Immobilien:Das Ende der Geborgenheit

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Nicht zum Selbstbezug, sondern als Kapitalanlage werden die 117 Wohnungen an der Lilienthal- und Universitätsstraße angeboten. (Foto: Claus Schunk)

In Neubiberg stehen 117 ehemalige GBW-Wohnungen zum Verkauf. Angesichts der von der Patrizia AG verlangten Preise fürchtet der Mieterverein den Verlust von weiterem bezahlbaren Wohnraum.

Von Iris Hilberth, Neubiberg

Die angebotene Immobilie in Neubiberg wird vielversprechend beworben: "Wo Freiheit und Geborgenheit zu Hause sind", locken die Verkäufer und haben gleich 117 Einheiten in ihrem Angebot - von Ein- bis Vierzimmerwohnungen. Allerdings sind die meisten von ihnen vermietet und somit nichts für jemanden, der eine Wohnung für sich sucht, sondern nur für potenzielle Käufer, die in Immobilien investieren wollen. Bei den Mietern des Objekts, das aus zwei vierstöckigen Gebäuderiegeln entlang der Lilienthal- und Universitätsstraße im Ortsteil Unterbiberg besteht, wird diese Nachricht wohl kaum ein Gefühl der Geborgenheit auslösen. Sie müssen mit neuen Eigentümern und Vermietern rechnen - und neuen, unbekannten Interessen.

Bei den Wohnungen handelt es sich um Immobilien der ehemaligen Gemeinnützigen Bayerischen Wohnungsgesellschaft (GBW), die der Freistaat 2013 an ein Konsortium unter Führung des Immobilienkonzerns Patrizia AG verkaufte. Befürchtungen, der als GBW-Group firmierende Teil der Patrizia könnte alsbald die Wohnungen weiterverkaufen, hatte sich bereits an einigen Standorten in München bewahrheitet. Nun also auch im Landkreis.

Das Objekt "Imobilé" in Neubiberg wird laut Verkaufsanzeige neben anderen "vermieteten Kapitalanlagen" etwa in Moosach, im Lehel, in Obermenzing und Fürstenfeldbruck unter der Marke "Meine Münchner Steine" angeboten. Die Wohnungen - zwischen 37 und 129 Quadratmeter groß - sind Baujahr 2002, geworben wird mit "ansprechender Ausstattung, Balkon und Tiefgaragenstellplatz". Günstig ist so etwas in Neubiberg nicht zu haben. Eine Dreizimmerwohnung etwa mit knapp 83 Quadratmetern soll laut dem Angebot auf einer Immobilienplattform im Internet 414 900 Euro kosten.

Wie die GBW-Gruppe bestätigt, gibt es bereits Interessenten für verschiedene Wohnungen in Unterbiberg. Sie sollen an einzelne Käufer veräußert werden. Die GBW-Gruppe besitzt nach eigenen Angaben weitere Objekte im Landkreis.

"Unsere Landkreisbürger suchen dringend nach Wohnungen."

Volker Rastätter vom Münchner Mieterverein hält es daher eher für unwahrscheinlich, dass Mieter von ihrem Vorkaufsrecht, das sie in diesem Fall haben, Gebrauch machen. "Es hat sich gezeigt, dass die GBW-Group vor allen die hochpreisigen Objekte verkauft, weil die Rendite hoch ist und keiner weiß, wie lange die Preise so bleiben." Für den Verein ist es allerdings neu, dass jetzt auch Objekte im Münchner Umland zum Verkauf stehen.

Claudia Köhler, die Landtagskandidatin der Grünen aus Unterhaching, zeigt sich entsetzt, dass nun auch ehemalige GBW-Wohnungen in Neubiberg zum "Kapitalanlageprojekt" würden. Eher zufällig hatte sie im Bekanntenkreis von dem Verkauf erfahren. "Damit ist passiert, wovor die Grünen immer gewarnt hatten", sagt Köhler. Sie sei erschüttert, dass "dieser unsägliche Deal", der von CSU-Ministerpräsident Markus Söder in seiner Zeit als Finanzminister geschlossen wurde, bis in den Landkreis München reiche.

"Unsere Landkreisbürgerinnen und -bürger suchen dringend nach Wohnraum und hier werden an Investoren Wohnungen verkauft, die erst 2002 erbaut wurden, um maximalen Profit zu erzielen." Köhler meint, man brauche sich nicht zu wundern, wenn Erzieherinnen, Pflegerinnen und andere Menschen in Sozialberufen hier nicht mehr arbeiten könnten und wollten. Umso wichtiger sei die "Ausspekuliert"-Demonstration am Samstag in München für bezahlbaren Wohnraum und gegen soziale Ausgrenzung.

Zehn Jahre Kündigungsschutz

Der Mieterverein, der häufig Mieter ehemaliger GBW-Wohnungen berät, hat laut Rastätter bislang noch keinen Kontakt zu den Betroffenen in Neubiberg. So viel kann der Geschäftsführer aber sagen: "Sie haben zehn Jahre Kündigungsschutz." Gesetzlich sind drei Jahre vorgeschrieben, die je nach Region auf zehn Jahre erhöht werden können, was in München der Fall ist. "Einen lebenslangen Kündigungsschutz erhalten nur ältere und behinderte Mieterinnen und Mieter, die schon vor dem Verkauf in den Objekten gewohnt hatten", verweist Köhler auf die Sozialcharta.

Auch einen Modernisierungsbedarf, der häufig bei GBW-Wohnungen angemeldet wird, sieht man beim Mieterverein im Falle der 16 Jahre alten Immobilien in Neubiberg erst einmal nicht. "Da geht es meist um Fenster, und das betrifft dann Bauten aus den Sechziger-, Siebziger- und frühen Achtzigerjahren", sagt Geschäftsführer Rastätter. Eine Heizung werde frühestens nach 20 bis 25 Jahren ausgetauscht, eine Sanierung der Bäder könnte nach 20 Jahren anstehen. Allerdings seien Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Miete möglich. "Das ist sehr schade, da bezahlbarer Wohnraum verloren geht."

© SZ vom 14.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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