Mitten in Planegg:Einkaufen und fremdschämen

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Auf den Hofflohmärkten bekommt man nicht nur günstige Secondhand-Klamotten, sondern auch interessante Einblicke in das Leben seiner Mitmenschen.

Kolumne von Claudia Wessel, Planegg

"So ein schönes Kleid, woher haben Sie das?" Ja, ein Markenprodukt kann schon Aufmerksamkeit erregen und Begehrlichkeiten bei anderen wecken. Doch in diesem Falle braucht man keine Angst zu haben, dass die Nachbarin bald im gleichen Dress umeinanderläuft. Und das nicht etwa, weil ihr das Einkaufen in Nobelmeilen wie der Münchner Theatinerstraße zu kostspielig ist, sondern weil sie selbst dort das gute Stück nicht mehr finden wird. Denn es handelt sich um ein schon älteres Modell, das der Designer längst mehrfach durch Neuentwürfe ersetzt hat. Das edle Teil nämlich stammt, man wagt es kaum auszusprechen, von einem Hofflohmarkt. Leider war die Vorbesitzerin herausgewachsen, bevor sie es allzu oft ausführen konnte. Glück für die Käuferin. Denn niemand kann dem Kleid ansehen, dass es gebraucht erworben wurde.

Auf die Suche nach solchen Glücksfällen kann man sich jetzt wieder machen. Die Hofflohmarktsaison hat begonnen. Am Samstag, 14. Mai, etwa kann man sich mit guten Schuhen nach Martinsried begeben und dort von einem Garten in den anderen wandeln. Privatleute bieten an, was sie nicht mehr brauchen, vom Geschirr bis zur Bettwäsche, vom Designerkleid bis zur antiken Schultasche vom Opa. Ein solcher Rundgang macht Spaß, nicht nur weil man für wenig Geld Dinge erwerben kann, die bei anderen jahrelang nur im Schrank lagen, sondern auch weil man einen (Fantasie-)Einblick in das Leben so vieler Menschen bekommt. Wie kamen sie etwa zu der abgrundtief hässlichen Holzstatue, die da auf dem Tisch steht? Man schaut sich die Verkäufer prüfend an. Kann es sein, dass sie diese wirklich einmal gekauft haben? Oder handelt es sich um ein schreckliches Geschenk, das man auf diesem Wege wieder loswerden möchte? Haben diese Menschen tatsächlich einmal in lila Bettwäsche mit überdimensionalem Blumenmuster gelegen?

Es geht aber auch andersherum: Warum um alles in der Welt wollen sich diese Leute für ein Taschengeld von dem wunderschönen, neuwertigen Milchschäumer trennen, der im Laden ein Vermögen kostet? Leidet jemand unter einer Laktose-Allergie? Mögen sie keinen Cappuccino mehr? Man kann neugierig fragen oder sich einfach seinen Reim drauf machen - und schnell zuschlagen. Ein Hofflohmarkttag steckt auf jeden Fall voller Geschichten, die einem sonst niemand erzählen würde.

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