Junge Flüchtlinge:Ohne Deutschkenntnisse keine Ausbildung

Lesezeit: 3 Min.

Theoretisch müssten im Landkreis tausend heranwachsende Flüchtlinge in Integrationsklassen auf Lehre und Berufsschule vorbereitet werden. Doch dafür fehlen die räumlichen und pädagogischen Kapazitäten. Nun wird nach raschen Übergangslösungen gesucht.

Von Stefan Galler, Landkreis

Die juristischen Voraussetzungen sind eindeutig: Jedes Kind, das in Deutschland lebt, hat das Recht auf Bildung. Von der Grundschule an besteht Schulpflicht, die in Bayern neun Jahre und zusätzlich drei Berufsschuljahre umfasst; weiterführende Schulen, auch die berufsbildenden, sollen für alle Kinder und Jugendlichen zugänglich sein. Diese im Völker-, Unions- und Verfassungsrecht verankerten Gesetze gelten selbstverständlich auch für Flüchtlinge. Grund genug für die Verwaltung des Landkreises, die aktuelle Situation zu analysieren.

Das Ergebnis ist freilich alarmierend: Während im Bereich der Grund- und Mittelschulen derzeit keine Probleme bestehen, Kinder von Asylbewerbern zu unterrichten, erfüllen nur sehr wenige die Voraussetzungen, ein Gymnasium oder eine Realschule zu besuchen. Erhebliche Engpässe aber gibt es vor allem bei Berufsschulen und Berufsintegrationsklassen (BIK). "Wir haben nur die Staatliche Berufsschule München Land in Riem, da ist völlig klar, dass die Kapazitäten zu eng sind", sagt Landrat Christoph Göbel (CSU).

Das bayerische Kultusministerium sieht für Flüchtlinge zwischen 16 und 21 Jahren (in Ausnahmefällen bis zum 25. Lebensjahr), die wegen mangelnder Sprachkenntnisse nicht in reguläre Berufsschulen gehen können, ein zweijähriges Beschulungsmodell vor. Dieses besteht aus einer Vorklasse zur Berufsintegrationsklasse und schließlich der Berufsintegrationsklasse selbst. Die Klassenstärke soll bei etwa 20 Schülern pro Klasse liegen.

Allerdings hat der Landkreis München bei der Umsetzung dieser Vorgaben mit Problemen zu kämpfen: Einerseits liegen noch keine bereinigten Zahlen vor, die verdeutlichen, wie viele der Flüchtlingskinder sich tatsächlich für den Besuch von Berufsintegrationsklassen eignen. Andererseits gibt es aktuell schlichtweg zu wenige Möglichkeiten im Landkreis, solche Klassen einzurichten. Denn in ihren ersten vorläufigen Rechnungen legte die Stabsstelle Asyl im Landratsamt dar, dass theoretisch die Zahl der berufsschulpflichtigen Flüchtlinge 1000 betragen könnte. Angesichts einer maximalen Klassenstärke von 20 Jugendlichen wären also 50 Berufsintegrationsklassen oder alternative Angebote nötig, um diesen Bedarf zu decken.

Ü-Klassen im Landkreis
:Volle Konzentration

Mittlerweile lernen Kinder mit Migrationshintergrund in 24 Übergangsklassen intensiv die deutsche Sprache. Ein Besuch an der Mittelschule Garching.

Von Gudrun Passarge

"Das ist keineswegs banal", sagte Landrat Göbel in der Sitzung des Kreisausschusses am Montagnachmittag. Und deshalb arbeite man nun an verschiedenen Lösungskonzepten. Aktuell könne man für das kommende Schuljahr sieben Berufsintegrationsklassen garantieren, davon zwei in der Staatlichen Berufsschule München Land und fünf in der Jugendbegegnungsstätte Oberschleißheim. Dazu kommen zwei an der FOS/BOS in Unterschleißheim, die bereits bestehen und noch bis Februar 2017 laufen. Zwei bis drei weitere können in benachbarten Landkreisen eingerichtet werden, macht insgesamt 260 bis 280 Plätze für berufsschulpflichtige und berufsschulfähige Flüchtlinge. Und damit noch lange nicht genug.

Erwartungsgemäß keine Kapazitäten zu etwaigen Erweiterungen gebe es an den herkömmlichen Schulen in den Landkreiskommunen, so der Behördenchef. Weil momentan auch keine Bereitschaft des Freistaates erkennbar ist, eine völlig neue Berufsschule im Landkreis aus dem Boden zu stampfen, geht es laut Göbel nun darum, Übergangslösungen zu suchen: "Wir wollen zeitnah und zentral Räume anmieten oder in einfacher Bauweise selbst welche errichten."

Dabei gelte es einerseits, auch die Kapazitäten für Sprachkurse zu schaffen - nicht nur räumlich, sondern auch pädagogisch. Eine enge Abstimmung mit dem Kultusministerium sei dringend notwendig. "Und wer weiß, vielleicht entsteht aus einer Übergangslösung ja irgendwann eine reguläre Berufsschule", so Göbel.

Der Landrat erhielt vom Kreisausschuss ein einstimmiges Votum dafür, nun die anstehenden Verhandlungen in Angriff zu nehmen. "Das ist natürlich kein Freibrief, jetzt für einen zweistelligen Millionenbetrag ein Schülchen hinzustellen", witzelte Göbel. "Aber wir geben ein Signal, als Sachaufwandsträger eine zentrale Lösung zu verfolgen." Im Haushalt stehen für die anstehenden Maßnahmen 500 000 Euro zur Verfügung.

Flüchtlinge
:Ohne Sprachkenntnisse in die Regelklasse

Übergangsklassen sind für Flüchtlingskinder die erste Wahl, wenn sie nur wenig oder gar kein Deutsch sprechen. Doch im Landkreis reicht das Angebot nicht aus.

Von Iris Hilberth

CSU-Fraktionschef Stefan Schelle freute sich über das Abstimmungsergebnis: "Integration ist ein langer Weg, aber der erste Schritt ist es, junge Leute schulfähig zu machen", sagte der Oberhachinger Bürgermeister. Derartige Maßnahmen seien wichtig, weil dadurch Frust und Problemen in den Unterkünften entgegengewirkt werde, so Schelle weiter. "Und das ist auch gut für unsere Ehrenamtlichen in den Helferkreisen."

SPD-Kreisrätin Annette Ganssmüller-Maluche lobte ebenfalls die Initiative und mahnte zur Eile: "Es geht jetzt darum, hier möglichst schnell die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Jeder Euro, der darin investiert wird, ist gut angelegt", sagte die stellvertretende Landrätin.

© SZ vom 12.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: