Unterhaching:Ministerinnen-Starschnitt

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Kerstin Schreyer mit Kerstin Schreyer. Die Ministerin begegnet in ihrem Stimmkreisbüro ihrem Alter Ego. (Foto: Claus Schunk)

Kerstin Schreyer kann sich im Stimmkreisbüro selbst begrüßen. Dort steht die Pappfigur vom Politischen Aschermittwoch.

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Man muss ich das mal vorstellen: Man kommt morgens ins Büro und stellt fest: Ich bin schon da! Auge in Auge mit dem Konterfei. Natürlich gibt es viele Leute, die sich Familienfotos auf ihren Schreibtisch stellen. Oder Politiker, die Plakate ihrer Wahlkampfkampagne an der Wand hängen haben. Aber einem lebensgroßen Ich in Originalmaßen stehen wohl die wenigsten gegenüber, wenn sie mit einem freundlichen, oder vielleicht mürrischen "Guten Morgen" das Zimmer zum Arbeitszimmer öffnen. Und wäre dieses Gegenüber, um das es hier gehen soll, nicht so stumm, wäre man glatt gewillt zu fragen: "Auch einen Kaffee?"

So in etwa mag sich Kerstin Schreyer, die bayerischen Verkehrs- und Bauministerin fühlen, wenn sie in ihrer Heimatgemeinde Unterhaching in ihrem Stimmkreisbüro im Fasanenpark-Einkaufszentrum vorbeischaut. Dort lehnt seit kurzem eine lebensgroße Kerstin Schreyer an der Wand. Pazifikblaues Oberteil, Arme vor der Brust verschränkt, die blonden Haare frisch geföhnt, freundliches Lächeln.

Wo hat man das genau so schon mal gesehen? Richtig: Beim Politischen Aschermittwoch der CSU in Passau, genau genommen bei der Live-Übertragung der 2021-er-Version, denn hin durfte in diesem Jahr ja niemand, auch Kerstin Schreyer nicht. Bis auf CSU-Chef Markus Söder waren alle in der Dreiländerhalle nur aus Pappe, auch das Kabinett. Kerstin Schreyers analoger Avatar mit dem farbenfrohen Blazer fiel auf, dritte Reihe neben Michaela Kaniber im Dirndl und Dorothee Beer in Pink. "Am Tag danach haben mich viele darauf angesprochen", sagt die Ministerin.

Da nun aber so ein Politischer Aschermittwoch an einem Vormittag erledigt ist und es doch schade wäre um diese illustre Schar an Pappkameraden, wurden die leblosen Kopien von Dobrindt, Aigner, Niebler und Co. den echten CSU-Politikern zur Aufbewahrung angeboten. Und so kam die Kerstin Schreyer zum Aufstellen mit der Post nach Unterhaching. "Ich hab' ganz schön geschaut, als sie da plötzlich im Büro stand", gesteht ihre Mitarbeiterin.

So richtig stehen kann die Figur allerdings nicht. Man hat offenbar vergessen, den unteren Teil der Papp-Ministerin mitzuliefern. "Ich dachte auch, die hätte Füße. Hat man ja im Fernsehen gesehen. Wir müssen noch mal nachfragen, ob wir die Beine auch noch haben können", sagt Schreyer. Wenn schon ihr Team im Stimmkreisbüro überwiegend mit der Kopie der Chefin leben muss, weil die echte nun mal häufiger im Ministerium in München weilt, dann sollen ihre Mitarbeiter wenigstens eine komplette Kerstin haben.

Aber so ist das eben mit Starschnitten. Den Promi in Lebensgröße gibt es nicht auf einmal sondern nur in Raten. Wer in seiner Jugend diese Puzzle-Poster aus der Bravo gesammelt hat, weiß, dass es mitunter ein paar Wochen dauern kann, bis alle Teile zusammen sind. Auch Schreyer selbst musste Anfang der Achtzigerjahre geduldig waten, bis sie den Sänger Shakin' Stevens an der Wand ihres Jugendzimmers komplett hatte. Und im Keller, verrät die Ministerin, hatte sie damals die gesamte Familie Ewing aus der US-amerikanische Fernsehserie "Dallas" zusammengepuzzelt. Schreyer muss lachen, wenn sie daran zurückdenkt.

Den Kerstin-Schreyer-Starschnitt wird es aber weiterhin nur einmal geben. Und man kann sich die Pappministerin auch nicht ausleihen, "wenn ich zur Veranstaltung komme, dann im Original", betont sie. Sie findet, es sei auch "eine wahnsinnige Herausforderung" vor Pappfiguren zu reden, so wie Söder das tat. "Wenn du nur den Kameramann vor dir hast, und der auch noch eine Maske trägt, weiß du gar nicht, ob ein Gag ankommt."

So bleibt die Pappfigur brav in ihrem Unterhachinger Büro, lächelt freundlich im pazifikblauen Outfit, wartet auf ihr Unterteil und ab und zu auf den Besuch einer echten Ministerin. Denn mit ins Ministerium darf sie nicht. "Bloß nicht", sagt Kerstin Schreyer und winkt belustigt aber entschieden ab. Wer will sich schon täglich selbst treffen.

© SZ vom 23.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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