verjüngt hat - und zwar bewusst, wie er sagt. Bei den Abteilungs- und Referatsleitern ist das Durchschnittsalter inzwischen 36 Jahre. Der Geschäftsleiter ist 31, der Wirtschaftsförderer auch und die Kulturreferentin ist gerade einmal 27 Jahre alt. Damit sticht Kirchheim heraus. Wie die Hans-Böckler-Stiftung dieses Jahr festgestellt hat, sind die Belegschaften in kommunalen Verwaltungen in Deutschland überaltert.

2025 sollen die meisten Mitarbeiter in Verwaltungen älter als 55 Jahre sein

Ein Viertel der Beschäftigten gehört zu den sogenannten rentennahen Jahrgängen. 2025 sollen die meisten Mitarbeiter älter als 55 Jahre sein. In Kirchheim sieht das anders aus. Und damit die Verwaltung für die jungen Kräfte ein attraktiver Arbeitsplatz bleibt, wird viel investiert. Vor ein paar Tagen wurde ein Kicker bestellt. Er soll in den Keller, da liegen auch ein paar Sitzsäcke - für die Gemütlichkeit. Ein netter Pausenraum könnte man denken, aber eigentlich ist er noch mehr: Das Ziel sei es, sagt der Bürgermeister, dass hier in Zukunft auch Besprechungen stattfinden, zwischen den Matches, in lockerer Atmosphäre sozusagen - wie in einem Start-up.

Sabrina Falkenberg gehört zu der jungen Riege im Kirchheimer Rathaus. Sie ist 30 und leitet seit gut einem Jahr die Personalabteilung. Ihr Ziel ist es, dass die Mitarbeiter zufrieden sind. Also hat sie eine Umfrage gestartet: Was würdet ihr euch für euren Arbeitsplatz wünschen? Ganz oben mit dabei: Wasser und frisches Obst. Seitdem gibt es das für alle kostenlos. Außerdem kommt einmal im Monat ein Shiatsu-Masseur. Für zehn Euro können sich die Mitarbeiter von ihm durchkneten lassen.

Kostenlose Vitamine gehören genauso zum Angebot, wie mancherorts Sportkurse und Massagen. (Foto: Claus Schunk)

Auch für die Zeit nach Feierabend gibt es ein Angebot: Einmal im Monat kann sich, wer mag, in der Soccer-Halle austoben. Bei weiteren Extras wird gerade geschaut, was sich machen lässt. "Zum Beispiel wünschen sich viele Mitarbeiter Vergünstigungen fürs Fitnessstudio oder ein billigeres Parkticket für den Heimstettener See", erzählt Falkenberg. Bürgermeister Böltl ist sich sicher, dass sich solche Maßnahmen lohnen. Das Rathaus sei von einem Gründergeist durchdrungen - und der werde nicht nur von den Jungen getragen. "Er hat die gesamte Belegschaft erfasst."

In Grünwald gibt es Tai-Chi- und Yoga-Kurse

Auch in anderen Rathäusern im Landkreis bekommen die Mitarbeiter ein paar Extras - im Vordergrund steht offenbar bei allen, dass die Mitarbeiter gesund und fit bleiben. Die Gemeinde Haar bietet zum Beispiel Pilates und Zumba an. Auch in Ismaning gibt es kostenlosen Betriebssport, unter anderem mit Rückentraining. Außerdem bezuschusst die Gemeinde "Gesundheitskurse" bei der Volkshochschule zur Hälfte. Wie in Kirchheim können sich die Mitarbeiter an einem kostenlosen Obstkorb bedienen. In Grünwald bekommen die Angestellten einen Zuschuss von 500 Euro im Jahr zum Beispiel für Tai-Chi- und Yoga-Kurse oder für eine Rückenschule. Keine Vergünstigungen gibt es zum Beispiel in Oberhaching und Oberschleißheim.

Eine, die noch gut weiß, wie es früher im Kirchheimer Rathaus zuging, ist Angelika Schuster. Sie arbeitet dort mittlerweile seit 36 Jahren und leitet das Standesamt und den Bereich Asyl. Sie sagt, die Arbeitsgeschwindigkeit habe sich erhöht. Ihr mache das nichts aus, ihr gefalle es, wenn jüngere und ältere Menschen zusammenarbeiten, wenn etwas vorangeht. "Als ich hier angefangen habe, war ich die Jüngste.

Damals wurde ich noch mit Fräulein angeredet - schrecklich." Gut gefällt Schuster zum Beispiel, dass sich die Kommunikation im Rathaus verbessert habe. Einmal alle drei Monate findet im Pfarrsaal von St. Andreas ein Mitarbeitercafé statt, bei dem sich alle austauschen können. "So etwas braucht man einfach in der heutigen Zeit", meint Schuster - vor allem, weil das Kirchheimer Rathaus auf so viele verschiedene Standorte im Ort verteilt sei.

Inzwischen werde auch viel auf dem sogenannten kurzen Dienstweg besprochen - am Kopierer oder an der neuen Kaffeemaschine. Mit in die Soccerhalle geht Schuster nicht, dafür singt mit im Kirchheimer Rathaus-Chor, der aus fünf Mitgliedern besteht. "Wir machen das halt aus Spaß", sagt Schuster. Den ein oder andern kleinen Auftritt bei Festen oder beim Mitarbeitercafé hatten sie aber auch schon.

Der Wirtschaftsförderer verzichtet auf mehr Geld in der freien Wirtschaft

Katharina Ruf, die Kulturreferentin, leitet den kleinen Chor. Ihre Stelle hat Böltl vor fast zwei Jahren neu geschaffen. Sie schätzt, dass sich die kulturellen Veranstaltungen in etwa verdoppelt haben, seitdem sie im Amt ist. Sie studierte Musikwissenschaft, hat also keine klassische Verwaltungslaufbahn hinter sich. Und deshalb ist sie auch froh, dass es trotz der vielen jungen Kollegen noch den ein oder anderen alten Hasen gibt, der ihr etwas zeigen kann. Aber sie sagt auch: "Die Dynamik bei uns ist groß - auch wegen der vielen jungen Mitarbeiter."

Auch Tobias Schock, der neue Wirtschaftsförderer, hat keine Verwaltungslaufbahn hinter sich. Bevor er vor ein paar Monaten in Kirchheim anfing, arbeitete er als Berater. Obwohl er da mehr verdiente, hat er sich für den Job im Rathaus entschieden. Der Grund: hier hat er das Gefühl, etwas bewirken zu können, wie er sagt. Den Bürgermeister stört trotzdem, dass man Mitarbeiter in einer Verwaltung nicht nach Leistung bezahlen kann. Prämien nach einem erfolgreichen Projekt gibt es in einem Rathaus nicht. Auch in die Weiterbildung würde Böltl gerne mehr investieren. Momentan stehen ihm 300 Euro pro Mitarbeiter und Jahr zur Verfügung. Über die Summe aber entscheidet nicht er, sondern der Gemeinderat - so ganz Start-up ist ein Rathaus eben doch nicht.

© SZ vom 24.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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