Höhenkirchen-Siegertsbrunn:Ein Nazi in der Ahnengalerie

Höhenkirchen-Siegertsbrunn: Das Porträt des 1933 von der NSDAP eingesetzten Bürgermeisters Peter Westermair im Rathaus von Höhenkirchen-Siegertsbrunn.

Das Porträt des 1933 von der NSDAP eingesetzten Bürgermeisters Peter Westermair im Rathaus von Höhenkirchen-Siegertsbrunn.

(Foto: Privat)

Seit 25 Jahren hängt im Rathaus einer Gemeinde bei München das Porträt eines von der NSDAP eingesetzten Bürgermeisters - samt Hakenkreuz-Abzeichen.

Von Wolfgang Krause

Bilder von einstigen Bürgermeistern hängen in vielen Rathäusern. Die politische Ahnengalerie in Höhenkirchen-Siegertsbrunn allerdings fällt aus dem Rahmen. Nicht nur, weil die Reihe bis 1866 zurückreicht und Höhenkirchen und Siegertsbrunn bis 1978 selbständige Gemeinden mit eigenen Bürgermeistern waren, die es alle zu würdigen gilt. Sondern vor allem, weil zwischen all den gewählten Honoratioren im Obergeschoss des Rathauses auch ein NSDAP-Parteigenosse mit Hakenkreuzabzeichen am Revers hängt: Peter Westermair, ein Mann mit spöttischem Blick und Hitlerbärtchen, der 1933 von den Nazis als Bürgermeister in Siegertsbrunn eingesetzt wurde.

Bei den Porträts handelt es sich nicht etwa um zeitgenössische Fotografien, sondern um Zeichnungen des Münchner Malers Rudolf R. Fiedler aus den Jahren 1992 und 1993, als Rudolf Meiler von der SPD Bürgermeister von Höhenkirchen-Siegertsbrunn war. Die heutige Bürgermeisterin Ursula Mayer von der CSU erinnert sich noch daran, dass ihr Vorgänger diesen Künstler an der Hand hatte. Dem habe er einen Packen Fotos in die Hand gedrückt mit dem Auftrag, "die ehrenwerten Herren abzubilden".

Ob auch der Bürgermeister aus der NS-Zeit in die Galerie aufgenommen werden solle, sei "überhaupt kein Thema" gewesen, sagt Mayer, die damals bereits dem Gemeinderat angehörte. Und sie findet auch heute nichts dabei, dass das Porträt Westermairs im Rathaus hängt, im Flur vor ihrem Büro: "Der war halt Bürgermeister in der Zeit, okay, das ist Geschichte", sagt Mayer, "ich weiß ja auch nicht ob irgendeiner von den Vorgängern im 19. Jahrhundert irgendwas Schlimmes gemacht hat". Dass das Parteiabzeichen mit dem Hakenkreuz auf der Zeichnung abgebildet ist, sei ihr gar nicht aufgefallen.

Nach Angaben des Künstlers war das auch nicht mit der Gemeinde abgesprochen. Fiedler berichtet, dass er alte Fotos von sehr unterschiedlicher Qualität bekommen habe. Seine Aufgabe sei es gewesen, "alle gleichwertig" künstlerisch darzustellen: "Es ging darum, sie möglichst authentisch hinzubringen." Westermair mit dem Hakenkreuz-Abzeichen zu zeichnen, war demnach seine Entscheidung: "So war die Vorlage - und war nun mal die Zeit", sagt Fiedler.

Die Porträts sind nur mit Namen, Orten und Jahreszahlen beschriftet. Auch im 2006 von der Gemeinde herausgegebenen Siegertsbrunner Heimatbuch findet sich nur wenig über Westermair. Einmal heißt es: "Nach Joseph Mayer folgte von Mai 1933 bis September 1944 Peter Westermair * 1897." An anderer Stelle steht, dass er am 2. September 1934 gemeinsam mit einigen Gemeinderäten auf Adolf Hitler vereidigt wurde. Dazu schreibt Ortschronist Wolfgang Bethke die bemerkenswerten Sätze: "Alle Männer waren der damaligen Situation entsprechend Parteigenossen der NSDAP. Jedenfalls war es besser gewesen, eigene Siegertsbrunner Bürger in Amt und Würden zu haben, als wenn bei Verweigerung des Amtes fremde Genossen im Ort gewirkt hätten."

