Nazi-Porträts im Rathaus:Kein Wort der Erklärung zu viel

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Das Porträt des Siegertsbrunner Bürgermeisters Peter Westermair mit Hakenkreuzabzeichen. (Foto: Claus Schunk)

Die Gemeinde Höhenkirchen-Siegertsbrunn hat die Unterschriften unter die Porträts der beiden Bürgermeister aus der Nazizeit um den Hinweis ergänzt, dass diese "eingesetzt" wurden. Von wem, steht nicht dabei.

Von Antonia Hofmann, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Es ist ein kleines Detail: Im Rathaus von Höhenkirchen-Siegertsbrunn hängen zwei neue, glänzend goldene Schilder unter den Bleistift-Porträts der während der NS-Zeit amtierenden Bürgermeister Peter Westermair aus Siegertsbrunn und Georg Maier aus Höhenkirchen. "Eingesetzt von 1933 bis 1945" beziehungsweise "eingesetzt von 1933 bis 1945 gewählt von 1952 bis 1972" steht nun darunter. Auf Westermairs Porträt ist noch immer das Hakenkreuz am Revers zu sehen.

So hat es der Gemeinderat im Mai dieses Jahres beschlossen. Nachdem die SZ über die Bilder berichtet hatte, die erst Anfang der Neunzigerjahre zusammen mit den Porträts anderer ehemaliger Bürgermeister im Auftrag der Gemeinde gezeichnet worden waren, machte sich der Gemeinderat Gedanken, wie er damit umgehen sollte. Ein Abhängen der Bilder stand nicht zur Diskussion - diesen Teil der Geschichte wolle man schließlich nicht ausblenden, hieß es damals. Am Ende stimmte die Mehrzahl für neue Schilder, die deutlich machten, dass die Bürgermeister während der NS-Zeit nicht demokratisch gewählt wurden. Zudem wollte man eine Aufarbeitung durch die Schüler des Gymnasiums im Ort anstoßen. Einzig Dritte Bürgermeisterin Luitgart Dittmann-Chylla von den Grünen setzte sich noch für eine ausführlichere Erklärung ein, die auch das Hakenkreuz verdeckt hätte.

Der Historiker Hermann Rumschöttel vermisst Problembewusstsein

An ihrer Meinung hält sie bis heute fest. "Diese kleinen goldenen Schilder sind mir zu wenig", sagt sie. Dittmann-Chylla wünscht sich noch immer eine etwas längere Erklärung, die "das ganze Geschichtliche" darstelle. Zu Westermairs Wirken und auch eine ausführlichere Erklärung dazu, dass Maier später noch einmal zum Bürgermeister gewählt wurde - bei beiden unterhalb der Gesichter. Vergebens, denn das Thema "ist abgehandelt laut Gemeinde", sagt sie.

Der Neubiberger Historiker Hermann Rumschöttel hatte im Mai darauf hingewiesen, dass für das weitere Vorgehen entscheidend sei, ob es sich um eine Ehrengalerie handle oder ob das Ziel eine historische Dokumentation sei. Bürgermeisterin Ursula Mayer (CSU) hatte damals erklärt, die Ahnengalerie habe "nichts mit Ehre zu tun". Die jetzige Lösung hält Rumschöttel grundsätzlich für korrekt, sie sei "aber natürlich etwas karg". Wenn der Gemeinderat mehrheitlich der Meinung sei, dass das in dieser Form ausreiche, müsse man das akzeptieren. Einem Historiker aber erscheine es "als zu wenig problembewusst und er würde sich etwas mehr Erläuterung wünschen, zumal das Ganze ja als Dokumentation und nicht als Ehrengalerie verstanden wird".

Das Gymnasium bemüht sich unterdessen um eine geschichtliche Aufarbeit der NS-Zeit in der Gemeinde. Das Interesse von schulischer Seite sei auf jeden Fall da, sagt Direktorin Claudia Gantke. Die Fachschaft Geschichte habe Kontakt mit den Archivaren aufgenommen. In Gesprächen wolle man das Format klären, in dem man sich mit dem Thema intensiv befassen könnte.

Rumschöttel hält diese Möglichkeit der Aufarbeitung grundsätzlich für sinnvoll, wenn Lehrer und Schüler bereit seien, "sich intensiv mit der Zeitgeschichte allgemein und den schriftlichen und mündlichen Quellen vor Ort zu beschäftigen". Es gebe hervorragende zeitgeschichtliche Gemeinschaftsarbeiten an bayerischen Schulen - "was die unterschiedlichen Schülerwettbewerbe beweisen", sagt er und führt als Beispiel den Simon-Snopkowski-Preis für Arbeiten zur jüdischen Kultur und Geschichte auf.

In der Nachbargemeinde Hohenbrunn arbeitet ein Arbeitskreis die Geschichte auf

Ein Blick in die Nachbargemeinde Hohenbrunn zeigt eine andere Möglichkeit der Aufarbeitung: Denn Nachholbedarf in dieser Hinsicht hatte es, nicht zuletzt wegen des ehemaligen Munitionsdepots, auch dort gegeben. Vor mehr als drei Jahren gründete sich hier der unabhängige Arbeitskreis "Ortsgeschichte von Hohenbrunn 1933 bis 1945", der seitdem mit einem Historiker an einer Publikation arbeitet. Auch alle verfügbaren Informationen über die beiden Bürgermeister während des Nationalsozialismus habe man aufgenommen, sagt Martina Kreder-Strugalla, Mitglied des Arbeitskreises und Gemeinderätin der Grünen. Im Hohenbrunner Rathaus hängen keine Porträts ehemaliger Bürgermeister.

Wenn sich in Höhenkirchen-Siegertsbrunn jetzt das Gymnasium der Aufarbeitung annimmt, findet Kreder-Strugalla das gut. Darüber hinaus gebe es aber wohl auch hier historisch Interessierte, die an einem Projekt mitarbeiten würden. Dass man sich wie in Hohenbrunn so spät mit der Geschichte zwischen 1933 und 1945 beschäftige, findet Kreder-Strugalla "symptomatisch". So laufe es in vielen Gemeinden. In der Hohenbrunner Dokumentation gehe es nicht darum, "rückwärtsgewandt mit dem Zeigefinger zu zeigen". Man wolle beschreiben, erinnern, Verständnis für Prozesse schaffen - aber auch darstellen, "wann man sich nicht mehr dagegen stellen kann".

© SZ vom 09.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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