Über Westermairs Zeit als Bürgermeister weiß Bethke nur zu berichten, dass er "in seinem Amtszimmer mehrere Kriegstrauungen vorgenommen und von hier aus Lebensmittelkarten ausgegeben" hat. In der 2002 ebenfalls von der Gemeinde herausgegebenen Chronik von Höhenkirchen wird Westermair erwähnt, weil er vom 1. März 1942 bis zum 15. März 1945 kommissarisch die Leitung der NSDAP-Ortsgruppe Höhenkirchen übernahm, in der damals auch die Nazis aus Siegertsbrunn, Aying, Hofolding und Brunnthal organisiert waren.

Der Höhenkirchner Ortschronist Rudolf Stingl, der etwas detaillierter auf die NS-Zeit eingeht, widerlegt auch die Aussage, dass 1933 nur NSDAP-Mitglieder als Bürgermeister infrage kamen. Er berichtet davon, dass 1933 SA-Leute mit dem Kreisleiter berieten, wen sie in Höhenkirchen als Bürgermeister einsetzen könnten. Das habe sich als gar nicht so einfach erwiesen, einige Kandidaten hätten abgelehnt. "So entschied man sich für Herrn Georg Maier, Zimmerhans, Rosenheimer Str. 27, obwohl er damals noch nicht der NSDAP angehörte." Maier blieb laut Stingl nach der Besetzung Höhenkirchens durch die Amerikaner am 1. Mai 1945 noch einen Monat im Amt.

Ob Maier der NSDAP noch beigetreten war, geht aus der Ortschronik nicht hervor. Dass er auf dem Porträt in der Bürgermeistergalerie kein Parteiabzeichen trägt, liegt daran, dass ein jüngeres Foto als Vorlage diente. Maier war nämlich nach dem Krieg noch einmal Bürgermeister. 1952 setzte er sich laut Stingls Chronik in der Wahl knapp gegen den damaligen Amtsinhaber durch und blieb bis 1972 Bürgermeister. Während die Chronik über Maiers Tätigkeit während der NS-Zeit fast nichts berichtet, nimmt sein Wirken in dieser Phase breiten Raum ein und gipfelt in der Aussage: "Die Ehrenbürgerwürde und die Ernennung zum Altbürgermeister waren logische Ehrungen durch die Gemeinde."

Wie andere Kommunen mit der Problematik umgehen, zeigt ein Blick nach Haar und Unterhaching, wo ebenfalls Bilder ehemaliger Bürgermeister in den Rathäusern hängen. In Haar befand man laut Rathaussprecherin Ute Dechent die beiden von den Nazis eingesetzten Bürgermeister Karl Sturm und Hans Gmeinwieser nicht für würdig, in der aus Schwarz-Weiß-Fotos bestehenden Bürgermeistergalerie vertreten zu sein. Die Lücke füllte man mit einer Texttafel in gleicher Größe. Diese musste zwischenzeitlich für ein Porträt des jüngsten Altbürgermeisters Helmut Dworzak Platz machen, soll aber demnächst wieder aufgehängt werden. In Unterhaching entschied man sich laut Rathaussprecher Simon Hötzl dafür, nur gewählte Bürgermeister mit Gemälden im Sitzungssaal zu würdigen. Das schließt allerdings auch Josef Prenn ein. Der war von 1920 bis 1933 regulär im Amt, wurde von den Nazis zuerst ab-, aber ein Jahr später wieder eingesetzt und amtierte bis zum Jahr 1945. Keinen Platz in der Bürgermeistergalerie fand in Unterhaching aber der 1933 von den Nazis vorübergehend eingesetzte NSDAP-Ortsgruppenleiter Leonhardt Fladt.

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